Weinland

Über die Nebelgrenze hinaus

Einer Grenze, die in der Höhe zu suchen ist, widmet sich der letzte Teil unserer Sommer­serie. Im Fokus liegt, wie der Nebel ins Weinland einzieht und wie man ihm ein Schnippchen schlagen kann.

von Evelyne Haymoz
19. August 2022

Mit Grenzen ist es so eine Sache. Manche verlaufen auf dem Land und können nur mit einem Ausweis passiert werden, andere sind Verhandlungs­sache, wie die Geschichte Diessen­hofens zeigt (AZ-Sommerserie vom 22. und 29.7., 5. und 12.8.2022).

Ganz anders verhält es sich mit dem Nebel. Weder lässt er sich fixieren noch mit sich verhandeln. Jahr für Jahr zieht er auf leisen Sohlen ein. Doch was ist er überhaupt? Kurz: eine Wolke mit Bodenkontakt. Diese entsteht, da Luft «nur eine begrenzte Menge an Wasserdampf aufnehmen kann», so Stephan Bader, Klimatologe bei Meteo Schweiz. Wenn die Luft in der Nacht abkühlt, kondensiert das gasförmige Wasser, es bilden sich kleine Wassertropfen. Im Park des Technoramas in Winterthur lässt sich eine «gefangene Wolke» selbst in den wärmeren Monaten bestaunen – und erleben.

Mit dem Herbst entstehen im Weinland zahlreiche natürliche Bodenwolken. Die Gegend zeichne sich gar durch das höchste Nebelvorkommen in der Schweiz aus – mit dem Jurasüdfuss und dem nördlichen Kanton Aargau, so Stephan Bader. Der Grund dafür sei die Lage. Denn in den tiefsten Lagen einer Region sammelt sich die kalte Luft, während warme Luft aufsteigt.

Wo die Sonne scheint
Vor allem zu Beginn der Nebelsaison fördern grosse Wasserflächen wie Seen und Flüsse die Bildung von Nebel. Aus dem noch relativ warmen Wasser vermag noch viel Wasserdampf in die dar­über liegende kühle Luft zu verdunsten, was die Sättigung der Luft beschleunigt», sagt der Klimatologe. Später nehme der Einfluss der Gewässer ab. Überhaupt werde gegen den Winter hin die Kaltluftsammlung im Mittelland immer mächtiger.

Die Obergrenze liegt dann entsprechend höher. Von oben auf das graue Meer zu blicken, ist dann vom Säntis (2502 m ü.M.) oder Pilatus (2128 m ü.M.) aus möglich.  Am Anfang liege die Nebelgrenze aber oft unter 1000 Metern.

So sei es bereits im Zürcher Oberland oder im Toggenburg nebelfrei. Sonnenhungrige werden auf dem Bachtel (1115 m ü.M.) oder auch schon bei der Ruine Schauenberg in Winterthur (892 m ü.M.) belohnt. Letztere ist von Zell aus wandernd in 40 Minuten erreichbar.

Auch Zürichs Hausberg, der Üetliberg (871 m ü.M.) oder «Üezgi», hält eine schöne Aussicht bereit. Mit einer Wanderung auf dem Planetenweg Richtung Felsenegg lässt sie sich noch länger geniessen. Ein beliebtes Ausflugsziel – nicht nur im Herbst – ist auch der Siblinger Randen mit dem Gasthaus Randenhaus auf 850 m ü.M.

Ob die Gipfel tatsächlich in der Sonne liegen, lässt sich vorab via Webcam oder auf der Online-Nebelkarte prüfen. Wenngleich sich die Nebelgrenze nicht verhandeln lässt, kann sie doch ausgekostet oder ausgelotet werden. Und sie zu überwinden, verspricht ein ganz besonderes Gefühl.

www.nebelkarte.ch


Grenzgeschichten

Das Weinland liegt ganz am Rand des Kantons und nahe zu Deutschland. Grenzen sind demzufolge allgegenwärtig. Und sie sind Thema unserer fünfteiligen Sommerserie. (az)

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