Weinland

Eine Rarität im Glockenturm

Fast 90 Jahre alt ist die Turmuhr des alten Schulhauses. Nach mehrmonatiger Generalüberholung ist sie wieder zurück im Dorf – und schlägt nun wieder mechanisch.

von Jasmine Beetschen
31. August 2021

Im Dachstock des alten Schulhauses in Volken, in einem unscheinbaren Holzschrank, versteckt sich etwas Besonderes: «Eine richtige Schweizer Rarität», wie es Christian Thesen von der Firma Rüetschi AG formulierte. Um diese Besonderheit, eine knapp 90-jährige Turmuhr, hat sich der Glockendoktor, wie sich Christian Thesen auch nennt, in den letzten Monaten intensiv gekümmert.

Die 1932 von der berühmten Turmuhrenfabrik Mäder AG in Andelfingen hergestellte Uhr wurde in die Glockengiesserei der Rüetschi AG gebracht. Die Firma ist das Nachfolgeunternehmen der Turmuhren­fabrik Mäder und auf Uhr- und Glockensanierungen jeglicher Art spezialisiert. Im Atelier wurde die Uhr in ihre Einzelteile zerlegt, vollständig erneuert und wieder zusammengebaut.

Alt, aber mit neuer Unterstützung
Zudem wurde sie auf ihre ursprüngliche Funktionalität zurückgesetzt. Nach mehreren Jahrzehnten, in denen sie von einer elektronischen Mutteruhr angetrieben wurde, läuft sie nun wieder mechanisch. Das sei viel langlebiger, denn solche Uhren halten länger als automatische, erklärte Christian Thesen. Das Pendel funktioniere wieder, vorher hatte es sozusagen nur noch Showeffekt.

«Ein kleiner Schrittmotor unterstützt sie neu jedoch elektronisch und sorgt dafür, dass sie im Takt bleibt.» Denn die Uhr gleicht sich den Jahreszeiten an; wenn es warm ist, läuft sie schneller, bei Kälte verlangsamt sie sich. Daher braucht es eine Nachregelung der Pendellinse, was früher von jemandem betreut werden musste.

Dank der Elektroinstallationen fallen ein manuelles Aufziehen oder sonstige manuelle Aufgaben weg. «Ein Schaltkasten überwacht das Uhrwerk konstant, eine sogenannte Pendelbeeinflussung hält zudem das Pendel an der Hand und korrigiert falls nötig», sagte Christian Thesen. Auch die Zeitumstellung werde so geregelt: Im Frühling wird das Pendel für elf Stunden, im Herbst für eine Stunde angehalten. Ausserdem sorgt die Elektronik dafür, dass die Uhr auch während eines Stromausfalls autonom weitertickt.

Das Dorf hat seine Uhr vermisst
Der Elektronikkasten wurde komplett erneuert, alle alten Elemente wurden ersetzt. «Hier herrschte dringender Handlungsbedarf, vor allem aus Sicht des Brandschutzes, was uns auch veranlasste, die Restaurierung voranzutreiben», erklärte Gemeinderätin Ma­rion Boos bei der Erstbesichtigung der restaurierten Turmuhr am vergangenen Freitag. «Es ist schön, die Uhr zurück im Dorf zu haben und wieder das Geläut unserer rund 500-jährigen Glocken geniessen zu können», sagte sie. Die Einwohnerinnen und Einwohner hätten das vermisst, habe sie vermehrt vernommen. Anfang Jahr hatte der Gemeinderat bekannt gegeben, dass «die Uhr erhaltenswert sei und deshalb durch eine Restaurierung mit Einbau einer Pendelsynchronisation die Betriebs- und die Bediensicherheit verbessert werden sollen» («AZ» vom 26.2.2021). Für die Sanierung hatte der Gemeinderat 35'000 Franken freigegeben.

Auch aus Denkmalsicht sei die Restaurierung wohl der richtige Schritt gewesen, fand Gemeindepräsident Walter Schürch. Denn eine solch gut erhaltene Turmuhr finde sich nicht mehr so leicht. Der Gemeinderat werde sich in naher Zukunft überlegen, in welcher Form die schöne Turmuhr besichtigt werden könne. Auch Führungen seien eine Möglichkeit, gab Christian Thesen seinen Input. Etwas machen würden sie auf jeden Fall, sagte Marion Boos überzeugt. «Es wäre ja schade, ein solches Schmuckstück im Turm versteckt zu lassen.»

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite