Bedrohte Fledermäuse fühlen sich in Henggart wohl

Henggart - Im Kirchturm hat sich eine Kolonie von Fledermäusen niedergelassen: die vom Aussterben bedrohte Art des Grauen Langohrs. Ein heute weit verbreitetes Phänomen macht ihnen besonders zu schaffen.

Cornelia Berger (cob) Publiziert: 13. Juni 2025
Lesezeit: 4 min

Sie verkriechen sich tagsüber in kleinen Spalten und Ritzen in Dachstöcken und bleiben so die meiste Zeit unsichtbar – die Fledermäuse der Art Graues Langohr. Erst wenn es ganz dunkel ist, fühlen sich die nur ungefähr zehn Gramm schweren Tierchen sicher genug, um auszufliegen und zu jagen. Dass in einem Quartier Fledermäuse wohnen, ist meist nur an Kotkügelchen zu erkennen. So auch im Kirchturm von Henggart. Da dort in den nächsten Jahren eine Sanierung ansteht, hat der Fledermausschutz des Kantons Zürich genauer hingeschaut.

Mithilfe von Wärmebildkameras sei festgestellt worden, dass es sich um eine grosse Kolonie mit 12 bis 14 Tieren handle, erklärte Karin Safi von der regionalen Koordinationsstelle Fleder­mausschutz in Winterthur, auf Anfrage. Auch das Skelett eines Jungtiers sei gefunden worden, was zeige, dass sich im Kirchturm eine Wochenstube befinde. Also ein Quartier, in dem Jungtiere aufgezogen würden. Diese seien für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Art besonders wichtig. Die Kolonie wohne vermutlich bereits seit vielen Jahren im Turm. Dank der Analyse des Kots konnte die Fledermausart bestätigt werden.

Im Kanton Zürich gebe es mittlerweile rund zehn Kolonien der Grauen Langohren, sagte Karin Safi. Alle in der nördlichen Hälfte und gleich mehrere in der Region (AZ vom 27.7.2018). «Dass sich die Grauen Langohren in unserem Kirchturm so wohlfühlen und wir mit dieser Population ein Natur­juwel beherbergen dürfen, macht uns schon ein bisschen stolz», schreibt Kirchenpflegerin Michèle Mullis im Mitteilungsblatt «Henggarter Ziit».

Im darin veröffentlichten Bericht des Fledermausschutzes heisst es, die Tiere würden zwei Lüftungslöcher unterhalb des Daches als Ausfluglöcher benutzen. Bei der anstehenden Sanierung habe es höchste Priorität, dass diese Öffnungen unverändert erhalten blieben. Auf der Website des Fledermausschutzes wird auf die verschiedenen Gefahren für die Lebensräume der Tiere aufmerksam gemacht. Eine grosse Gefahr sei der Verlust von Quartieren durch die Sanierung von Gebäuden. Zur energetischen Optimierung würden oft die Zugänge verschlossen.

Auswirkungen unklar

Der Verein Gegenwind Wyland Winterthur nutzt die Fledermauskolonie als weiteres Argument gegen Windkraftanlagen. Er sieht vor allem im Lärm und im Infraschall eine Gefahr für die Tiere und stellte den Antrag, die im potenziellen Jagdgebiet befindlichen Windpark-Eignungsgebiete aus dem Richtplan zu streichen. Mit nur 800 Metern Distanz zur Kirche liegt das Gebiet Bergbuck am nächsten. Hubert Krättli, Geschäftsführer der Stiftung Fledermausschutz, erklärte, es gebe mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die sich im Befund aber auf den ersten Blick widersprechen würden. «Eine Hypothese ist, dass unterschiedliche Anlagen unterschiedliche Lärm­emissionen verursachen und deshalb auch eine unterschiedliche Wirkung auf Fledermäuse haben.» Im Rahmen der vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung müsse dies aber noch sorgfältig abgeklärt werden.

Eher unwahrscheinlich sei die Gefahr durch eine Kollision mit den Rotoren. Graue Langohren würden normalerweise unterhalb von sieben Metern über der Vegetationskante fliegen, meist sogar nur bis 1,5 Meter darüber, erklärte Hubert Krättli. «Graue Langohren dürften deshalb bei grossen Anlagen kaum in Kontakt mit den Rotoren kommen, da die Rotorunterkante meist deutlich höher liegt.» Potenzielle Kollisionen könnten aber trotzdem nicht ganz ausgeschlossen werden, denn es seien einzelne Zusammenstösse Grauer Langohren mit Windkraftanlagen dokumentiert. Auch dies solle im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung abgeklärt werden.

Naturnah und dunkel

Es ist hauptsächlich ein anderes Phänomen, das dem Grauen Langohr das Leben erschwert: die Lichtverschmutzung. Licht ziehe zwar Falter an, störe jedoch deren Fortpflanzungstrieb und würde der Insektenpopulation daher mehr schaden als nützen, erklärte Karin Safi. Ausserdem seien sie als Nahrung für lichtscheue Tiere uninteressant. Dazu würden auch die besonders dunkelheitsliebenden Grauen Langohren gehören. Die Finsternis biete den Tieren Schutz vor Fressfeinden wie Eulen. Das Graue Langohr fliege daher erst aus, wenn es ganz dunkel sei. Doch dieser Umstand werde immer seltener. Nebst Strassen- und Gebäudebeleuchtungen seien heutzutage in vielen Gärten Solarlämpchen verteilt, die die Umgebung zusätzlich unnötig erleuchten würden. Beim Warten auf die Dunkelheit verlören die Tiere überlebenswichtige Jagdzeit, oder sie würden sich in Gefahr begeben, wenn sie in beleuchteter Umgebung unterwegs seien.

Die Kirche wird abends jeweils beleuchtet. Thronend auf einem Hügel ist sie so schon von Weitem sichtbar. Langfristig könne dies einer Kolonie schaden, bemerkte Karin Safi. Je heller die Umgebung sei, desto eher verwaise ein Quartier. In Henggart würden die Grauen Langohren denn auch jene beiden Lüftungsöffnungen als Zugang nutzen, die am dunkelsten sind. Eine Reduktion der Beleuchtung wäre sehr begrüssenswert und würde den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Fledermausart unterstützen.

Rund um die Kirche sind Ansätze eines idealen Jagdgebiets für die Tierchen zu sehen: naturnahe Wiesen mit Wildblumen, Biodiversitätsflächen und Obstbäume. Ideal wären Hochstamm-Obstgärten, erklärte Karin Safi. Aber auch eine blühende Linde ziehe so viele Insekten an, dass sich die Fledermäuse an diesem einen Baum beinahe satt essen könnten – zumindest für eine Nacht. Ein naturnaher Garten ohne unnötige Beleuchtung biete den Langohren einen idealen «gedeckten Tisch» (siehe Kasten). «Jeder kann in seinem Garten oder auf seinem Balkon etwas für die Fledermäuse tun», sagte Karin Safi.

So helfen Sie den Grauen Langohren


Die Grauen Langohren fressen besonders gerne Nachtfalter, saisonal aber auch fliegende Käfer wie beispielsweise Maikäfer. Mit den folgenden Tipps kann ein Garten ein Insektenparadies und damit zum Festbankett für Fledermäuse werden:

  • Auf einheimische Pflanzen setzen.
  • Heterogene Bepflanzung sorgt dafür, dass von Frühling bis Herbst Insekten angelockt werden.
  • Beleuchtung auf ein Minimum reduzieren und nur zielgerichtet verwenden.
  • Ast- und Steinhaufen helfen, einen naturnahen Garten zu schaffen


Auch bei der Renovation von alten Gebäuden kann viel für Fledermäuse getan werden. Es ist zudem gesetzlich verboten, Fledermausverstecke zu beschädigen oder zu zerstören. Spezielle Fledermauskästen können eine Lösung sein – jedoch nicht für das Graue Langohr. Werden bei einer Sanierung Kotkügelchen oder gar Fledermäuse gefunden, soll der Fledermausschutz verständigt werden, damit eine Lösung für alle gefunden werden kann. (cob)


Bild unten (cob): Die Lüftungslöcher links werden nicht direkt vom Licht angestrahlt.

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