Weinland

Schon 360 Experimentierfreudige

Proppenvoll war die Mehrzweckhalle beim Informationsabend über das Experiment Grundeinkommen. Der Tenor war positiv – die Fragen drehten sich vor allem darum, wie sich eine Teilnahme für den Einzelnen lohnt.

von Eva Wanner
04. September 2018

Zwölf Köpfe stehen hinter dem Projekt «Dorf testet Zukunft». Keiner der zwölf verdient auch nur einen Rappen daran, wenn in Rheinau das Experiment Grundeinkommen gewagt wird. Zustande kommt das Projekt, wenn sich mindestens die Hälfte der 1300 Einwohner anmeldet.

Das Dutzend, bestehend aus Kommunikations-, Wissenschafts- und Filmexperten rund um Initiantin und Filmemacherin Rebecca Panian, steht mit viel Idealismus hinter dem Projekt. Der Funke sprang am Freitagabend wohl auf die rund 400 Personen im Publikum über – für die Aussage «eine kleine Gemeinde wie Rheinau ist der ideale Boden, Verantwortung füreinander wahrzunehmen», erhielt das Team viel Applaus.

Und doch gings in den Fragen dann weniger um alle, als mehr um die Einzelnen. Um sich selbst und darum, wie Rheinauer und Rheinauerinnen am besten profitieren können.

«Warum soll ich mitmachen?»
Rebecca Panian und Kommunikationsverantwortlicher Reda El Arbi definierten die Ziele und Wünsche, die hinter dem Projekt stehen, unter anderem damit, dass die Wertschätzung auch für die haushaltsführende Person steigt. Dass ein Vater nach der Geburt der Kinder länger zu Hause bleiben könne. Dass mehr Zeit für Innovation und Kreativität vorhanden sei, wenn der Druck, Geld zu verdienen, sinkt.
 
Die Rheinauer hingegen wollten  ganz Praktisches wissen. Schon im Vorfeld war einige Male die Frage gestellt worden: «Warum soll ich mitmachen, wenn ich über 2500 Franken verdiene?» Rebecca Panian antwortete, dass «profitieren» nicht immer mit Geld zu tun haben müsse und es sich lohne, mitzumachen, wenn es nur schon einigen in der Gemeinde mit der Durchführung des Experiments besser gehe.

Ob die Gemeindekasse belastet werde? Mit maximal 10'000 Franken für Sitzungsgelder und Ähnliches, antwortete Gemeindepräsident Andreas Jenny. Bei der Anmeldung wird das monatliche Einkommen abgefragt. Was, wenn sich das verändert? Abgerechnet wird monatlich, darum wird das Geld auch jedem, ob er mehr als 2500 Franken verdient oder nicht, ausbezahlt. Wer mehr Geld auf dem Lohnkonto hat, zahlt den Betrag zurück. Beispielsweise einen Monat unbezahlte Ferien zu nehmen, sei also möglich, so Rebecca Panian. Und ein Jahr in der Karibik zu leben? Ja, wenn man in Rheinau angemeldet bleibt. Eine Rheinauerin rechnete vor, wie viel sie und ihr (IV-beziehender) Sohn zum Leben haben, und stellte die entscheidende Frage: «Lohnt es sich für mich?»

360 Personen finden offenbar, für sie lohne sich das Mitmachen – Tendenz steigend. Sei es aus einem sozialen, einem wissenschaftlichen oder eben auch aus einem profitorientierten Gedanken heraus. Mindestens 650 Anmeldungen braucht es total, damit das  Experiment «Dorf testet Zukunft» am 1. Januar 2019 starten kann.


www.dorftestetzukunft.ch

Die Urne mit den Anmeldungen quoll am Freitagabend über.
Die Urne mit den Anmeldungen quoll am Freitagabend über. / Eva Wanner

625 bis 2500 Franken im Monat

Grundrahmen des Projekts ist folgender: Anmelden für das Experiment kann sich jeder, der über 25 Jahre alt ist und am 5. Juni den Wohnsitz in der Gemeinde hatte. Eltern können ihre Kinder (und Jugendlichen) melden.

Wer als Erwachsener (dazu zählen alle über 25) weniger als 2500 Franken im Monat verdient oder erhält, bekommt die Differenz bis zu 2500 Franken ausbezahlt. Gezählt werden alle Einnahmen, auch Ergänzungsleistungen. Pensionskassengelder und 3. Säule gelten nicht als Einnahmen. Verdient also jemand nichts, bekommt er 2500 Franken, verdient jemand 1500 Franken, erhält er 1000. Sind es mehr als 2500 Franken, bekommt er das Geld zwar – muss es aber in den «Topf» zurückzahlen. Bei Ehepartnern kann einer, wenn er will, dem anderen einen bestimmten Betrag als «Grundeinkommen» aufs Konto überweisen. Sind das beispielsweise 2000 Franken, kommen noch 500 Franken vom Projekt dazu.

Bei Kindern von 0 bis 18 Jahren ist der monatliche Betrag bei 625 Franken, von 18 bis 22 Jahren bei 1250 und bei ­22 bis 25 Jahren bei 1875 Franken.

Finanziert werden soll das Experiment durch Kampagnen und Crowdfunding. Um eine Summe zu definieren, müssten sie aber erst wissen, wie viele Rheinauer sich beteiligen. (ewa)

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