Weinland

Zweifel schützen vor Strafe nicht

Weil er während der Pandemie ohne Maske im ÖV unterwegs war, wurde einem 57-Jährigen eine Busse auferlegt. Dagegen wehrte der Mann sich – und äusserte vor Gericht grundsätzliche Zweifel an deren Rechtmässigkeit.

von Manuel Sackmann
16. April 2022

Kaum hatte sie begonnen, wurde die Gerichtsverhandlung vom Mittwochnachmittag auch schon wieder unterbrochen. Der Beschuldigte hatte seine Zweifel zum Ausdruck gebracht. Das Bezirksgericht Andelfingen sei für seinen Fall gar nicht zuständig, meinte er. Schliesslich sei die Strafanzeige gegen ihn erst auf Schaffhauser Boden zu Papier gebracht worden, womit sie Sache seines Heimatkantons sei.

Sei es nicht, so der Einzelrichter nach der kurzen Pause. Oder nicht nur. Denn da sich der zu behandelnde Vorfall im Zug zwischen Marthalen und Schaffhausen abgespielt hat, wäre die Zuständigkeit in beiden Kantonen gegeben.

«Busse nicht rechtens»
Was war geschehen? Der im Thurgau angestellte Schulleiter und Heilpädagoge war an einem Samstagabend Mitte September 2021 in der S-Bahn nach Schaffhausen unterwegs. Dabei trug er keine Gesichtsmaske, obwohl er dies gemäss der damals geltenden Corona-Massnahmen hätte tun müssen. Der Aufforderung der Bahnpolizei, die Maske anzuziehen oder andernfalls den Zug bei der nächsten Haltestelle zu verlassen, habe der Mann keine Folge geleistet, heisst es im Strafbefehl. Deshalb wurden ihm eine Busse von 300 Franken und Gebühren von 330 Franken aufgebrummt.

Den Sachverhalt bestritt der Beschuldigte im Grunde gar nicht. Ja, er habe im besagten Zug gesessen, und ja, er habe keine Maske getragen. Doch die ihm auferlegte Strafe sei trotzdem nicht rechtens. Als «interessierter Staatsbürger» informiere er sich zwar, was so abgehe in der Welt. Dass im Zug Maskenpflicht galt, sei ihm aber nicht bewusst gewesen. Und selbst wenn: Er wolle die gesetzlichen Grundlagen erfahren, wenn ihm Anweisungen gegeben würden. Eben diese hätten ihm die beiden Bahnpolizisten bei der Kontrolle aber auch auf mehrmaliges Nachhaken hin nicht liefern können.

Überhaupt sei das Verhalten der Uniformierten «unerhört» gewesen. Weder hätten sie sich ausweisen wollen,  noch seien ihm Konsequenzen aufgezeigt worden für den Fall, dass er die Anweisungen nicht befolge. Sie hätten nichts gesagt von einer Busse, nur, dass er Schreibarbeit verursache. «Ich will hier nicht über Sinn und Unsinn einer Maskenpflicht diskutieren», so der Beschuldigte weiter. Aber es gebe einfach keine rechtliche Legitimation dafür. Der Strafbefehl enthalte nichts strafrechtlich Relevantes, das er als «unbescholtener Bürger» hätte erkennen können. Und demzufolge grenze das Verhalten der Bahnpolizisten an Nötigung.

Detailliertes Protokoll eingereicht
Um seine Sicht der Dinge zu verdeutlichen, händigte der Mann dem Richter ein selbst verfasstes Protokoll aus, in dem die Vorkommnisse detailliert und mit exakten Zeiten beschriftet aufgeführt sind. Seine Frau, die mit ihm im Zug gesessen hatte und auch im Gericht anwesend war, könne die Richtigkeit des Dokuments bezeugen, betonte er. Und ausserdem beweise es, dass er der Aufforderung, den Zug zu verlassen, überhaupt nicht hätte folgen können. Denn diese Anweisung hätten die Kontrolleure erst am Bahnhof Neuhausen geäussert, nur wenige Sekunden bevor sich der Zug wieder in Bewegung gesetzt habe.

Fragen zur Person beantwortete der 57-Jährige, der sich selbst verteidigte, nur ungern und blockte immer wieder ab. Ausführlich wurde er dann aber bei seinen Forderungen. Gleich acht Punkte listete er auf, darunter einen Freispruch, eine Prozessentschädigung von 4000 Franken sowie die Beendigung des Verfahrens bis spätestens am 20. April.

Richter bietet Wahl
Es gebe genau zwei Möglichkeiten, den Fall bis zum genannten Datum zu beenden, erklärte der Richter: Entweder lasse sich der Beschuldigte verurteilen und akzeptiere die Strafe oder er ziehe seine Einsprache zurück und akzeptiere den Strafbefehl. Da Letzteres wohl günstiger käme, legte er dem Mann diese Wahl nahe. Denn wenn er ein Urteil sprechen müsse, sei die Gefahr gross, dass sich die Busse erhöhe. Und ein Freispruch sei höchst unwahrscheinlich – sowohl am Bezirksgericht als auch bei allen weiteren Instanzen. «Man muss auch einmal etwas sein lassen können», so der Richter.

Am Ende sah es der Beschuldigte ein. Er wolle nicht Winkelried spielen und sei bereit, seinen Rekurs zurückzuziehen. Damit wird der Strafbefehl des Statthalteramts rechtskräftig und das Verfahren, wie vom Beschuldigten verlangt, noch vor dem 20. April beendet.

Es hätte sogar noch früher abgeschlossen werden können, war die Verhandlung doch ursprünglich schon im März eingeplant. Doch dazu kam es nicht – das Bezirksgericht hatte die Vorladung nicht verschickt.

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