«Freundlich und pünktlich», sagt Frau Girsberger über den Rotkreuz-Fahrdienst. Sie nutze diesen fast täglich. Am Wochenende könne sie auf ihren Sohn und die Schwiegertochter zählen, um von Ossingen ins Alters- und Pflegezentrum Stammertal gebracht zu werden, wo ihr Mann lebt. Unter der Woche lässt sie sich zu ihm fahren.
Frau Girsberger ist eine typische Kundin, oft von Willy Ammann chauffiert. Mit zwei Fahrten pro Woche ebenfalls regelmässig bringt der ehemalige Bäckermeister aus Unterstammheim eine Person von Ossingen nach Winterthur zur Dialyse. Alle anderen Einsätze seien sporadisch, sagt er und zeigt die App, auf der er gewünschte Fahrten auswählen kann.
Und schon sind wir mittendrin in diesem Dienst, der einst von Freiwilligen in den Gemeinden selber koordiniert wurde, seit geraumer Zeit aber zentral über eine Nummer des Schweizerischen Roten Kreuzes abgewickelt wird. Die Zahlen sind eindrücklich: Total sind es im Weinland 1329 Fahrten, 3175 Stunden und 52'183 Kilometer (siehe Tabelle unten). Zusammen legten die Fahrerinnen und Fahrer also eine Strecke deutlich mehr als einmal um die Welt (40'000 Kilometer) zurück.
Freiwilligenarbeit mit Entschädigung
Trotz zentraler und digitaler Koordination braucht es lokale Ansprechpersonen. Im Stammertal ist das Albert Walder. Seine Tochter arbeitete im Kantonsspital Frauenfeld und suchte, weil es eilte, im Namen der Krebsliga einen Transport für eine Person. «Und wen fragt man dann?», fragt er rhetorisch und gibt die Antwort selber: den Vater.
Seine erste Fahrt war sein Einstieg. Er fahre gern, Einsätze brächten Struktur in den Tag, und «die Wertschätzung ist gross», sagt er. Finanzielle Überlegungen dürften und könnten nicht der Grund für ein solches Engagement sein. Es sei Freiwilligenarbeit mit Kilometerentschädigung (75 Rappen).
Damit seien auch seine privaten Benzinkosten gedeckt, sagt Willy Ammann, der seit sieben Jahren dabei ist. Am schlimmsten sei es, warten zu müssen, findet er, auch wenn es für Wartezeiten Spesen gebe. Er fahre deshalb jeweils wieder nach Hause, während die Person in der Dialyse sei. Um einen Verdienst geht es den beiden Männern aber eben nicht. Sie hätten es gut gehabt und wollten der Gesellschaft auf diese Weise etwas zurückgeben.
Beide sind pensioniert und lassen sich für den Rotkreuz-Dienst jährlich von einem Fahrlehrer die Fahrtüchtigkeit bestätigen. Mit 80 Jahren fällt aber die Altersguillotine. Bei Willy Ammann wird das in rund drei Jahren der Fall sein. Albert Walder, mit 75 etwas jünger, hält deshalb die Augen offen und wurde fündig, was die Nachfolge betrifft.
Verpflichtung mit Freiheiten
Peter Maugweiler hat sein Interesse kundgetan. Seine Mutter ist auf den Rollstuhl angewiesen, er verfügt somit bereits über Erfahrung mit Transporten von nicht mehr mobilen Personen. Nach seiner Pensionierung in 15 Monaten will er aber vorerst noch ans Steuer seines Wohnmobils und wird somit mehrmals länger abwesend sein.
«Kein Problem», sagt Albert Walder. Die Fahrerinnen und Fahrer könnten ihre Verfügbarkeit in der App blockieren. Je grösser jedoch der Pool an Freiwilligen sei, desto besser könnten auch kurzfristig angemeldete Fahrten ausgeführt werden. Vor allem aus dem Raum Ossingen wäre Unterstützung wichtig, sagt Willy Ammann. Während Einsätzen sei das Auto von Freiwilligen über das Rote Kreuz versichert, Reinigungen nach Vorfällen wie nässen oder erbrechen würden übernommen.
Man kennt sich
Er kenne die meisten, die er transportiere. Und hinterlegt seien auch Informationen wie deren Musikgeschmack, dem er sich gerne anpasse. Für einen Mann lasse er immer Hansi Hinterseer laufen, erzählt er schmunzelnd. Sie höre Musikwelle, sagt Frau Girsberger. «Den ganzen Tag.» Und beim Quiz um 8.20 Uhr, bei dem man nur Ja oder Nein sagen könne – «und wie heisst jetzt schon wieder der Moderator … Salzmann», fällt es ihr ein, da habe sie schon zweimal mitgemacht.
Den Winter verbringt sie wie ihr Mann im APZ. Die Schnitzelheizung zu Hause will sie nicht selber bedienen. Im Frühling hofft sie aber, zurück nach Ossingen zu können. Wenn Willy Ammann sie dann wieder abholt, weiss er nun, welchen Sender er im Autoradio einstellen wird.
Zürich: Fast 40 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons ab 15 Jahren leisteten im Jahr 2024 unbezahlte Freiwilligenarbeit. Die Bandbreite ist gross.
Etwas mehr als ein Fünftel der Zürcherinnen und Zürcher engagierte sich 2024 in Vereinen und Organisationen – etwa in lokalen Sportvereinen, kulturellen Vereinen, karitativen oder kirchlichen Organisationen, Interessenverbänden, politischen Parteien und vielen weiteren Einrichtungen (siehe Grafik unten).
Damit liegt der Kanton Zürich im schweizerischen Durchschnitt. Dieses Engagement kennzeichnet, dass es unbezahlt ist, wobei symbolische Entschädigungen oder Spesenvergütungen nicht ausgeschlossen sind. Laut dem Freiwilligen-Monitor Schweiz 2025 sind Freude an der Tätigkeit, eine Verbundenheit mit der Organisation sowie das Zusammenkommen mit anderen Menschen die häufigsten Motive für ein freiwilliges Engagement.
Rund 27 Prozent der Zürcher Einwohnerinnen und Einwohner leisteten zudem informelle Hilfe und Unterstützung in der Nachbarschaft, im Freundeskreis oder in der Verwandtschaft – beispielsweise durch die Betreuung von Enkelkindern, Einkaufs- oder Fahrdienste oder die Pflege von Verwandten oder Bekannten. Diese sogenannte «informelle Freiwilligenarbeit» kommt Personen ausserhalb des eigenen Haushalts zugute und unterscheidet sich damit von Haus- und Familienarbeit.
Etwa 9 Prozent der Zürcher Wohnbevölkerung sind in beiden Bereichen der Freiwilligenarbeit engagiert: Sie leisten sowohl Freiwilligenarbeit in Vereinen und Organisationen als auch informelle Freiwilligenarbeit.
Es gibt Unterschiede
Das Engagement in Vereinen und Organisationen, die sogenannte institutionalisierte Freiwilligenarbeit, ist bei Männern und Frauen vergleichbar verbreitet. Frauen leisten jedoch signifikant häufiger informelle Freiwilligenarbeit als Männer.
Falls sie sich engagieren, wenden Männer und Frauen allerdings ähnlich viel Zeit auf: Frauen leisten durchschnittlich rund 3,2 Stunden pro Woche informelle Freiwilligenarbeit, Männer rund 2,7 Stunden. Für die Arbeit in Vereinen und Organisationen investieren Männer wöchentlich rund 2,7 Stunden, Frauen rund 2,4 Stunden. Die Zahlen für die ganze Schweiz zeigen, dass sich Männer eher im Sportverein oder in der Politik engagieren, während Frauen eher Freiwilligenarbeit für soziale, karitative oder kirchliche Organisationen leisten.
Im frühen Rentenalter
Während das Engagement in Vereinen und Organisationen in den verschiedenen Altersgruppen relativ ähnlich ist, beteiligen sich die 55- bis 74-Jährigen mehr an informeller Freiwilligenarbeit als die Jüngeren. Besonders viel Zeit investieren dabei die Freiwilligen im frühen Rentenalter, nämlich durchschnittlich rund 5,6 Stunden pro Woche.
Insgesamt wurden im Jahr 2024 schweizweit rund 376 Millionen Stunden informelle Freiwilligenarbeit im Rahmen der Nachbarschaft, des Freundeskreises sowie der Verwandtschaft geleistet. Fast zwei Drittel dieser Stunden wurden dabei von Frauen erbracht.
Rund 200 Millionen Stunden, also etwas mehr als die Hälfte der 376 Millionen Stunden für informelle Freiwilligenarbeit, erfolgten für die Betreuung von Kindern aus anderen Haushalten. Davon entfallen 157 Millionen Stunden auf die Betreuung von Enkelkindern.
Der Anteil der Personen, die sich schweizweit in Vereinen und anderen Organisationen engagieren, hat 2025 fast wieder den Wert von 2019 erreicht. Während der Corona-Pandemie ging der Wert zurück. (az)
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