Weinland

Vater bereit für den Love Ride

Per Facebook suchte Odin Schneider ein Seitenwagengespann, um mit seiner kranken Tochter am Love Ride teilnehmen zu können. Dank Sam Brüngger wurde er fündig – am Samstag war Probefahrt.

von Christina Schaffner
16. April 2019

Mit strahlenden Augen kommt Odin Schneider von seiner Probefahrt mit dem Ural-Seitenwagengespann von Sam Brüngger zurück. Noch sitzt seine älteste Tochter Soraya neben ihm im Beiwagen. Das wird am 5. Mai anders sein: Dann darf seine jüngste Tochter, die dreijährige Sophia Grace, dort Platz nehmen und mit dem Vater am Love Ride (siehe Kasten) teilnehmen.

Der 40-jährige Odin Schneider aus Brunnadern SG will seiner Kleinen damit ein besonderes Erlebnis bereiten. Sie liebt Töffs und Motorenlärm genauso wie er. Da sie aber eine seltene und unheilbare Krankheit (Morbus Hurler, Typ 1) hat, weiss die Familie nicht, wie lange eine Teilnahme noch möglich sein wird. Ihre Lebenserwartung ist durch die Krankheit gering – Ärzte gehen davon aus, dass sie nur das Teenager-Alter erreichen wird. «Noch geht es ihr gut», sagt Odin Schneider, deshalb will er jetzt mit ihr beim Love Ride dabei sein.

Er fährt zwar selber Töff, hat aber keinen Seitenwagen. Im Freundeskreis fragte er über Facebook – zunächst nicht öffentlich – herum, wer ihm einen leihen könnte. Ein Kollege bat ihn, es öffentlich machen zu dürfen. «Danach ging es voll ab. In 16 Stunden wurde es 8000 Mal geteilt, und der Messenger stand nicht mehr still», so Odin Schneider.

In Flaach fündig geworden
Über Freunde wurde Sam Brüngger auf die Suche aufmerksam. In seinem Geschäft, dem Gespannservice, verkauft und repariert er Motorräder mit Seitenwagen. Für Sam Brüngger war es keine Frage, Odin Schneider sein persönliches Gespann zur Verfügung zu stellen. Generell sei vermieten zu heikel, da das Fahren mit einem Gespann völlig anders sei als mit einem Töff. Aber in diesem Fall sagte er sofort zu – vorausgesetzt, die Probefahrt ist erfolgreich. Dafür vereinbarten Sam Brüngger und Odin Schneider, die sich bei mehreren Telefonaten sympathisch waren, einen Termin. Dieser war letzten Samstag.

Sam Brüngger nimmt selber seit vielen Jahren am Love Ride teil und ist dort auch mit einem Stand vertreten. «Man kann jemandem mit so wenig so viel schenken», weiss er, «da ist es als Besitzer eines Seitenwagens fast Pflicht, jemanden mitzunehmen.» Bei seiner ersten Teilnahme hatte er einen etwa 60-jährigen Mann dabei, der ihm heute noch Briefe schreibe. «Für mich ist der Aufwand mit zwei Stunden Ausfahrt relativ klein, aber was ich gebe, ist mit Geld nicht zu bezahlen.» Beeinträchtigten Menschen die Freude anzusehen, sei es allein wert, mitzumachen.

Organisatoren begeistert
Auf die Facebook-Anfrage von Odin Schneider wurden auch die Organisatoren der Love Ride aufmerksam. Präsident Bruno Leutwyler und Vizepräsidentin Sandra Bless waren am Samstag ebenfalls beim Probefahrttermin dabei. «Es ist toll, zu sehen, dass es Menschen mit Herz gibt», sagt Sandra Bless. Im Gepäck hatten sie nicht nur das grosse Maskottchen der Love Ride, Bär «Harry», sondern auch ein T-Shirt für Odin Schneider sowie «Harry» im Kleinformat für Sophia Grace.

Noch knapp drei Wochen sind es bis zum Love Ride. Dann wird Odin Schneider mit Sophia Grace, für die im Seitenwagen ein Autokindersitz montiert und die mit einem Kindertöffhelm ausgestattet sein wird, am 27. Love Ride im Pulk der Töfffahrer unterwegs sein. Und den Tag mit ihr in vollen Zügen geniessen – dank dem Aufruf und der erfolgreichen Probefahrt.

Kranken Freude bereiten mit Töffausfahrten


Der Love Ride, den es seit 1993 gibt, findet in diesem Jahr am 5. Mai statt. Über 300 Menschen mit einer Muskel­erkrankung oder Behinderung werden in Seitenwagen oder Trikes mitgenommen. «Es ist ein sehr emotionaler Anlass», sagt Sandra Bless, Vize-präsidentin der Veranstaltung. «Die Mitfahrer strahlen, wenn sie zurückkommen – es ist ihr Tag im Jahr.» Beim Start des sogenannten Ride-out habe sie jedes Mal Hühnerhaut. Auch beim 27. Mal ist der Treffpunkt und das Fest mit Konzerten der Flugplatz Dübendorf. Im letzten Jahr zählten die Veranstalter über 6000 Motorräder aller Marken und über 10'000 Besucher. Der Ride-out auf die 60 Kilometer lange Strecke erfolgt gestaffelt und wird polizeilich unterstützt. Es ist europaweit ein einzigartiges Benefiz­event, dessen Erlös gespendet wird. Im letzten Jahr waren es rund 400'000 Franken. (cs)

Info: www.loveride.ch

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