Weinland

Genossenschaft will Obermühle kaufen

Eine Genossenschaft will drei Gebäude des Obermühlen-Ensembles kaufen. Der Initiant Conrad Schneider erklärt, warum Geld in Genossenschaften gut investiert ist.

von Silvia Müller
28. September 2018

«Genossenschaftsmotor» lautet der Zusatz auf Conrad Schneiders Visitenkarte. Erstaunlich bescheiden – «Genossenschaftsturbo» wäre nicht übertrieben. In den letzten Jahren hat Conrad Schneider ein ländliches Genos­sen­­schaftswohnprojekt nach dem anderen auf­gegleist. Er war vom Startschuss an dabei beim generationendurchmischten «Löwen» in Diessenhofen, beim Zentrum Löwen in Ellikon an der Thur mit Alterswohnungen, Volg, Bistro und Gewerberäumen, bei 14 neuen Wohnungen in Dinhard, bei den zukünftigen 8 Wohnungen rund ums Restaurant Adler in Unterstammheim, bei der Dröschschüür in Berg am Irchel, beim Rebstock in Rüdlingen und bei der Genossenschaft Schlattertal.

Nun kümmert er sich um die Obermühle in Andelfingen. Speziell an diesem Projekt ist, dass hier nicht zuerst gebaut werden muss. Die drei Gebäude sind seit Langem ausgebaut und vermietet, einzig die Ladenlokale stehen seit der Schliessung der Mercerie im Mai leer.

Die gemeinnützige Genossenschaft wird am 5. Oktober gegründet. Im Vorstand sind neben Präsident Conrad Schneider auch Margrit Wartmann-Schneider, Ruedi Zehnder und Susann Langhart. Sie werben persönlich und mit einem Flyer um «Mitstreiter, die mithelfen, das historisch gewachsene Ensemble zusammenzuhalten und zu beleben», sprich: um Genossenschafter und Darlehensgeber.

In etwas Sinnvolles investieren
Der Kaufvertrag sollte bis Ende Jahr besiegelt werden können. Die Finanzierung der nötigen 4 Millionen Franken stehe fast, sagt Conrad Schneider, nur noch 200 000 Franken fehlen.

«Viele Menschen legen Wert darauf, dass ihr Geld sinnvolle, gerechte und nachhaltige Projekte ermöglicht, noch dazu in der eigenen Region.» Die Verzinsung sei ein weiteres Argument: Mit 1,75 Prozent für 10- und 2 Prozent für 15-jährige Darlehen bietet die Genossenschaft höhere Rendite als die Banken. Wenn der Referenzzins steigt, erhöht auch die Genossenschaft die Auszahlung.

Umgekehrt dürfen die Mieter mit Senkungen rechnen, sobald die Amortisation und die Rücklagen für die Erneuerung gross genug sind. Denn das Ziel der Genossenschaft ist die Kostenmiete, nicht Gewinnoptimierung. «So wollen wir gemeinsames Wohnen und Leben ermöglichen, die Verkaufsflächen beleben und kulturelles und soziales Engagement unterstützen», erklärt Conrad Schneider.

Die heutigen Mieter dürfen bleiben. Die Investoren – oder korrekter: die Genossenschafter und Darlehensge­ber – können ihr Vorrecht auf einen Mietvertrag erst geltend machen, wenn eine Wohnung frei wird. Conrad Schneider selbst mietet seit ein paar Monaten eine Wohnung im Mühlengebäude. Als er erfuhr, dass die drei Besitzerinnen sich Gedanken um die Zukunft ihres Familienerbes machten, sei er mit seiner Idee auf sie zugegangen.

Zwei 70-Prozent-Jobs
Conrad Schneider kennt auch «die andere Seite», den rein profitorientierten Wohnungsbau. Er arbeitet zu 70 Prozent als Akquisiteur für das grösste Bau- und Baudienstleistungsunternehmen der Schweiz, die Implenia AG. In ihrem Auftrag sucht er ständig Bauland und Objekte, die sich zum Erstellen von grossen Wohnüberbauungen eignen. Sein Fazit: «Was Genossenschaften bauen, ist baulich und architektonisch meistens besser.»

«Weitere 70 Prozent meiner Zeit will ich deshalb für etwas anderes einsetzen», sagt er und lacht. Als selbständiger Unternehmer für Genossenschaften habe er es mit Leuten zu tun, «die wie ich etwas Gescheites machen wollen». Er mache immer auch Dinge, für die es «keine Lorbeeren» gebe, sagt der ehemalige Kirchenpflegepräsident von Thalheim. Diese Einsätze lasse er sich bescheiden und mit Rücksicht auf die Möglichkeiten der Verkäufer vergüten.

Genossenschaftliche Projekte sind nicht nur in riesigen Gebäuden möglich. Schon ab drei Wohneinheiten könne so etwas zum Laufen kommen, sagt er. Diese Wohnform sei durchaus wieder ein Zukunftsmodell, «eine dritte Möglichkeit neben dem Kauf und der Miete». Für viele Menschen sind und bleiben aber die eigenen vier Wände oberstes Ziel, «sonst hätten wir nicht diesen erstaunlichen Boom der 2,5-Zimmer-Eigentumswohnungen».

Parallelprojekt Kleinkraftwerk

In der Obermühle tut sich was, auch bei den stillgelegten Wasserkraft­anlagen. Die von der Genossenschaft unabhängige «Wasserkraft Mülibach Andelfingen GmbH» wurde kürzlich gegründet, dahinter stehen Jürg und Regula Beglinger sowie die anderen Mühlen. Reaktiviert wird die Nutzung des 30 bis 40 Liter pro Sekunde führenden Bachs. Eine neue Turbine wird Strom für drei Haushalte erzeugen. (sm)

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