Sport

Ein fahrendes Geburtstagsfest

Adrian Stalder wurde kürzlich 40 Jahre alt. Gefeiert hat er dies mit einer Velotour, die ihn zehnmal um die Gemeinde Ossingen führte. In 14 Stunden legte er so 300 Kilometer zurück – mit stetig wechselnder Begleitung.

von Manuel Sackmann
12. Juni 2020

Angefangen hat es im Internet. «Ich habe auf Google etwas gesucht, und plötzlich wurden mir die Gemeindegrenzen von Ossingen angezeigt», sagt Adrian Stalder. Als er das Bild so vor sich sah, begann er zu überlegen. In Ossingen gibt es jährlich Bannumgänge, bei denen die Grenzen oder zumindest Teile davon abgelaufen werden. «Ich bin da noch nie mitgegangen», gibt der Schreiner zu. Er finde jedoch, dass man dies als Ossinger schon einmal getan haben sollte. Und so fasste er den Entschluss, bislang Versäumtes nachzuholen – mit dem Velo.

Bald entwickelte sich die Grundidee, an einem Tag zehn Runden um seinen Wohnort zu drehen. «Es ist einfach eine schön runde Zahl, und auch die Kilometerzahl geht ziemlich schön auf.» Zwar sei anfangs auch die Zahl 15 im Raum gestanden, da er und seine Familie seit so vielen Jahren im Dorf leben, doch habe er diesen Gedanken wieder verworfen. Es wäre wohl zu viel für einen Tag geworden.

Neue Leute, neue Gespräche

Die Tour passte perfekt in die Zeit. «Corona sei Dank», so Adrian Stalder, der aufgrund des Virus Kurzarbeit und daher viel Zeit für die Planung und Durchführung hatte. Ausserdem feierte er am 1. Juni, Pfingstmontag, seinen 40. Geburtstag. Grund genug, um aus dem Projekt ein «fahrendes Geburtstagsfest» zu machen. Auch wenn er unterwegs war, musste er so nicht auf Besuch von Freunden und Verwandten verzichten. In nach jeder Runde wechselnden Gruppen begleiteten sie den Jubilar auf seiner Reise. So sei es nie langweilig geworden. «Auf jeder Runde neue Leute führten zu stets neuen Gesprächen.» Insgesamt beteiligten sich etwa 25 Personen an der gemeinsamen Velotour.

Sein Freund Reto Wiesmann, der ein Fahrradfachgeschäft führt und wie das Geburtstagskind sämtliche zehn Runden unter die Räder nahm, stellte für Begleiter ein Elektromountainbike zur Verfügung. «Das kam sehr gut an», sagt Adrian Stalder. Einerseits sei die 30 Kilometer lange Strecke so für jeden gut machbar gewesen, und andererseits konnten manche zugleich erste Erfahrungen auf einem E-Bike sammeln.

Um 4 Uhr ging es los

Ausschlafen am Geburtstag lag indes nicht drin. Wenn das Unterfangen gelingen sollte, musste der Ossinger früh aufstehen. Schliesslich galt es, total 300 Kilometer zurückzulegen. Und so trat er um 4 Uhr morgens in die Pedale. «Auf der ersten halben Runde war es noch dunkel», erinnert er sich. Ziemlich genau 14 Stunden später war das Ziel erreicht. Einzig über Mittag gönnte er sich eine etwas längere, 30-minütige Pause.

Es war ein zügiges Tempo gefordert. «Wir rechneten mit einem Durchschnitt von 20 km/h», so Adrian Stalder. Tatsächlich lag er dann sogar noch etwas höher. Im Unterschied zum Jubilar waren die meisten aber ohnehin nur eine Runde dabei – und manche mit Motor.

Grenzen versetzt

Das Velofahren ist die grosse Leidenschaft des 40-Jährigen, der jeweils an kleineren Rennen in der Region teilnimmt. «Ich bewege mich gerne in der Natur.» Am liebsten tut er dies mit dem Mountainbike, doch auch das Rennvelo sattelt er regelmässig. Dabei folgt er strikt einem Grundsatz: «Nichts kaputt machen und nur dort fahren, wo es auch erlaubt ist.» Das hatte Auswirkungen auf seine Ossinger Tour, musste er die Grenze doch teilweise etwas versetzen. «Wenn sie quer über ein Feld führt, mussten wir halt auf einem Flurweg rundherum fahren.» Viel geändert am Gesamterlebnis habe sich dadurch aber nicht.

«Mit der Zeit ist es natürlich schon zäh geworden», sagt er. Doch das sei auch die Idee des Ganzen gewesen. Schliesslich habe die Tour unter dem Motto «Grenzerfahrungen» gestanden, zum einen auf die Route rund um die Gemeinde bezogen, zum anderen auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Schon in der zweiten Runde seien erstmals kleinere Probleme aufgetaucht, diese habe er aber bald in den Griff bekommen. «Etwa ab Runde sieben ist es sowieso nur noch Kopfsache», weiss der Biker, der auch mal mit dem Drahtesel zur Arbeit am Flughafen Zürich fährt. «Da hilft die Ablenkung durch wechselnde Mitfahrer.» Und so habe er während der ganzen Fahrt nie eine echte Krise gehabt. Trotzdem: «Auf das kühle Bier am Ende habe ich mich sehr gefreut!»

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