Weinland

Das etwas andere Pfadilager

Vom 1. bis 12. August fand in Südkorea das Welt-Pfadilager Jamboree statt. Dabei waren auch rund 20 Pfadis aus der hiesigen Abteilung. Drei von ihnen erzählen von heissen Tagen, anderen Kulturen und viel, viel Reis.

von Tizian Schöni (Blub)
22. August 2023

Das Jamboree in Südkorea stand unter einem schlechten Stern. Erst plagten Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit die rund 40'000 Pfadis in Saemangeum an der koreanischen Küste. Dann musste das Lager wegen eines nahenden Taifuns sogar vorzeitig beendet werden. Briten und Amerikaner waren vorher schon abgereist, die Delegationsleitenden kritisierten die Organisation des Welt-Pfadilagers scharf. Zu wenig Lebensmittel seien da, die Sauberkeit der Sanitäranlagen gebe Anlass zur Sorge, und gegen die Hitze werde zu wenig getan. Wie erlebten das die Andelfinger Pfadis? Diese Zeitung hat mit Alenka Stoll (in der Pfadi Thama), Noemi Corfu (Mena) und Lars Meissner (Casper) gesprochen.

Thama, Mena und Casper: Von aussen machte das Jamboree einen ziemlich chao­tischen Eindruck. Wie sah für euch Teilnehmenden ein typischer Lagertag aus?
Thama: Eine Gruppe musste jeweils um fünf Uhr aufstehen, um die Lebensmittel für den Tag abzuholen. Kurz danach begannen wir mit Kochen, zum Frühstück gab es eigentlich immer Reis mit irgendwas.

Mena: Mal mit Fleisch oder Gemüse, für die Glutenallergiker auch mit Ei.

Casper: Also Reis esse ich erst nächstes Jahr wieder.

Einige Delegationen waren ja vorab abgereist, unter anderem mit der Begründung, dass es zu wenig Lebensmittel gäbe.
Mena: Das haben wir so überhaupt nicht gemerkt. Wir mussten oft sogar Lebensmittel fortwerfen. Als dann die Amerikaner und die Briten abgereist waren, gab es sogar noch mehr.

Thama: Zum Zmittag haben wir jeweils einen Lunch vorbereitet, denn eigentlich war man tagsüber auf dem Lagerplatz unterwegs. Entweder traf man Pfadis anderer Nationalitäten oder nahm an den diversen Programmaktivitäten des Jamboree teil. Die schlossen aber wegen der Hitze oft schon um 12 Uhr.

Auch von den Temperaturen hat man bei uns gelesen: 38 Grad bei etwa 80 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Thama: Heiss war es schon. Man hat ja immer von diesen 600 Leuten gehört, die wegen der Hitze behandelt werden mussten. Aber wir waren schliesslich 40'000 Pfadis dort. Und die Veranstalter haben viel geholfen: Wir erhielten mobile Ventilatoren und «cooling buses». Klimatisierte Busse, in denen man sich abkühlen konnte.

Casper: Und das Handy laden! Dafür habe ich mich richtig erkältet dort drin.

Am Abend gab es ebenfalls ein Programm?
Casper: In jedem der 18 Unterlager stand eine Bühne, auf der verschiedene Darbietungen stattfanden. Mal legte ein DJ auf, mal gab es eine Talentshow. Je nach Auftritt entstand manchmal eine riesige Party. Wir haben dort eine Gruppe Polen getroffen, das waren richtig gute Stimmungsmacher.

Habt ihr euch mit Pfadis weiterer Nationalitäten getroffen und ausgetauscht?
Thama: Ich habe mit einer Gruppe namibischer Pfadis gesprochen. Die machen ganz ähnlich Pfadi wie wir! Und sie gehen miteinander so um, wie wir es in der Pfadi bei uns auch tun. Andere Gruppen waren hierarchischer unterwegs.

Casper: Zum Beispiel die Amerikaner oder die Polen. Einige Gruppen trugen zu den Feiern eine komplette Uniform, von der Kopfbedeckung bis zu den Strümpfen.

Eine Besonderheit im Jamboree ist der «Cultural Celebration Day» …
Mena: Ein Tag, an dem alle Nationalitäten ihre eigene Kultur vorstellen. Viele kochen ein Gericht aus ihrer Heimat.

Casper: Die Ägypter hatten ein sehr geiles Frühstück. So ein Bohnengericht mit viel Salz drin, das war richtig gut.

Thama: Indische Pfadis verteilten so traditionelle Süssigkeiten, die waren irgendwie scharf und süss gleichzeitig.

Habt ihr im Jamboree auch die Gastgeber besser kennengelernt?
Thama: Vor dem Lager waren wir eine Woche im Land unterwegs. Erst ganz im Norden, in einem Dorf nahe der nordkoreanischen Grenze.

Mena: Dort haben wir selbst Tteobokki kochen dürfen. Die Reiskuchen sind ein beliebtes koreanisches Imbissgericht, eine Art Spätzli aus Reismehl. Im Vorprogramm haben wir sehr traditionell koreanisch gegessen.

Casper: Ja, leider gab es konsequenterweise dann auch dreimal am Tag Reis.

Mena: Und es gab einen K-Pop-Workshop. Zu koreanischer Popmusik gibt es eigentlich immer einen spezifischen Tanz, besonders während des Refrains. Eine solche Choreo haben wir eingeübt.

Dann gings weiter in die Hauptstadt Seoul …
Mena: Dort haben wir eine Stadtführung gemacht und ein Museum besucht. Unsere Reiseführerin brachte uns viel über die koreanisch-japanischen Beziehungen bei. Das Land war von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1945 eine japanische Kolonie. Viele Koreaner sind heute noch schlecht auf Japan zu sprechen.

Thama: Am nächsten Tag durften wir die Stadt in kleinen Grüppchen allein erkunden, und am letzten Tag vor dem Lager besuchten wir einen koreanischen Zirkus. Die Akrobatikstücke waren eindrücklich anzusehen, nur die Witze haben wir nicht verstanden. Und manchmal wussten wir nicht, wann genau wir klatschen sollten. Danach ging es per Bus die Westküste hinunter zum Jamboree-Lagerplatz.

Über das Lager haben wir schon gesprochen. In der zweiten Woche kam dann die Taifun-Warnung. Wie habt ihr mitgekriegt, dass der Sturm im Anmarsch ist?
Casper: Am Nachmittag kam ein Deutscher zu uns auf den Lagerplatz, der erzählte, sie würden am nächsten Tag abreisen. Ich hielt das erst für ein Gerücht und habe dann im Internet nachgeguckt. Am Abend bestätigten es unsere Leitenden definitiv.

Thama: Am nächsten Tag haben wir gepackt, danach mussten wir lange auf unseren Bus warten. Irgendwann am Abend kamen wir in einem Studi-Wohnheim nahe Seoul an, dort verbrachten wir die letzten Tage.

Habt ihr den Taifun dort gespürt?
Mena: Eigentlich war es verboten, rauszugehen. Aber es hat einfach etwas geregnet und gewindet. Wir konnten dann heraushandeln, dass wir ein koreanisches Einkaufszentrum besuchen durften.

Casper: Schade war, dass wir dort nur mit anderen Schweizer Pfadis untergebracht waren.

Thama: Wir waren an einem Nachmittag in zwei Cafés, und an beiden Orten wollte uns das Personal ein Dessert schenken, als sie mitgekriegt hatten, dass wir Pfadis aus dem Jamboree sind. Es schien fast, als wäre das ganze Land besorgt um uns gewesen!

Wie habt ihr die letzten Tage in Korea verbracht?
Thama: Am Freitag fand die Schlussfeier in einem Fussballstadion in Seoul statt, eigentlich war es ein riesiges K-Pop-Konzert. Es traten etwa ein Dutzend verschiedene Gruppen auf …

Mena: Es war wirklich eine riesige Show. Bei K-Pop gibt es entweder ganz oder gar nicht. Die Acts singen, tanzen, und jede Show ist mit Spezialeffekten untermalt.

Casper: Am Samstag wäre dann eigentlich der Heimflug gebucht gewesen, aber die ankommende Lufthansa-Crew für den Rückflug hatte wegen des Taifuns natürlich Verspätung, so flogen wir erst am Sonntag zurück.

Unter anderem um die Kaufkraftunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern auszugleichen, zahlt ein Schweizer Pfadi rund 4000 Franken für das Lager. Wie habt ihr euch diesen Betrag finanziert?
Mena: Ich hatte schon lange dafür gespart. Drei Viertel musste ich selbst bezahlen, den Rest haben meine Eltern übernommen.

Casper: Bei mir haben die Grosseltern einen Viertel übernommen, die Eltern einen Viertel, und den Rest habe ich selbst bezahlt.

Hat es sich gelohnt?
Casper: Definitiv. Schon mein Vater war 1991 im Jamboree, damals fand es ebenfalls in Südkorea statt.

Mena: Als Pfadi kannst du nur einmal als Teilnehmende in dieses Lager. Diese Chance wollte ich nutzen. Und ich habe K-Pop für mich entdeckt!

Thama: Klar ist es ein grosser Betrag, besonders für eine Schülerin wie mich. Aber das Erlebnis war einmalig.

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