Sport

Niederlagen fürs Leben

Vier Weltcupsiege, eine WM-Silbermedaille, 18 Podestplätze – Marco Büchels Palmarès ist lang. In Oberstammheim hat er über seine 20-jährige Erfahrung im Spitzensport referiert.

von Dominik Müller
15. November 2019

Acht Mal als Liechtensteins Sportler des Jahres sei er ausgezeichnet worden, sagte Michael Tanner, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Leihkasse Stammheim, in seiner Begrüssungsrede. «Gut, so schwierig ist das nicht», entgegnete Marco Büchel. Der ehemalige Skirennfahrer war am Mittwoch im Schwertsaal in Oberstammheim Gastreferent an einem von der Bank organisierten Themenabend zum Thema Leidenschaft.

Insgesamt 300 Weltcuprennen ist Marco Büchel gefahren. «Vier habe ich gewonnen, 296 Mal habe ich verloren.» Fürs Leben gelernt habe er aber aus seinen Niederlagen. Und von diesen gab es zu Beginn seiner Laufbahn einige. Aufgewachsen in Balzers im Süden Liechtensteins, ist er in seiner Jugend vom Schwimmteam über Badminton bis hin zum Karateclub in allen Vereinen im Dorf glücklos geblieben. «Zum Leidwesen meiner Eltern war Ritalin damals noch nicht auf dem Markt.» Fündig geworden sei er schliesslich im Skiclub.

Schnell stellte sich sein Talent heraus. Die komplizierten Bewegungabläufe behagten ihm, nur sein Trainingsfleiss liess zu wünschen übrig. Ändern konnte dies erst eine Begegnung mit der Liechtensteiner Skilegende und Vorbild Büchels, Andreas Wenzel. «Du wirst gescheiter ein Liegestuhl-Vermieter in Saint-Tropez. Ein Skirennfahrer wird aus dir nicht», sagte dieser zum Nachwuchsfahrer. «Dem werd ich’s zeigen», lautete die Reaktion und war fortan stetiger Treiber von Marco Büchels Ehrgeiz. Sechs Jahre später gewann er in Vail WM-Silber im Riesenslalom. Er habe es immer gewusst, sagte Andreas Wenzel damals, auf die erste Begegnung angesprochen.

Hassliebe zu Didier Cuche
Einer seiner besten Freunde im Skizirkus war gleichzeitig der ärgste Konkurrent: Didier Cuche. Mit dem Schweizer hat «Büxi», wie Marco Büchel von allen genannt wird, nebst vielen Rennen vor allem auch unzählige Duelle im Training ausgetragen. Didier Cuche, damals die Nummer 1 der Welt unter den Abfahrern, sei ein ganz schlechter Verlierer gewesen. Trainingsniederlagen gegen den Liechtensteiner hätten ihn doppelt geschmerzt. «Und ich hab’s geliebt», sagte Marco Büchel lachend. Jeden Morgen sei er aufgestanden, um ihn zu schlagen.

Didier Cuche war es auch, der ihm bei seinem ersten Kitzbühel-Auftritt Mut zusprach. Das war nötig, denn Sprüche wie «Pack nur das Nötigste aus, dann ist deine Tasche schon für den Spitalaufenthalt gepackt» mussten sich Neulinge viele anhören. Die Streif in Österreich gilt als die gefährlichste Piste der Welt. Seine Lieblingsstrecke und das am schwierigsten zu gewinnende Rennen sei allerdings ein anderes: die Lauberhorn-Abfahrt in Wengen.

Abschiedsmission Lauberhorn
Vor zehn Jahren startete der inzwischen 48-Jährige in Wengen zu seiner Abschiedsvorstellung. Sein grosser Traum, ein Podestplatz bei der längsten Abfahrt der Welt, war ihm bis dato verwehrt geblieben. «Büxi» erinnert sich an den Start: «Drei, zwei, eins ... Abstos­sen!» Hundschopf, Kernen-S, Han­n­eggschuss, Silberhornsprung bis zum berüchtigten Ziel-S – rund zweieinhalb Minuten lang schossen ihm nur zwei Gedanken durch den Kopf: «Uiuiui, sind meine Beine schon blau» und: «Reiss dich zusammen, deine Frau schaut zu.» Der dritte Rang am Ende fühlte sich für ihn an wie ein Sieg.

170 Zuhörer lauschten im Schwertsaal den Erzählungen des Abfahrers. Als jahrelanges Mitglied im Schweizer Team fühlt er sich dem Land noch immer sehr verbunden. «Wenn nicht ich, dann sollte bitte immer ein Schweizer gewinnen», sagte er und ergänzte mit einem Augenzwinkern: «Am liebsten in Österreich.»

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