Weinland

Den Unternehmer-Traum verwirklicht

Als Student gründete Reto Hugi mit zwei Kollegen die Sporternährungs-Firma Powerfood. Was vor 15 Jahren in der Garage seines Elternhauses begann, füllt inzwischen eine 3300 Quadratmeter grosse Lagerhalle.

von Bettina Schmid
28. Februar 2020

Viele träumen von der Selbständigkeit, einige versuchen es, aber nur ganz wenige sind erfolgreich. Dass es dafür nicht immer hohe Geldsummen braucht, beweist der in Henggart aufgewachsene Reto Hugi. Der damals 22-jährige, fitnessbegeisterte Informatikstudent kam 2004 auf die Idee, Sportnahrungsmittel zu verkaufen, und gründete mit zwei Mitstudenten eine Kollektivgesellschaft. Das Startkapital habe lediglich 6000 Franken betragen, so der heute 36-Jährige.

Inzwischen ist Powerfood eine AG mit 20 Millionen Franken Jahresumsatz und Schweizer Marktführerin im Bereich Sporternährung – die Gründer sind Geschäftsführer (CEO) und Technischer Direktor (CTO) der Firma. Die Anzahl Paketauslieferungen stieg von anfangs knapp 1000 pro Jahr auf 300'000 Verkäufe, die Lagerfläche wuchs von 5 auf 3300 Quadratmeter, die Zahl der Mitarbeitenden von 3 auf 86 und die der Shops von 1 auf 20. Zudem gehören zum Unternehmen zwei eigene Fitnesscenter.

Kartonschachteln aus dem Volg
Und dabei hat vor 15 Jahren alles ganz klein angefangen: In einem Regal in der Garage eines Henggarter Einfamilienhauses und im Kleiderschrank von Studienfreunden. Dort lagerten die Gründer Reto Hugi, Roland Beuter und Dominik Locher (heute nicht mehr in der Firma mit dabei) ihre erste Lieferung an Sporternährungsprodukten. «Mit den Personenwagen unserer Eltern haben wir in Deutschland für 3500 Franken Waren eingekauft und sie dann hauptsächlich in unserem Freundeskreis und in Fitnessstudios veräussert», erinnert sich Reto Hugi. Schon damals hätten sie aber dar­auf geachtet, bei den Händlern gute Einkaufspreise auszuhandeln und alles rechtens beim Zoll anzumelden. «Mit unseren kleinen Pkws haben wir uns zwischen all den riesigen Lkws eingereiht.» Das Verpackungsmaterial konnten sie kostenlos im Volg Henggart beziehen – der Dorfladen hat für sie jeweils die Kartonschachteln aufbewahrt.

Bereits kurz nach der Gründung der Kollektivgesellschaft bauten die drei damals 22-jährigen Informatik-Studenten ihren ersten Online-Shop auf. «2004/2005 waren die Jahre, in denen E-Commerce noch in den Kinderschuhen steckte», sagt Reto Hugi. Sie hätten vom dar­auf folgenden E-Commerce-Boom profitiert – sowie von der Tatsache, dass der Sporternährungsbereich damals noch nicht professionalisiert war. Es existierten lediglich einige kleinere Einzelfirmen. Schon bald liessen sie ihre Konkurrenten hinter sich – «dank überdurchschnittlichem Einsatz und der Tatsache, dass wir uns von den ersten Umsätzen nicht blenden lies­sen», ist Reto Hugi überzeugt. Teilweise waren sie von früh bis spät an Messen unterwegs oder legten wie wild Flyer in Fitnesscentren auf – und steigerten so ihre Bekanntheit.

Ein mĂĽtterliches Ultimatum
Das Bestellvolumen nahm kontinuierlich zu – im Wochenrhythmus fuhren sie nun ins deutsche Singen, um Waren abzuholen. Und dies alles neben dem Vollzeitstudium. «Wir waren mit Herzblut dabei, und die Firma stand über allem.» Dennoch sei es rückblickend eine intensive und strenge Zeit gewesen. Sie profitierten davon, dass sie keine festen Ausgaben hatten, noch bei ihren Eltern wohnten und so den Gewinn wieder in die Firma reinvestieren konnten.

Etwas weniger begeistert vom immer grösser werdenden Lager in der heimischen Garage waren allerdings Reto Hugis Eltern. «Mein Vater kam nur noch über Umwege zum Auto, meine Mutter nicht mehr an den Tiefkühlschrank», schmunzelt der heute in Schaffhausen wohnhafte Informatiker. Als seine Mutter eines Tages erfuhr, dass in Kürze nochmals die doppelte Menge an Produkten geliefert werden würde, sprach sie ein Ultimatum aus. Innert acht Wochen mussten alle Sachen aus dem Haus geräumt sein. Und so kam Powerfood 2006 zur ersten extern gemieteten Lagerfläche – 42 Quadratmeter bei der Firma Mökah in Henggart. Als die Bodenbelastung durch die inzwischen bis zu 800 Kilogramm schweren Paletten langsam kritisch wurde, packten sie 2009 abermals die Koffer und zogen nach Schaffhausen in die Lagerhalle, die noch heute ihr Hauptsitz und ihr Logistikzentrum ist.

Auf 3300 Quadratmetern reihen sich dort zahlreiche Hochregale aneinander, aufgefüllt mit Paletten voller Lifestyle- und Sportler-Nahrungsmittel, aber auch mit Kleidern und verschiedenem Sportzubehör. Zwei bis drei Lkws verlassen die Halle täglich – die Zeiten, in denen die Firmengründer noch selber mit ihren Personenwagen die Päckchen zur Post fuhren, sind definitiv vorbei. Auch das Sortiment habe sich im Laufe der Jahre verändert, so Reto Hugi. Weg von Artikeln für «Nur-Kraftsportler» hin zu solchen für alle, die Wert auf ihre Gesundheit legen. 7500 Produkte verschiedener Marken hat Powerfood im Sortiment, dar­un­ter seit zwei Jahren auch solche der eigenen Linie «PowerFood One», die mit geheimer Rezeptur hergestellt werden.

Grosse Detaillisten als Konkurrenz
Trotz aller Erfolge hatten die Gründer in den 15 Jahren auch mit Herausforderungen zu kämpfen. So machte ihnen streckenweise die Konkurrenz zu schaffen. Vor einigen Jahren überschwemmten Venture-Capital-Firmen mit millionenschweren Investoren den Markt, etwas später entdeckten die grossen Retailer wie Coop oder Migros die Möglichkeiten der Nahrungsergänzungs- und Fitnessprodukte. Auch der Aufbau des Filialnetzes ging nicht reibungslos voran. «Wir ar­bei­te­ten zuerst im Franchising-System, bei dem die Shopleiter selbständig wirtschafteten.» Dies habe aber teilweise zu hohen Investitionskosten geführt, weshalb sie sich entschlossen hätten, die Filialen eigenhändig zu führen und so mehr Kontrolle zu erhalten.

Wichtig bei allen Herausforderungen sei, nie aufzugeben, Prozesse zu optimieren und auch mal Neues auszuprobieren, zum Beispiel im Marketing. Dies ist auch Reto Hugis Erfolgsrezept: Man müsse Ausdauer haben und Verbesserungen in kleinen Schritten machen. Oder anders ausgedrückt: «Ein Geschäft aufzubauen, ist kein Sprint, sondern ein Marathon.»

Der Erfolg gibt ihm Recht – sein ganz persönlicher Traum vom Unternehmer, angefangen im Zürcher Weinland, hat sich erfüllt.

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