Weinland

Das Hobby zum Beruf gemacht

Von der Feuerwehr zum Kompetenzzentrum für Schäden – in den 20 Jahren, in denen Heier Wipf das Kommando der Stützpunktfeuerwehr Weinland innehatte, hat sich die Organisation stark verändert. Ein Rück- und Ausblick.

von Roland Spalinger
28. Dezember 2022

Herr Wipf, wie viel mehr Freizeit werden Sie ab dem 1. Januar 2023 haben?
Heier Wipf: Vor allem Termine am Abend und an Samstagen werden wegfallen.

Nicht mehr?
Das Kommando der Stützpunktfeuerwehr Weinland ist wegen seinem überregionalen Einsatzgebiet mit 40 Stellenprozenten dotiert. Aufgaben fallen auch in Büro und Magazin an. Die letzten zwei Jahre haben Peter Stutz und ich Aufgaben und Pensum geteilt, Job-sharing also. Für das restliche Pensum bin ich bei der GVZ (Gebäudeversicherung des Kantons Zürich, Red.) als Ausbildner angestellt. Dass die Ausbildungsstätte des Kantons in Andelfingen und somit so nahe ist, ermöglichte es mir damals als Landwirt erst, das Hobby Feuerwehr zum Beruf zu machen und den Hof einem Sohn zu übergeben.

Wie war die Feuerwehr, als Sie vor 20 Jahren das Kommando ĂĽbernommen haben?
Mein Vorgänger Martin Günthardt hatte bereits die Stützpunktfeuerwehr Weinland gegründet, auch die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Jestetten lief schon. Im Laufe der Jahre kamen dann weitere Gemeinden dazu, weshalb auch die Strukturen fortlaufend angepasst werden mussten. In Marthalen war die Feuerwehr noch auf drei Magazine verteilt, ehe im Juni 2009 der Neubau eingeweiht werden konnte. In Ossingen ermöglichte die GVZ den Bau eines neuen Magazins. Auch der Papierkram, zum Beispiel für Brandschutz, Brandmeldeanlagen, Liftanlagen und so weiter, wurde immer grösser.

Der Anschluss der Thurgauer Gemeinde Neunforn, kürzlich die Beschaffung des Rettungsboots und die Beschriftung des Magazins – vieles wurde vonseiten der Feuerwehr vorangetrieben, die dafür nötigen Beschlüsse erst später eingeholt. Ist die Politik zu langsam für Sie, oder wird der Weinländer Weg des «Machens» auch ein bisschen zelebriert?
Wir haben immer die Politik informiert, bei allem. Bei Gebäuden stellten wir fest, dass viele nicht angeschrieben waren, nicht nur jene der Feuerwehr. Aber bei diesen holten wir dies selber nach – in Ossingen war das kein Problem, in Marthalen wurde später eine Bewilligung erteilt. Beim Anschluss von Neunforn war das «Wie» klar, bezüglich des «Wann» überraschte uns der dortige Kommandant, als er an der Bächtelisversammlung sagte, die Feuerwehr gehöre jetzt zur Weinländer Organisation – die Alarmierung war da noch gar nicht geregelt. Auch beim Boot gab es eine längere Vorlaufzeit. Bei der Beschaffung waren die See­polizei und die Kameraden von Jestetten einbezogen.

Dann tönte der Prozess improvisierter, als er tatsächlich war?
Es war keine Hau-Ruck-Übung! Die Informationen liefen in den richtigen Kanälen, wir brachten einfach den nötigen Drive ein.

Was ist die Feuerwehr Weinland heute?
Mit dem Zweckverband und weiteren Gemeinden, es sind total neun, ist ein Kompetenzzentrum mit einer Infrastruktur entstanden, die stimmt, und mit Zugführern, die mehr Verantwortung tragen. Vieles wurde komplexer, die Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz enger, Synergien laufen sehr gut, zum Beispiel teilen wir uns den Materialwart und die Lokalitäten.

Passt der Name Feuerwehr noch?
(überlegt) Eigentlich wäre Schadenwehr passender – aber Feuerwehr ist verwurzelt, das würde man nicht wegbringen, und es spielt ja auch keine Rolle. Wichtig ist, dass die Nummer 118 bekannt ist.

In welchen Bereichen fanden die grössten Veränderungen statt?
Es wird alles professioneller! Grossen Einfluss hat die Digitalisierung, die zunimmt. Fahrzeuge werden laufend gewartet, und Material muss nach Gebrauch immer geprüft werden. Und der Bestand hat auf heute 130 Angehörige der Feuerwehr zugenommen.  

Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf die Leute und die Kommunikation. Vieles wird im Offizierskreis besprochen und entschieden, und der Mehrheitsentscheid wird akzeptiert. Das klappt seit bald 20 Jahren – in wechselnder Zusammensetzung des Kaders und des Verbands.

Was war Ihre beste Idee in all den Jahren?
Einen Nachfolger aufgebaut zu haben. Peter Stutz ist seit 2012 Ausbildungschef und seit zwei Jahren mein Stellvertreter und Stellenpartner. Wir verstehen uns fast blind.

Bei der SchlussĂĽbung war von Freude und Spass die Rede. Wie meinten Sie das?
Natürlich haben wir Ränge, also Abstufungen, aber trotzdem eine flache Hierarchie. Die Offiziere und auch ich kennen die Namen aller Weinländer Feuerwehrler und machen bei Übungen ganz normal zum Beispiel als Soldat mit, das hat mit Wertschätzung zu tun. Wir trainieren für Ernsteinsätze, aber ohne Schikanen. Bei 30 Grad kann man das Wesentliche auch ohne dicke Einsatzkleider vermitteln.

Wo hört bei Ihnen der Spass auf?
Bei der Sicherheit! Auch wenn wir in den letzten 20 Jahren ausser einem Armbruch keine Verletzten zu beklagen hatten, kann ein Unfall nie ausgeschlossen werden. Wir trainieren die Mannschaft an den Übungen, und dabei steht die eigene Sicherheit immer zuoberst. Dass jeder und jede – aktuell haben wir zwar leider nur eine Frau – für sich Verantwortung trägt.

Waren Sie als Kommandant mehr Kumpel oder Vorgesetzter?
Beides. Man muss switchen können, aber auch eine Linie haben, das wird erwartet.

Ein Einsatz, der im Kopf bleibt?
Die Zeit mit der nicht richtungsgetrennten A4 war hart. Überhaupt: Wenn Menschen zu Schaden kommen, ist es schwer, besonders, wenn man sie kennt. Das prägt.

Was hilft?
Reden und zuhören, der Teamgeist – hilfreich ist die geschaffene Struktur.

Wie gross waren die Fussstapfen vor 20 Jahren fĂĽr Sie, und wie sind sie Ihrer Meinung nach fĂĽr Ihren Nachfolger?
Sie waren gross – weil auch der damalige Ausbildungschef aufhörte, dachte ich, es wird schwierig. Nun darf ich sagen: Wir brachten viel zustande – natürlich auch durch eine super Mannschaft! Von daher sind die Fussstapfen für Peter Stutz auch gross, aber wir arbeiten ja schon viele Jahre zusammen. Er wird es auf seine Weise machen, ich habe keinerlei Bedenken.

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