Weinland

Antenne wird höher als alles andere

55 Meter hoch wird die geplante Handyantenne im Niederfeld. Und doch überragt sie umliegende Bauten «nur» um rund 30 Meter. Aber auch das ist wohl zu viel für in der Nähe brütende Feldlerchen.

von Roland Spalinger
19. März 2021

Schon das Baugespann ist imposant. Die Antenne mit Sendern der drei Mobilfunkanbieter Sunrise, Salt und Swiss­com dran dürfte schliesslich aber noch mehr ins Auge fallen. 55 Meter soll der Mast der Anlage messen. Geplant ist er auf dem Gelände der Firma Silidur AG im Andelfinger Niederfeld, angrenzend an das Ausbildungszentrum AZA des Kantons.

Und doch hat die angegebene Höhe auch etwas Trügerisches: Die Antenne kommt neben dem Gebäude mit Gewölbedach und drei Silos auf dem tiefer gelegenen Silidur-Gelände zu stehen, laut Plänen auf 356,3 Metern über Meer. Allein der Terrainunterschied zum AZA beträgt rund 6 Meter, zum Eingang der Dreifachsporthalle auf 365,7 Metern über Meer sind es knapp 10 Meter.

In der Gewerbezone des AZA dürfen Gebäude 12 Meter hoch sein. Mit ei­nem Satteldach mit 7 Metern Firsthöhe ausgestattet ergibt das mögliche 19 Me­ter – inklusive Terrainunterschied von 6 Me­tern bleiben somit sichtbare und immer noch beachtliche 30 Meter, um die die Antenne in diesem Gebiet alles andere überragen könnte.

Noch drei bis sechs Brutpaare
Feldlerchen interessieren solche Rechnereien oder Ansichten kaum. Vom Charaktervogel der offenen Kulturlandschaft ist jedoch bekannt, dass er grossen Abstand hält zu Vertikalstrukturen wie Wald, Siedlungsgebiete oder hohe Bauten. Wie sie konkret auf Mobilfunkanlagen oder Türme reagieren, dazu gebe es keine publizierten Studien, sagt Matthias Griesser, Ornithologe und Präsident des Andelfinger Naturschutzvereins, nach einer Literatur-Recherche.

Jedoch zeige eine Studie von 1968, dass Feldlerchen von vertikalen Strukturen 200 Meter und mehr Abstand halten, weshalb er dem Bauprojekt in diesem Gebiet kritisch ge­gen­übersteht. Zwischen 1988 und 2008 sei der Bestand der Feldlerchen im Kanton Zürich um 80 Prozent zurückgegangen, in den darauffolgenden zehn Jahren nochmals um die Hälfte auf aktuell 226 Brutpaare. «In Andelfingen konnte sich der Brutbestand seit 2008 knapp halten», sagt er. In den letzten Jahren hätten im Niederfeld drei bis sechs Paare gebrütet.

Matthias Griesser führt diesen Erfolg vor allem auf das im Jahr 2013 lancierte Feldlerchenprojekt des örtlichen Naturschutzvereins mit Unterstützung der Fachstelle Naturschutz des Kantons zurück. Seither setzen Landwirte in diesem Gebiet konkrete Massnahmen um für die Ackervögel, die am Boden brüten.

Vier der sechs Brutreviere verteilen sich rund um das etwa zehn Hektaren grosse Silidur-Areal, zwei liegen laut Matthias Griesser sogar «auffällig nahe an dieser Gewerbezone». Dass dem so ist, erklärt der Ornithologe mit der «vermutlich flach wirkenden Silhouette». Das Gelände sei dort mehrheitlich vertieft.

Lärm spielt keine Rolle
Bei den bekannten Einschränkungen, die hohe Gebäude oder Siedlungen auf Feldlerchen haben, geht er davon aus, dass eine Antenne die Besiedlungsfläche zusätzlich einschränken oder, im schlimmsten Fall, ein Brüten im Niederfeld vernumöglichen würde und deren Bestand somit ausgelöscht werden könnte. Die Antenne, gibt er zu bedenken, sei doppelt so hoch wie die Hochspannungsleitung im westlichen Niederfeld, «das von der Feldlerche ganz gemieden wird».

Keinen Einfluss hat laut Griesser der Betrieb des AZA. «Vögel können sich erstaunlich gut an regelmässige Lärm­emissionen gewöhnen», sagt er. Zum Beispiel brüte die Feldlerche auch mitten im Flughafen-Areal. Und der Übungsbereich des AZA sei nochmals mindestens hundert Meter weiter von den Feldlerchen-Revieren entfernt.

Ein Rekurs

Gegen die von der Gemeinde Andelfingen Anfang Februar erteilte Baubewilligung ist laut Auskunft des Zürcher Baurekursgerichts ein Rekurs eingegangen. Dies, nachdem 172 Parteien den Baurechtsentscheid verlangt hatten. Birdlife Zürich hat sich laut Auskunft von Co-Geschäftsführerin Kathrin Jaag gegen einen eigenen Rekurs entschieden. Sie hätten die Problematik eingehend diskutiert und teilten die Befürchtung, dass eine hohe Antenne  das wichtige Brutgebiet gefährde. Beweisen könnten sie dies jedoch nicht, weshalb Birdlife die Aussicht auf einen Erfolg als klein eingestuft habe. Das vierseitige Gutachten, das Matthias Griesser, Präsident des Andelfinger Naturschutzvereins, und Beatrice Peter, Projektleiterin «Förderung der Brutvogelarten der offenen Kulturlandschaft im Zürcher Weinland» zur Si­tua­tion des Feldlerchen-Brutbestands verfasst haben, ist laut ihm als Anhang der Rekursschrift der IG 5G Moratorium beigelegt. Damit sei der Aspekt der Feldlerchen im Rekurs berücksichtigt, so Matthias Griesser. (spa)

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