Weinland

Der grosse Traum vom kleinen Haus

Fiona Bayer ist 22 Jahre jung und bereits Besitzerin eines Eigenheims im Rohbau: eines 18 Quadratmeter kleinen, mobilen Häuschens. Ihr «Tiny House» steht auf dem Gelände des Holzlabors.

von Eva Wanner
04. April 2018

Wie viel Platz braucht man zum Wohnen? Fiona Bayer kann diese Frage ganz klar beantworten: 18 Quadratmeter. Voll ausgerüstet mit Küche, Dusche, WC, Bett, Sofa, Esstisch, Schrank – und einem E-Piano!  

Beinhalten wird all das dereinst ihr Eigenheim. Ihr «Tiny House», was zu Deutsch so viel heisst wie «winziges Haus» (siehe Kasten). Seit eineinhalb Jahren baut Fiona Bayer an ihrem gros­sen (kleinen) Traum. Das Gerüst steht, bald kommt die Fassade. Darauf freut sie sich besonders: «Wir Menschen bauen gerne ein Nest», ist sie überzeugt. Wann ihr Haus fertig sein wird, kann die 22-Jährige noch nicht sagen – 2020 wäre aktuell das Ziel und wohl realistisch, meint sie. Sie komme nicht so schnell mit dem Bau voran, weil sie sich in der Ausbildung zur Sekundarschullehrerin befindet, arbeitet und der Weg von Zürich, wo sie wohnt, zum Holzlabor in Thalheim, wo das «Tiny House» steht, eine Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dauert.

Jedes Hölzli recherchiert
Angefangen habe ihr Projekt in einer langweiligen Vorlesung, erzählt Fiona Bayer. Immer wieder habe sie Zirkuswagen gesehen und sich gefragt, wie es wohl wäre, darin zu leben. Sie recherchierte im Internet – und merkte bald, dass es in den USA eine ganze Bewegung von Menschen gibt, die genau das tun. Allerdings nicht in Zirkuswagen, sondern in sogenannten «Tiny Houses».

Das wollte Fiona Bayer auch. Sie skizzierte mit einem Computerprogramm in unzähligen Stunden Arbeit ihr künftiges Haus («bei so wenig Platz muss es funktional und ästhetisch sein») und erstellte ein grobes Budget (rund 30 000 Franken sollten es am Ende sein). «Ich habe Material und Format von jedem Hölzli recherchiert», sagt sie schmunzelnd.

Bauen im Holzlabor
Sie musste mit sämtlichen Recherchen bei null beginnen – sie und Kevin Rechsteiner, der in Buchberg ein «Tiny House» baute, seien Pioniere in diesem Bereich, sagt sie. Zumindest hätten vorherige «Tiny-House»-Erbauer ihre Erkenntnisse nirgends öffentlich festgehalten. Deshalb werde sie auch oft um Rat gefragt – und führt einen Blog, auf dem sie ihre Erkenntnisse und den Stand der Arbeit mit Interessierten teilt (www.tiny-house-projekt.ch).

Wie alle künftigen Hausbesitzer musste sie vor allem eine wichtige Frage klären: Wo? Das «Tiny House» sollte zwar mobil sein, aber einen Standort, um es überhaupt erst erbauen zu können, brauchte sie trotzdem. Sie nahm Kontakt auf zur Schreinerei der Genossenschaft Holzlabor in Thalheim, deren Spezialgebiet der Wagenbau (etwa Zirkuswagen) ist. Sie stellte sich den Inhabern vor – und bekam einen Platz, um an ihrem Eigenheim auf Rädern zu bauen.

Ein Serviertablett als Test
Wer sich einen Hausbau zutraut, muss doch Handwerker sein, mindestens aber handwerklich begabt. Darauf angesprochen, lacht Fiona Bayer und erzählt die Geschichte, mit der sie auf diese Frage immer antwortet: Sie habe nie handwerklich gearbeitet, sei es beruflich oder als Hobby. Ein halbes Jahr, bevor sie sich an den Hausbau machen wollte, testete sie sich. Sie baute ein Serviertablett. Naja, das ist ja nicht gerade ein Haus … «Nein, das ist viel schwieriger!», lacht sie weiter. Das Tablett sei viel kleiner und anspruchsvoller als alles, was sie jetzt zusammenzimmere. Und: «Ich habe beim Hausbau viel Hilfe.» Sie darf beim Holzlabor um Rat fragen und wird beim Bau von Freunden unterstützt.

Die braucht sie besonders, wenn es um Strom und Wasser geht. Denn die Anschlüsse möchte sie so haben, dass sie das «Tiny House» an ein fixes Haus «anschliessen» kann, aber auch autark damit unterwegs sein könnte. Denn aktuell sei der Plan, dereinst in einer Wohngemeinschaft in einem Haus zu wohnen und das mobile Häuschen als «externes Zimmer» zu nutzen. Vor allem, weil sie nicht gerne alleine sei, so Fiona Bayer. «Aber ich möchte mir die Möglichkeit offenhalten, mit meinem Haus irgendwohin zu ziehen.» Dafür müssen die Strom­anschlüsse auch auf «Autobatterie-Niveau» funktionieren, wie sie sagt, und der Wasserhahn muss auch mit einem Tank laufen können. Alles schön und gut, aber Tacheles: Wie stehts um das WC? Eine Trocken-/Komposttoilette soll es sein. Das Flüssige landet in einem Behälter, das Feste in einem anderen. Die Trennung, so Fiona Bayer, verhindere «den üblichen Zeltlager-Buddel-WC-Geruch». Die Behälter müssen regelmässig geleert, die Feststoffe können kompostiert werden. Dank einer Lüftung ist Gestank kein Thema.

Ebenso wenig der geringe Platz. «Ich habe nie in einem Zimmer gelebt, das grösser ist, als mein ‹Tiny House› es sein wird», sagt Fiona Bayer. Das komme ihr zugute. Aber auch die Tatsache, dass sie nie Dinge angehäuft habe und dementsprechend nicht viel ausmisten müsse. Wie viel Platz sie zum Wohnen braucht? 18 Quadratmeter. Mit allen Lieblingsdingen – auch dem E-Piano, das sie nicht hergeben möchte

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