Weinland

Blindsein am eigenen Leib erfahren

Eine besondere Lektion erwartete die Primarschüler am Dienstagmorgen. Zu Gast war die Christoffel-Blindenmission. Sie kam mit einem Lastwagen voller Überraschungen.

von Cindy Ziegler
02. November 2018

Wie es ist, sich zurechtzufinden, wenn man nichts oder nur wenig sieht, erfuhren Marthaler Primarschüler am Dienstag am eigenen Leib. «Blind zu sein, bedeutet nicht, nichts zu sehen», sagt Beat Schneider von der Christoffel-Blindenmission (CBM, siehe Kasten), die einen Morgen lang zu Besuch war. Hell und Dunkel oder grobe Umrisse würden auch Blinde erkennen können – das sei beispielsweise beim Grauen Star der Fall. 36 Millionen Menschen weltweit sind blind, 13 Millionen von ihnen wegen dem Grauen Star, der aber heilbar ist.

Beat Schneider ist bei CBM verantwortlich für das Erlebnismobil. Der Besuch mit dem Erlebnismobil ist für die Schulen kostenlos. Ausgerüstet mit einer Brille, die die Seheinschränkung durch den Grauen Star simuliert, und einem Blindenstock wagten sich die Viert- bis Sechstklässler durch den Erlebnisgang. Immer wieder änderte der Untergrund – mal Holz, mal Kies, mal Kunstrasen. Es galt, sich hindurchzutasten und zu erfühlen, welche Gegenstände an Wänden oder auf Tischen befestigt sind. Viele «Ohs» und «Ahs» drangen aus dem Lastwagen – das Staunen war regelrecht hörbar.

Räume anders wahrnehmen
Beat Schneider erklärte, dass wir ohne den Sehsinn Räume anders wahrnehmen. Das bestätigten auch die Schüler. Der kurze Rundgang kam ihnen vor wie ein langer Weg, der weite Korridor sei beengend gewesen. «Es ist seltsam, wenn man nur auf die anderen Sinne vertrauen kann», sagte ein Junge. Und ein Mädchen ergänzte: «Es war cool, es mal auszuprobieren. Ich bin aber froh, dass ich sehen kann.»

Nach beziehungsweise vor dem Rundgang durch das Erlebnismobil machten die Halbklassen im Werkzimmer einen Postenlauf der besonderen Art. Mit zugebundenen Augen bauten sie mit Bauklötzen Türme, spielten «Vier gewinnt» oder versuchten, ein 3-D-Puzzle zusammenzusetzen. «Uii, das ist aber schwierig», meinte ein Mädchen.

«Ich verstehe nun besser, wie sich Betroffene fühlen müssen», sagte ein Junge nach der Doppellektion mit Beat Schneider. Genau das sei auch das Ziel, meint dieser. Die CBM wolle mit den Schulbesuchen die Kinder sensibilisieren und aufzeigen, wo und wie Menschen mit einer Behinderung im Alltag anstehen.

Wie helfen?
«Die Erfahrungen sind bisher immer sehr positiv gewesen», sagt Beat Schneider. Viele Schüler seien überrascht, wie schwierig es sei, wenn ein Sinn ausfällt. «Auch Erwachsene wissen oft nicht, wie sie Betroffenen helfen können oder auf sie zugehen sollen.» Das thematisierte der Fachmann dann auch noch. Man sollte die Menschen  immer erst fragen, ob die Hilfe erwünscht ist. «Das Ziel ist, dass schon Kinder lernen, respektvoll und ohne Ekel auf Menschen mit einer Behinderung zuzugehen.»

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