Weinland

Der Winter musste nicht vertrieben werden

Der Frühling kann kommen: Nach rekordfrühen 2:28 Minuten explodierte der Kopf des Böögg auf dem Fasnachtsfeuer der Pappenmannli. 182 Personen hatten sich per Livestream zugeschaltet.

von Roland Spalinger
23. März 2021

Eine Statistik führt niemand. Aber so früh wie dieses Jahr fing der Böögg auf dem Mar­tha­ler Fasnachtsfunken wohl selten Feuer. Um 20 Uhr klöpfte es ein erstes Mal – als Zeichen für die Pappenmannli, den Holzstapel in Brand zu stecken; mit Fackeln in der Hand hatten sich Buben von der 4. Klasse bis zur 3. Oberstufe um ihr Werk auf dem Lindenhof verteilt, das sie seit den Herbstferien aufgebaut hatten.

Dann ging es schnell. Die Flammen frassen sich durch das trockene Käferholz und züngelten am Schneemann, der bald seinen Bauch verlor. Nach 2:20 Minuten der erste richtige Knall, wieder acht Sekunden später war bereits der Kopf weg.

Warten auf den sechsten Knall
Fünf Mal hatte es gekracht – darin waren sich die Anwesenden einig und darob gleichermassen leicht irritiert. Auch Gemeindepräsident Matthias Stutz. Er verfügt über die nötige Ausbildung und hatte die Böller fachgerecht in den Böögg gestopft – aber sechs Stück. Explodierten zwei Kracher gleichzeitig? Er werde sich das Video anschauen, ob zwei Blitze gleichzeitig zu sehen sind, so der Fachmann.

Das Video? – Tatsächlich wurde das Pappenmannli-Feuer dieses Jahr live übertragen und kann nun auf Youtube angeschaut werden. Christian Lüthi, Vater des einen Pappenchefs, hatte keinen technischen Aufwand gescheut und diesen auch leicht unterschätzt. Eine Live-Sendung zu organisieren sei «nicht ohne», meinte er.

Der Test am Samstagnachmittag war das Anbringen des Böögg mit einem Kran an der Spitze der Stange. Allein dies war live verfolgt worden, staunte er. Bis am Abend sei diese Sequenz gar 144-mal angeschaut worden. Beim Livestream ab 19.45 Uhr waren dann beachtliche 182 Geräte eingeschaltet. In die Übertragung wurden Interviews mit Pappenmannli eingebaut, die Guggen Chrottepösche und Bräseliböck hatten Bild- und Tonaufnahmen zur Verfügung gestellt für den passenden Soundteppich.

Frühlingsfeuer und «Soldätele»
Aber auch ein Gespräch mit Historiker Reini Nägeli wurde integriert. Er lieferte den geschichtlichen Hintergrund der Pappenmannli und erzählte witzige Anekdoten über den speziellen und sicher 350 Jahre alten Brauch in Mar­tha­len. Frühjahrsfeuer zum Start der Vegetation gebe es vielerorts und schon länger als seit 1774.

Speziell in Mar­tha­len sei die Kombination mit dem «Soldätele» der Buben, die die militärische Musterung nachspielten. Zwei Pappenmannli sind an der Fasnacht jeweils nicht in der Uniform unterwegs, sondern als verkleidete Hexen mit Saublattern – dies zeige, dass der Winter verhöhnt werde, dass er «abfahre» könne, so Reini Nägeli.

Dieses Jahr war die Vertreibung fast nicht nötig – die Verschiebung des Abbrenndatums vom 21. Februar auf den vergangenen Samstag brachte zwar nicht den gewünschten Effekt, Publikum zulassen zu dürfen, aber er passte just zum Winterende. Ab heute Dienstag soll es ja losgehen mit frühlingshaften Temperaturen.

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