Weinland

Aus dem Radio statt von der Kanzel

Vom 1. bis 24. Dezember klingt morgens und abends eine vertraute Stimme aus dem Radio: Anita Keller, Pfarrerin der Kirchgemeinde Trüllikon-Truttikon, liest in der SRF-Musikwelle eigene Adventsgeschichten.

von Eva Wanner
30. November 2018

Eines Tages im August klingelte bei Anita Keller im Pfarrhaus Trüllikon das Telefon. Am anderen Ende der Leitung: Bernhard Siegmann, Leiter der SRF-Musikwelle. Ob sie Weihnachtsgeschichten schreiben und allenfalls auch gleich selbst vorlesen könnte, wollte er wissen. Anita Keller erschrak erstmal. Dabei hat sie Radio-Erfahrung – zumindest ein bisschen.

Denn im Theologischen Verlag Zürich wurde vor sechs Jahren eine von ihr verfasste weihnachtliche Geschichte herausgegeben. Diese und andere sind nachzulesen im Buch «Und der Stern zog vor ihnen her». Auch SRF wurde  zwei Jahre später auf diese Geschichte aufmerksam und bat die Pfarrerin der Kirchgemeinde Trüllikon-Truttikon, sie im Radio vorzulesen, was sie tat. Wieder zwei Jahre später klopfte ein deutscher Verlag an – in einem Sammelband wurde ihre Geschichte erneut veröffentlicht. «Damit hat es sich nun erledigt, dachte ich», sagt Anita Keller.

24 Geschichten schreiben
Falsch gedacht – denn wieder zwei Jahre später, diesen August, war eben Bernhard Siegmann am Telefon. Bloss eine Geschichte war aber nicht gefragt, sondern deren 24! «Ich hatte grossen Respekt davor, so viel zu schreiben», sagt Anita Keller. Aber ihr Mann habe sie bestärkt, die Aufgabe anzunehmen.

Sie setzte sich hin und merkte bald, dass die erste Herausforderung eine andere sein sollte als gedacht: «Ich hatte weit mehr als 24 Ideen», sagt sie lachend. Nach und nach sortierte sie aus, behielt, was ihr gefiel und wovon sie dachte, dass es auch anderen gefallen könnte und entwickelte diese Geschichten weiter.

Das Resultat der vielen Arbeit sind zwei Dutzend Adventsgeschichten, die meisten mit Bezug zum Weinland, alle mit mindestens einem kleinen Körnchen Realität darin. Es seien fast durchgehend Beziehungsgeschichten mit vielen Dialogen, erläutert die Autorin. Nicht Liebesbeziehungen, sondern jene zwischen Verwandten, Freunden, Nachbarn. Und: Länger als vier Minuten ist keine. Sich daran zu halten, sei nicht einfach gewesen, sagt die Pfarrerin schmunzelnd. Am Sonntag in der Kirche habe sie jeweils doch etwas mehr Zeit … Dennoch sei es schön gewesen, einmal etwas ganz anderes zu machen. Denn in den Geschichten im Radio könne sie Begebenheiten weitergeben, die in einer Predigt fehl am Platz wären. Ihr Testpublikum war die Familie – in den Herbstferien am Zmorgetisch las Anita Keller vor.

Die eigene Stimme im Radio
Die Pfarrerin hatte die Wahl, ob sie die Geschichten im Studio selber sprechen will. Sie wollte: «Das ist meine Sprache, mein Dialekt, und es sind meine Worte.» Kürzlich wurden die ersten Geschichten aufgenommen, «in einem fensterlosen Radiostudio mit weissen Wänden ohne das kleinste Bisschen Weihnachtsstimmung», sagt sie. Der Einblick in eine vollkommen andere Welt sei spannend gewesen.

Aber: Die Aufnahme war das eine, sich selbst zu hören wird das andere sein. So geht es wohl allen, die nicht regelmässig den Klang der eigenen Stimme ab Band hören – «bin das wirklich ich, so klinge ich?». Zusätzlich aufregend für Anita Keller ist, dass nicht nur sie sich hören wird, sondern Radio­hörer der gesamten Schweiz. Darunter natürlich auch Freunde, Verwandte und Bekannte aus dem Weinland – ihr Vater etwa habe sich extra ein neues, DAB-fähiges Radio gekauft. Wie gut, dass Anita Keller im August beim Anblick der Anzeige auf dem Display ihres Telefons nur gestutzt und den Hörer dennoch abgenommen hat.

Adventsgeschichten in der SRF-Musikwelle vom 1. bis 24. Dezember um 7.20 Uhr und Wiederholung um 18.20 Uhr

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