Weinland

30 Millionen für etwas, das man hoffentlich nie braucht

Parallel zum Chol­firsttunnel baut das Bundesamt für Strassen (Astra) bis voraussichtlich Januar 2025 für 30 Millionen Franken einen Sicherheitsstollen. Die Bezirks-SVP hat zur Führung geladen und gestaunt, wofür dieser Tunnel nicht ist.

von Roland Spalinger
20. August 2021

Die Bilder gingen um die Welt. Im März 1999 kamen im französischen Mont-Blanc-Tunnel 39 Menschen ums Leben, im Oktober 2001 im Gotthard-Strassentunnel 11. Beide Unfälle mit Bränden lösten in der Schweiz eine Reihe von Sicherheitsmassnahmen aus. Unter anderem verlangte der Bundesrat, alle Tunnels, die länger als 600 Meter sind, bezüglich Sicherheit zu überprüfen.

Im 1996 eröffneten Cholfirsttunnel der A4 bei Flurlingen gibt es bis jetzt keine Möglichkeit, im Ereignisfall flüchten zu können. Abhilfe schafft ein 1,2 Kilometer langer Sicherheitsstollen, der im Abstand von rund 40 Metern parallel zur bestehenden Röhre gebaut wird. Das Projekt wurde 2020 gestartet und soll voraussichtlich Anfang 2025 fertig sein. Am Mittwoch hat die SVP des Bezirks Andelfingen zur Führung geladen. Rund 60 Personen kamen, auch Nichtmitglieder, wie Präsident und Kantonsrat Paul Mayer (Marthalen) erfreut feststellte. «Fühlt euch wohl!», sagte er.

Ausschliesslich begehbar
Hauptakteur an diesem frühen Abend war jedoch Leonardo Bressan, Bauleiter der ausführenden Firma. Den in vier Gruppen aufgeteilten Interessierten erläuterte er, was dort östlich der A4 und der Hauptstrasse erstellt, «aber hoffentlich nie gebraucht» wird, trotz hoher Kosten von 30 Millionen Franken: ein Sicherheitsstollen mit sechs Querverbindungen zur Hauptröhre und dem einzigen Zweck, ein Fluchtstollen zu sein. Und zwar ausschliesslich begehbar.

Fahrzeuge hat es also bloss jetzt drin, während der Bauzeit. Dies erklärt auch, warum der Stollen rund vier Meter hoch und breit wird. Effizient kleiner bauen gehe mit Gerät nicht, sagte Leonardo Bressan. Als bautechnische Herausforderung bezeichnete er das Gefälle von 4,6 Prozent. Wegen fehlendem Platz am Rhein unten für ihren Bauplatz müsse mit fallendem Vortrieb, also abwärts, gearbeitet werden. Dies bedeute auch, dass Lastwagen die einfachere Strecke in den Tunnel hinein leer und voll beladen bergauf fahren müssten. Auch einfallendes Wasser müsse herausgepumpt werden und fliesse nicht einfach ab.

Mit Schiebetür, wie in allen Tunnels
Unten am Rhein wird eine Schiebetür im Fels einziges sichtbares Zeichen des Fluchttunnels sein. Oben beim Schützenhaus Flurlingen endet er im Betriebsgebäude mit der Lüftungszentrale, das noch zu erstellen ist. Der Tunnel ist also fast nicht zu erkennen und kann auch nicht als Veloverbindung genutzt werden, wie ein Anwesender fragte. «Können Sie sagen, wann er benutzt wird?», fragte der Bauleiter rhetorisch.

Noch aber fällt die Grossbaustelle «Im Chüele Tal» auf. Wo bis vor Kurzem noch ein Strässchen zwischen Schützenhaus und Holzschopf verlief, zeigt sich jetzt eine Schneise. Die ersten 70 Meter wurden im Tagbau erstellt. Nun kratzen sich Bagger 800 Meter im Molassefels vorwärts; wegen der wechselnden Geologie kommt keine Tunnelbohrmaschine zum Einsatz. Einzig die letzten Meter Gestein würden wohl als Gegenvortrieb gesprengt.

15 Leute arbeiten in zwei Schichten, jeweils vier für den Vortrag. Pro Tag schaffen sie 2,5 Meter. Fortlaufend werden jeweils die etwas kleineren sechs Querverbindungen gegraben, die während dem Bau den Arbeitenden als Sicherheitsstollen dienen. «Wir treffen die Anschlüsse an der Wand der Hauptröhre», versicherte Leonardo Bressan. «Wir reden von Millimetern.» Diese Öffnungen werden ab September vorbereitet, weshalb der Cholfirsttunnel jeweils ab 20 bis 5 Uhr gesperrt wird. Einen Meter dick ist die Wand, wie eine Kernbohrung im Barackenbüro zeigt. Wegen dem Loch müssen die Lasten der Tunnelröhre umgeleitet werden.

Schneise zu, Risse bleiben
Bald wird die Schneise beim Schützenhaus zugedeckt sein und Gras über den im Tagbau erstellten Stollen wachsen. Mit Sorge erwarten die Schützen des Vereins Flurlingen-Uhwiesen den Moment, wenn die 14 Meter langen Spundwände wieder herausgezogen werden, die noch die Baugrube begrenzen.

Denn der südöstliche Teil ihres Schützenhauses «Im Chüele Tal» hat sich bereits leicht zur Grube hin gesenkt und zeigt einige tiefe Risse im Gemäuer. Präsident Heinz Schüpbach befürchtet, dass dieser Bereich noch mehr «verreist». Ein Teil der 30 Millionen Franken wird vermutlich für Reparaturen verwendet werden müssen.

Das Faktenblatt zum Projekt finden Sie hier.
Weiteres zur Tunnelsicherheit finden Sie hier und hier.

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