Sport

Keine Berührungsängste

Ein Skiunfall vor bald drei Jahren zwang Yves Langhard dazu, das Handballspielen aufzugeben. Doch der 21-Jährige hat eine neue Leidenschaft gefunden: Wheelchair Rugby.

von Manuel Sackmann
11. Oktober 2019

29. Januar 2017: «Den Tag werde ich niemals vergessen», sagt Yves Langhard. An jenem Datum veränderte sich das Leben des heute 21-Jährigen schlagartig. Beim Skifahren stürzte er schwer, brach sich zwei Halswirbel und konnte seine Gliedmassen nicht mehr bewegen. Seither ist er auf den Rollstuhl angewiesen.

Doch der Stammheimer hatte Glück im Unglück. «Das Rückenmark war nur gequetscht», sagt er. Vieles habe sich durch die Reha deutlich verbessert, die Beweglichkeit in Armen und Beinen kam teilweise zurück. Mittlerweile kann er kurzzeitig sogar gut auf den Rollstuhl verzichten. «Zu Hause bin ich oft ohne unterwegs.» Auswärts sei es aber meist einfacher mit. Noch heute mache er laufend Fortschritte, auch wenn sie nicht mehr so gross seien wie zu Beginn. «Trotzdem merke ich immer wieder, wie ich gewisse Dinge besser kann als beispielsweise vor drei Monaten.»

Bis zu seinem Unfall spielte Yves Langhard Handball in Stammheim. Das war plötzlich nicht mehr möglich. Auch musste er sich an sein neues Leben im Rollstuhl gewöhnen. Da er nicht komplett gelähmt ist, sei es sicher einfacher, sagt er. Zudem unterstütze ihn sein Umfeld, wo es nur kann.

Im Team zusammenarbeiten
Einen neuen Sport hat der gelernte Zimmermann ebenfalls gefunden. Während der Reha im Paraplegiker-Zentrum Nottwil kam er erstmals mit Wheelchair Rugby in Kontakt. «Das hat mir auf Anhieb gut gefallen.» Für ihn sei es wichtig, dass es ein Teamsport sei. Durch seine Handballvergangenheit brachte er zudem das nötige Ballgefühl mit.

In vielen Punkten unterscheidet sich Wheelchair Rugby vom herkömmlichen Rugby. So wird beispielsweise in einer Halle gespielt, und pro Team sind nur vier Spieler auf dem Feld. Für beide Sportarten gilt jedoch: Sie sind nichts für Menschen mit Berührungsängsten. «Es ist sehr körperlich, sehr grob, aber auch sehr taktisch», erklärt Yves Langhard. Die Regeln sind kompliziert. Vereinfacht gesagt, geht es darum, mit dem Ball über die gegnerische Torlinie zu fahren. Rollstuhlkontakt ist erlaubt, Körperkontakt hingegen verboten. «Man muss als Team zusammenarbeiten, sonst geht es nicht.» Seine Aufgabe sei es, für die schnelleren Mitspieler den Weg frei zu blocken. Zu diesem Zweck verfügt sein Sportrollstuhl über eine trapezförmige Metallkonstruktion am vorderen Ende. «Damit kann ich mich beim Gegenspieler einhaken.»

Obwohl es beim Wheelchair Rugby häufig heftige Kollisionen gebe, seien Verletzungen erstaunlich selten. «Man ist im Rollstuhl gut fixiert», so der Fachmann. Das Gefährt verfügt zudem über angewinkelte Räder, die es wendiger machen und das Umkippen erschweren. Wesentlich häufiger komme es vor, dass man einen Platten einfange. Für solche Fälle stehen Helfer an der Seitenlinie, die die Räder auswechseln und das beschädigte reparieren. Sie kommen auch zum Zug, sollte ein Spieler mit seinem Rollstuhl umgekippt sein.

Mit der Nati an der EM
Zu Beginn spielte der Stammheimer in einem Team in Nottwil, heute ist er in Zürich aktiv. Dort trainiert er einmal in der Woche. Mittlerweile ist er sogar Teil der Nationalmannschaft, die sich monatlich für ein Trainingswochenende trifft. «Da ist das Niveau merklich höher.» Im Sommer war Yves Langhard an der Europameisterschaft in Dänemark dabei. «Die war leider nicht so erfolgreich», sagt er. Die Schweiz stieg aus der obersten Klasse ab. «Das langfristige Ziel ist aber schon, wieder aufzusteigen und dann auch oben zu bleiben», so der 21-Jährige.

Um im Wheelchair Rugby spielberechtigt zu sein, muss der Athlet einen manuellen Rollstuhl selber antreiben können und gleichzeitig an mindestens drei Gliedmassen Einschränkungen aufweisen. Ansonsten müsse man eine gewisse Entschlossenheit und Furchtlosigkeit mitbringen. Yves Langhard hat diese Eigenschaften – im Sport und im sonstigen Leben genauso. Er hat sich mit seiner Situation arrangiert. «Mit guten Freunden schafft man alles», ist er überzeugt. Auch beruflich passt er sich an, ist in seinem zweiten Jahr an der Berufsmaturitätsschule. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. «Ich mache sicher etwas Technisches.»

Video: youtube.com/kyebosh

 

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