Sie sind realistisch. Spitzenplatzierungen, wie sie es von nationalen Wettkämpfen gewohnt sind, werden Stefanie und Manuel Schneider an ihrer ersten Weltmeisterschaft wohl eher nicht erzielen. Doch das ist auch nicht das primäre Ziel der beiden Rope Skipper aus Dachsen. «Für uns ist das Dabeisein wichtig und dass wir unsere Trainingsresultate auch am Wettkampf erbringen oder dank Adrenalin sogar verbessern können», erklärt Stefanie Schneider.
Die 20-Jährige und ihr 17-jähriger Bruder haben sich die Teilnahme am Seilspring-Kräftemessen der höchsten internationalen Stufe unter anderem mit ihren starken Auftritten an der Schweizer Meisterschaft im April verdient. Sie wurde Dritte bei den Damen, er sogar Erster bei den Herren (AZ vom 4.4.2025). In Kawasaki (Japan) treten sie nun in den Einzeldisziplinen 30 Sekunden Speed, 3 Minuten Speed und Single Rope Individual Freestyle an. Manuel Schneider stellt sich zudem der Herausforderung Triple Unders.

Tempo, Ausdauer und Kreativität
In den Speed-Disziplinen geht es darum, in der vorgegebenen Zeit so viele Sprünge wie möglich zu machen. «Bei 30 Sekunden geht es um Geschwindigkeit, bei 3 Minuten um Geschwindigkeit und Ausdauer», erklärt Stefanie Schneider. Sie setzt sich 85 beziehungsweise mindestens 410 Sprünge zum Ziel, ihr Bruder 80 beziehungsweise 400. Er will zudem 100 Triple Unders schaffen, also dreifache Durchschwünge in Folge ohne Zeitlimit.
Ihrem Ideenreichtum freien Lauf lassen können die beiden Dachsemer im Freestyle-Wettbewerb. In einer Minute und 15 Sekunden zeigen die Athletinnen und Athleten eigene Choreografien zu Musik, wobei Ausführung, Kreativität und Schwierigkeit bewertet werden. «Wir möchten möglichst ohne Fehler springen», so Stefanie Schneider. «Das Schwierige ist, abzuwägen, wann man ein Element auswechseln sollte und wie viel Risiko man für einen Trick eingehen will.» Nichts sei schöner, als eine lange Saison mit einem fehlerfreien Freestyle abzuschliessen.
Das Duo trainiert seit Anfang Jahr für seine WM-Premiere. Seine zwei regulären Trainings ergänzte es mit zusätzlichen Einheiten in der Halle oder zu Hause. «Seit Anfang Juni trainiere ich fast täglich mehrmals in Drei-Minuten-Intervallen, so konnte ich meine Ausdauer deutlich verbessern», sagt Stefanie Schneider.
Obwohl die WM erst am 30. Juli beginnt und bis am 3. August dauert, reiste die Physiotherapie-Studentin schon vor zwei Wochen in den Fernen Osten. «Ich habe zwei Monate Semesterferien, die ich damit verbringe, durch Japan zu reisen.» Sie mache viel Sightseeing, vor allem in kleineren Orten, um das Land so authentisch wie möglich zu erleben. Nicht ganz einfach sei dabei, immer wieder neue Trainingsorte zu finden. «Bis jetzt war das jeweils auf Strassen oder Parkplätzen, weil Sportplätze meist privat sind und es abseits der grossen Städte keine Fitnessstudios gibt.» Zudem brauche es Disziplin, um sich nach einem langen Reisetag und 20'000 Schritten noch zum Sport aufzuraffen.

Athletin und Wertungsrichterin
Doch das nimmt sie gern in Kauf. Sowohl für sie als auch für ihren als Bäcker tätigen Bruder, der später anreist, ist es der erste Trip nach Japan. Flug, Teilnahmegebühren und Verpflegung sind durch die 4000 Franken abgedeckt, die sie mittels Crowdfunding gesammelt haben. Sie sind dankbar und fühlen sich gut, derzeit überwiege die Vorfreude auf die WM, sagen sie. Am Tag des Wettkampfs dürfte sich dies ändern. «Wenn man an internationalen Anlässen in der Aufwärmhalle steht und die Konkurrenz vor sich hat, steigert sich die Nervosität ins Unermessliche», sagt Stefanie Schneider. Da sei es wichtig, zu wissen, wie man sich beruhigen könne, etwa mit Ablenkung durch Gespräche.
Der Austausch mit den übrigen Teilnehmenden aus aller Welt reizt sie. «Es gibt viele Springer, die ich über Social Media schon länger verfolge und nun treffen kann.» Davon könne sie direkt profitieren. So habe sie im letzten Jahr über Athleten aus Portugal eine neue Trainingsmethode kennengelernt, mit der sie eine zweijährige Stagnation habe überwinden können. Auch ihr Bruder will Neues sehen und sich für das nächste Jahr inspirieren lassen. Und er möchte vor allem Spass am Wettkampf haben.
Für Stefanie Schneider ist die WM in Kawasaki gleich eine doppelte Premiere: Erstmals wird sie nebenbei als internationale Wertungsrichterin im Einsatz stehen. Zwar sei sie sehr nervös, freue sich aber auch. «Die Verantwortung, solch starke Athleten zu bewerten, ist gross, aber mit der richtigen Vorbereitung kommt das gut.» Sie ist eben realistisch.
Auf dem Sprung zur WM