Weinland

Die Hoffnung nicht aufgeben

Das nötige Geld zu beschaffen, hatte Rebecca Panian nicht als grösste Herausforderung gesehen. Doch nun droht genau dies ihr Projekt mit dem Grundeinkommen zu gefährden. Trotzdem muss es nicht das Ende sein.

von Roland Spalinger
16. November 2018

Noch ist nicht der 4. Dezember. Also lebt die Hoffnung, es noch zu schaffen. «Es» sind 6 Millionen Franken, die mittels Crowdfunding für das Projekt «Dorf testet Zukunft» zusammenkommen sollen. Maximal 50 Sammeltage erlaubt die Plattform Wemakeit Projekten, nach etwas mehr als der Hälfte der Zeit sind erst gut 140 000 Franken zugesichert. Aber eben: Es gibt noch Hoffnung.

Es ist Dienstag, kurz nach 13 Uhr. Ini­tiantin Rebecca Panian lebt im Aargau, ist aber immer wieder in Rhein­au. Sie empfängt den Schreibenden im Gemeindehaus. Gemeinderätin Karin Eigenheer, die Rhein­au für den Test eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) angemeldet hatte, kommt dazu und auch Helferinnen, die eine Flyer-Aktion ins Leben gerufen haben und diese verteilen. Das Dorf, in dem sich 770 Menschen für den Versuch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen angemeldet haben, soll symbolisch ein (finanzielles) Zeichen setzen, dass es hinter «Dorf testet Zukunft» steht.

Das Feuer in Rebecca Panian brennt. Auch wenn das Ziel utopisch erscheint. Stolz ist sie, was bereits geschafft wurde. Diese bis jetzt «schöne Reise» übertreffe kühnste Erwartungen, sagt sie. Aber ja, das Geld. Dass genau dieses in der reichen Schweiz fehle – sie lächelt. Aber eigentlich kann sie nicht glauben, dass nicht mehr Menschen beschäftigt, wie sich die Arbeitswelt verändert. Es brauche in Zukunft neue Modelle, eines davon möchte sie testen.

Zuerst ein Dorf finden
Ihr Auslöser war die Abstimmung 2016, als das Schweizer Stimmvolk mit wuchtigen 77 Prozent das bedingungslose Grundeinkommen ablehnte. Als einziges Land auf der Welt habe die Schweiz über das Anliegen abgestimmt. Und 23 Prozent oder 568 905 Menschen hätten Ja gesagt. «Wow!», fand Rebecca Panian. Das Anliegen ist für sie gesellschaftlicher Natur, nicht politisch.

Filmemacherin Rebecca Panian entschied, der Frage nachgehen zu wollen, wie wir in Zukunft leben und wie das Leben finanziert werden kann. Sie suchte Geld für ihr Projekt und erhielt die Antwort, sie solle zuerst ein Dorf finden! Rhein­au kam ins Spiel. Nach der Überraschung an der Gemeindeversammlung und den fortan weiteren erfolgreichen Schritten wie das grosse Interesse an der Sache, und dass es keine Fake-Anmeldungen gab, ging etwas unter: das nötige Geld. Zwar wurde immer auf die Sammlung hingewiesen, doch ihre Überzeugung und Überzeugungskraft liess laut Karin Eigenheer auch den Gemeinderat annehmen, die Initiantin habe Geldgeber in der Hinterhand. Hat sie nicht. Sie hat ein Dorf, aber kein Geld.

Selber profitieren, statt mittragen
Sie hoffte, und das ist wohl ein Denkfehler, auf die 568 905 Menschen, die 2016 Ja gestimmt hatten. Vielleicht taten diese es damals, weil sie vom BGE profitieren wollten, und nicht, um es anderen zu ermöglichen, mutmasste eine der Helferinnen am Dienstag. Karin Eigenheer zitierte eine Kollegin, die sich mit dem Rhein­au­er Projekt befasst und sich fast geschämt habe, dass dieses bei ihr niedere Instinkte wie Neid und Geiz geweckt habe. Solches hatten auch andere gehört, war aus der Runde zu vernehmen. Geld spenden, damit halb Rhein­au Ferien machen kann?

Und doch sind die anwesenden Frauen nach wie vor überzeugt – angesteckt von Rebecca Panian geben sie die Hoffnung nicht auf, Teil von etwas Grossem zu werden. Der finanzielle Aspekt stehe dabei nicht im Vordergrund. Eine Frau sagte, das BGE habe ihr Mut gegeben, sich selbständig zu machen – und zwar so fest, dass sie unabhängig von dessen Gelingen den Schritt schon gemacht habe. Auch die anderen erzählen von Positivem, das sie bereits erlebt haben. Neue Bekanntschaften im Dorf, Gespräche mit Nachbarn. Eine Frau sagte, oft sei es das gleiche Drittel Leute im Dorf, das helfe oder für Unterstützung angefragt werde. Beim BGE seien nun andere aktiv, sie eingeschlossen.

Noch bleiben 18 Tage. Wird das Spendenziel verfehlt, geht alles zurück an die Absender. So will es das Regelwerk der Plattform Wemakeit (www.wemakeit.com/projects/dorf-testet-zukunft). Das Ende des BGE in Rhein­au muss das aber nicht bedeuten. «Machst du weiter?», wird Rebecca Panian gefragt. Sie fragt zurück: «Seid ihr weiter dabei?» Bei den Anwesenden ist die Antwort klar.

Welchen anderen Weg zur Geldbeschaffung eingeschlagen werden könnte, lässt Rebecca Panian offen. Solange noch Hoffnung für Plan A besteht, bleibt sie mit Leib und Seele dabei. Ist sie gescheitert? Sie habe eine Idee, verfolge diese und habe mehr erreicht, als sie je erwartet habe. «Man kann immer wählen: Aufgeben oder nichts tun, dann riskiert man auch nichts.» Das Risiko der Ablehnung ist sie eingegangen.

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