V. l.: Markus Traber
Jetzt haben sie sogar Namen: Hodel, Chrunzelacker, Loo, GrĂĽt, Cholgrueb, Unter Gmeind und Studenwis heissen die sieben ostseitigen Erdwälle entlang der A4 zwischen der ThurbrĂĽcke bei Andelfingen und dem AutobahnÂanschluss Winterthur (analog den Gebietsbezeichnungen). Sie sind 100 bis 950 Meter lang und maximal 1,5 bis 5,5 Meter hoch, haben aber ähnliche Wirkungen als Sicht- und Lärmschutz. Seit dem Bau der Strasse durchs Weinland sorgen sie dafĂĽr, dass diese in die Landschaft eingebettet ist.
Trotzdem wollte das Bundesamt für Strassen (Astra) beim Ausbau der A4 auf vier Spuren, der ausschliesslich auf der Ostseite der Strasse erfolgt, die 2,5 Kilometer langen Erdwälle ersatzlos streichen. Und aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, so Astra-Projektleiter Claudio Spagnolo an der Infoveranstaltung am Montag in Henggart, hätten sie das auch tun können. Es gebe Richtwerte für Lärm, und die wären eingehalten worden.
Dass die Erdwälle nun doch versetzt in gleicher Höhe wiedererstellt werden, ist für seinen Chef Otto Noger, Leiter der der Astra-Filiale Winterthur, ein Mittelweg und Meilenstein. Und Markus Traber, Chef des kantonalen Amts für Verkehr, ist überzeugt vom Mehrwert für die Region, auf den sich Astra und Gemeinden geeinigt (oder den sich die Gemeinden erkämpft) haben.
Besser im Westen
Die klaren Ă„usserungen waren ihre Anmerkungen zur Diskussion im rund 100 Personen starken Publikum. In Wortmeldungen drohten die vorher präsentierten Projekte fĂĽr die ostseitigen Erdwälle von WĂĽnschen auf der Westseite verdrängt zu werden. Im Fokus: der Erdwall GrĂĽt bei Henggart. «Wie kommt man auf die Idee?» «WarÂum wurde nicht?» «Könnte nicht auch?»
Von einer RĂĽckkoppelung des Lärms war die Rede. Während die anderen Wälle, absolut gemessen, gleich hoch neu erstellt werden sollen wie die aktuellen, ist der neue GrĂĽt wegen der Neigung der Strasse etwas höher. Dadurch strahle vom Erdwall der Lärm ĂĽber den bestehenden im Westen zurĂĽck ins Dorf, lautete die BefĂĽrchtung. Otto Noger verneinte. Und WĂĽnsche fĂĽr westseitige AufschĂĽttungen wies er ab. Der Bund setze keine freiwilligen Massnahmen um. Zur Frage, warÂum es den Wall GrĂĽt brauche, nannte Gemeindepräsident Hans Bichsel Sicht- und Naturschutz. Das Gebiet auf der anderen Seite der A4 mit zwei Höfen diene auch der Naherholung. Er betonte die solidarische Arbeit der involvierten sieben Gemeinden.
Zuerst die BrĂĽcke
Aber ja, eine breitere Strasse sei einsehbarer, und mehr Verkehr bedeute auch mehr Lärm, wurde gesagt. Es sei aber sicher besser, «wenn man nicht jeden LKW sieht», sagte Markus Traber. Ausserdem werde auf dem ganzen A4-Abschnitt lärmarmer Belag verwendet. «Wir bauen eine komplett neue Autobahn», sagte Claudio Spagnolo. Start für das 330-Millionen-Franken-Projekt sei Ende 2022 mit der Erstellung einer weiteren Weinlandbrücke über die Thur, das Trassee folge ab 2023. Bei einer Bauzeit von rund vier Jahren nannte er 2027 als Eröffnungstermin – mit den neuen Erdwällen.
Für diese starten die Gemeinden ab Mitte November die Baubewilligungsverfahren für ihre Gebiete. Dass sie bewilligungsfähige Projekte für die Wiederherstellung ausarbeiten, ist Teil der Vereinbarung, die sie mit dem Kanton und dem Astra getroffen haben.
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Die Erdwälle in Zahlen
Für die sieben Erdwälle wurden 82 400 Kubikmeter Material errechnet – das in Deponien hätte gekarrt werden müssen, nun aber für den Wiederaufbau verwendet wird. Dadurch gehen 29 400 Quadratmeter (29 Hektar) Land verloren, das hauptsächlich dem Astra gehört. 25 Hektaren sind wertvolle Fruchtfolgefläche, die kompensiert werden müssen. «Daran arbeiten wir», sagte Dominik Krebs vom Planungsbüro Ingesa. Zustimmungen lägen vor.
Hodel (Adlikon), 400 Meter lang, max. Höhe 4 Meter, Landerwerb nötig.
Chrunzelacker (Adlikon), 180 Meter lang, max. Höhe 5,5 Meter.
Loo (Humlikon), 200 Meter lang, max. Höhe 4,5 Meter, marginaler Landerwerb nötig.
Grüt (Humlikon/Henggart), 950 Meter lang, max. Höhe 5,5 Meter, Landerwerb nötig für neuen Unterhaltsweg.
Cholgrueb (Hettlingen), 300 Meter lang, max. Höhe 1,5 Meter.
Unter Gmeind (Hettlingen), 400 Meter lang, max. Höhe 4,5 Meter.
Studenwis (Hettlingen), 100 Meter lang, max. Höhe 3 Meter. (spa)
Versäumnis als Glücksfall?
Am Anfang steht ein Versäumnis. Als das Departement Uvek das Projekt fĂĽr den Ausbau der A4 auf vier Spuren auflegte, verpasste die Gemeinde Hettlingen die Einsprachefrist. Umso heftiger formierte sich dort Widerstand – nicht gegen den Ausbau der NationalstrasÂse, sondern gegen den Verzicht auf die Erdwälle. Mit 1788 Stimmen forderte die Task-Force «Pro Erdwall» am 1. Juli 2017 den Gemeinderat zum Handeln auf. Daran erinnerte der Hettlinger Gemeindepräsident Bruno Kräuchi am Montagabend in Henggart.
In der Turnhalle wurden Pläne präsentiert, wie die Erdwälle nun eben doch versetzt wiedererstellt werden sollen. Vielleicht sei es ein Glücksfall gewesen, dass Hettlingen die Frist verpasst habe, sagte er. Mit der Task-Force im Rücken wurde Hettlingen zur treibenden Kraft im Erhalt der Wälle und Bruno Kräuchi zum Leiter der Interessengemeinschaft (IG) Erdwall der sieben Gemeinden entlang der A4. Genau zwei Jahre nach der Überreichung der Petition unterzeichneten Vertreter der Gemeinden Adlikon, Andelfingen, Henggart, Hettlingen, Humlikon, Kleinandelfingen, Neftenbach, des Kantons und des Bundes die Vereinbarung zum Erhalt der Schutzwälle. Beim Bau der A4 im Jahr 1987 habe der Kanton als Bauherr die Strasse sehr gut in die Landschaft eingebettet, so Bruno Kräuchi. Dem müsse nun auch der Bund beim Ausbau Rechnung tragen. (spa)
Sieben Erdwälle für viel Ruhe