Sport

Ein unerwartetes Thermalbad-Feeling

Um 6 Uhr morgens ins kalte Wasser zu springen, entspricht nicht unbedingt meiner Aufwachphilosophie. Ich habe mich trotzdem zum Frühschwimmen überreden lassen – und wurde positiv überrascht.

von Manuel Sackmann
09. Juli 2021

«Trööt, trööt, trööt, trööt!», tönt es. Wecker sind ohnehin lästig, um 6 Uhr morgens aber umso mehr. Am Dienstag ist es für einmal nur halb so schlimm, wache ich doch schon 30 Minuten vorher auf. Frühschwimmen in der Badi Andelfingen ist angesagt. Bei einer Redaktionssitzung kam das Thema auf, ich brachte dann die Idee eines Selbstversuchs ein. Ein Fehler, wie ich die folgenden Tage und Wochen glaubte.

Mehrmals schon fand ich eine Ausrede, um nicht in aller Herrgottsfrühe ins kühle Nass steigen zu müssen. Einmal war es zu kalt draussen, einmal regnete es, und einmal mochte ich schlicht nicht aufstehen. Doch an diesem Dienstag gehen mir die Ausreden aus. Wach bin ich schon, und draussen zeigt sich bereits die Sonne. Nur entlang der Thur hängt der tiefe Nebel noch über dem Niederfeld. Mist!

Die vermaledeite Dusche
6.15 Uhr geht es also aus dem Haus und zu Fuss in die nahe gelegene Badi. Es ist nicht allzu kalt, aber auch nicht warm genug, damit Badeträume aufkommen würden. Das Schwimmbad ist leer. Nur ein Bademeister und eine Dame, die gemütlich ihre Längen zieht, sind da. Und eben ich mit meiner Freundin. Diese hat aber kalt, ist müde und kuschelt sich in ihren Kapuzenpullover. Das Schwimmen will sie mir überlassen. Aber ja, Fotos mache sie. Ich bin neidisch.

«Am besten gehst du so schnell wie möglich ins Wasser, solange es noch wärmer ist», sagt der Bademeister. Ein Rat, der mir in diesem verschlafenen Moment töricht erscheint. Denn frühmorgens werde ich überhaupt nicht gerne nass. Und wenn doch, dann bitte unter der warmen Dusche. Ganz und gar nicht warm ist allerdings die obligate Dusche vor dem Schwimmen in der Badi. Die mag ich schon an heissen Tagen nicht, jetzt graut es mir regelrecht davor.

«Sapperlot, mich deucht, als hege mein Gluteus maximus durch dies winterliche H2O Exodus-Gelüste!», rufe ich unter dem Wasserstrahl aus. Dass dies in etwas derberer Sprache als geschrieben geschieht, ist lediglich ein Gerücht.

Fast schon kitschig
Pflotschnass, schockgefrostet und mit einem leichten Anflug von Hässigkeit begebe ich mich strammen Schrittes in Richtung Bassin, die Treppe hinab und rein ins Blau. Huch, was fühlt mein von Pein geplagter Leib da? Das Wasser fühlt sich unerwartet angenehm an, fast schon warm wie im Thermalbad. Und plötzlich ergibt der Rat des Bademeisters Sinn: Das Wasser hat 21 Grad und ist damit 7 Grad wärmer als die Luft, in der die müde Freundin vor sich hin schlottert. Ich bin nicht mehr so neidisch.

Frühschwimmen erweist sich als entspannende Angelegenheit. Beinahe für sich alleine wie in diesem Moment hat man die Badi selten, es ist ruhig, nur die Vögel zwitschern. Und mit den ersten Sonnenstrahlen im Gesicht wird es fast schon kitschig. Nachdem ich gemütlich einige Längen hinter mich gebracht habe und das Becken verlasse, kann ich mir vorstellen, warum sich Menschen das antun. Ich fühle mich frisch, fit und bereit, den Tag in Angriff zu nehmen.

Das morgendliche Bad hat zudem andere positive Seiten: Es braucht noch keinen Sonnenschutz – ein grosses Plus für einen, dessen Haut nur die Farben Weiss und Rot kennt und der ansonsten als wandelnder Cremeknollen dem Schatten folgen muss.

Werde ich das Frühschwimmen also wiederholen? Vielleicht. Es ist eine schöne Erfahrung, das warme, weiche Bett hat jedoch auch seine Vorzüge. Zudem rächt sich bei mir das frühe Aufstehen gegen Mittag im Büro oder spätestens nach dem Essen. Die durch das Schwimmen erlangte Frische und Fitness verabschiedet sich. Aber hey, sag niemals nie!

Frühschwimmen ist in der Badi Andelfingen jeweils dienstags von 6 bis 6.50 Uhr möglich. Auch andere Schwimmbäder in der Region bieten ein Frühschwimmen an. Dazu gehört zum Beispiel das Aquarina in Rheinau, das jeweils montags, mittwochs und freitags von 6 bis 8 Uhr und sonntags von 9 bis 10 Uhr dafür geöffnet ist.

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