Weinland

Zum Rheinfall gegangen, um zu stehlen

Nach dem zweiten Prozesstag verlangt die Staatsanwältin für die vier angeklagten Roma höhere Strafen – weil sie vor Gericht bestritten, was sie in der Befragung noch zugegeben hatten. Die Urteile sind nächste Woche zu erwarten.

von Roland Spalinger
11. Mai 2018

1,5 Millionen Menschen besuchten 2016 den Rheinfall. 2017 dürften es ähnlich viele gewesen sein. Doch in der zweiten Hälfte Juli habe es dort nicht viele Menschen gehabt. Jedenfalls sagten dies zwei rumänische Kriminaltouristen am Dienstag vor dem Andelfinger Bezirksgericht. Zwölfmal waren die 40-jährige K. und der 35-jährige C. dort, jedes Mal mit der Absicht, Touristen zu bestehlen («AZ» vom Dienstag). Doch eben: Es hatte zu wenig Leute. Sie seien nicht so professionelle Diebe, sie hätten deshalb nicht einmal versucht, «Geld zu machen», sondern seien spaziert, hätten Sandwiches gegessen, Fotos für ihr Facebook-Profil geschossen und Zigaretten geraucht.

Diese Geschichte tischten die beiden dem Gericht auf. Sie seien auf der Zürcher Seite des Rheinfalls gewesen, weil es dort schöner sei. «Schöner?», fragte der Richter. Es sei unglaubwürdig, dass sie zwölfmal zum Schloss Laufen gefahren seien, weil es dort schön sei – und keinen Versuch unternommen hätten, etwas zu stehlen. Er könne nur sagen, dass es so gewesen sei, sagte C. Sie wollten stehlen, aber es habe zu wenig Leute gehabt. Sie seien nur zu zweit und somit zu wenige gewesen. «Es ging nicht.»
Die zwei gehören zu einer Vierergruppe Rumänen (zwei Frauen und zwei Männer), denen fünf Diebstähle angelastet werden. In der ersten Phase im Juli waren sie zu zweit, im August zu viert, Ausgangsort war jeweils Konstanz. Ende August 2017 wurden sie gefasst. Nachdem sich am Rheinfall Taschendiebstähle gehäuft hatten, verstärkte die Polizei ihre Präsenz und schnappte laut Mitteilung Anfang August Algerier und Rumänen und am 29. August nach kurzer Flucht die nun angeklagten Rumänen. Laut deren Aussagen gebe es am Rheinfall viele Taschendiebe.

Seit ihrer Festnahme sitzen sie in verschiedenen Gefängnissen. Nach Auswertung ihrer Handydaten und Befragungen wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor, im Juli und August an 28 Tagen am Rheinfall gewesen zu sein und mindestens 2201 Franken erbeutet zu haben. Die verlangten Strafen waren mit 15 und 27 Monaten angegeben.

Staatsanwältin: «Es sind Profis.»
Nach dem zweiten Prozesstag verlangt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer höhere Strafen, nämlich 17, 18, 25 und 32 Monate. Dies, weil ihre Aussagen ständig änderten und sich widersprechen. Würden die vier weiter befragt, gäbe es wohl nochmals andere Versionen. Und entgegen deren Aussagen handle es sich um Profis. Sie hätten den Rheinfall ausgesucht, weil Touristen wegen ihrem beschränkten Zeitbudget oft von Anzeigen absehen würden. Zudem wüssten die vier Roma, wie Verfahren abliefen und seien allesamt in anderen Ländern bereits verurteilt worden. Und sie hätten noch im August Geld nach Hause geschickt – das sei ein Indiz, dass sie mit ihrem Tun mehr verdient hätten, als sie zugeben.
Die Anklage lautet auf gewerbsmäs­sigen und bandenmässigen Betrug. Dies versuchten die vier zu entkräften. Sie hätten bei den Diebstählen keine bestimmten Rollen gehabt, seien bloss nebeneinander gestanden. Nur die 40-jährige K. gab zu, zwei Portemonnaies gestohlen und dabei 1000 und 600 Franken erbeutet zu haben. Der 37-jährige A. sagte, er habe ein Portemonnaie «genommen», das ein Mann beim Bezahlen eines Wassers liegen gelassen habe. Er habe das Geld herausgenommen und dann den Mann darauf hingewiesen, seine Brieftasche verloren zu haben.
Das Geld teilten sie gleichmässig, jeder erhielt 400 Franken. Eine Frau sagte, sie habe damit Kleider gekauft für ihr Kind, das in den Kindergarten müsse. Und eigentlich hätten sie nur gestohlen, weil sie kein Geld mehr hatten und zurück nach Rumänien wollten. Doch gut die Hälfte der 750 Euro, die A. bei der Verhaftung auf sich trug, sei Geld gewesen, das er von Rumänien mitgebracht habe, so ein Widerspruch.

… eher prostituieren lassen
Auch K. hat ein Kind. Ihr tut leid, es so lange allein lassen zu müssen. 25 Monate Haft drohen ihr – wenn sie gewusst hätte, dass das so lange dauert, hätte sie sich eher prostituieren lassen, sagte sie. M., die Frau von C., schluchzte, erzählte etwas von einem Augenleiden ihrer Tochter und beschuldigte die Dolmetscherin, sie während dem Verhör zum Geständnis gebracht zu haben, um nach drei Monaten wieder zu Hause zu sein.

Am Montag werden die vier Pflichtverteidiger ihre Plädoyers halten und die Strafen zu reduzieren versuchen, die Urteile könnten am Dienstag mündlich eröffnet werden. (spa)

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