Die Differenz bezahlen die Eigentümer

Andelfingen - Ende Jahr sollte die Familie Röthlisberger in ihr Riegelhaus zurückkehren können. Auch, weil Architekt Martin Schaub schnell gehandelt hat. Aus dem verheerenden Brand zieht er noch eine andere Lehre.

Roland Spalinger (spa) Publiziert: 13. Mai 2025
Lesezeit: 4 min

Ihr ganzes Hab und Gut befindet sich in zwei Dreieinhalbzimmer-Wohnungen und in zwei kleinen Kellerabteilen. So viel (oder wenig) ist der fünfköpfigen Familie Röthlisberger nach dem verheerenden Brand geblieben. Oder hat sich bei ihnen seither wieder angesammelt. Am 30. Juni 2024, als ihr Wäschehäuschen Feuer fing und dieses auf ihr Haus mit Arztpraxis übergriff, hatten sie nicht viel mehr dabei als das, was sie mitten in der Nacht am Körper trugen.

«Die Hilfe ist enorm gross», sagte Silvia Röthlisberger am Tag danach (AZ vom 2.7.2024). Und noch immer sind sie und ihre Familie dankbar für die Unterstützung. Gross sei auch das Interesse am Haus, erzählt sie. Deshalb teilt sie regelmässig Bilder, die die Wiederherstellung ihrer privaten und beruflichen Existenz zeigen.

Zurück zu 1980?

Um 1980 machte die Familie Stierlin aus dem Bauernhaus ein Doktorhaus. Aussen liess sie den Putz entfernen und holte die Riegel hervor. Innen wurde vorgemauert mit einer Dämmung aus verschiedenen Materialien zum Mauerwerk hin. Vom Brand blieb diese Isolation weitgehend verschont. Jedoch lief sie mit Löschwasser voll, sodass sich innert kurzer Zeit an der Aussenwand Schimmel bildete.

Nach der Demontage des verkohlten Dachstuhls und der Errichtung eines Plastik-Notdachs wurde wegen der Feuchtigkeit sehr bald das Wohnhaus bis auf die Hülle zurückgebaut; die 1980 im ehemaligen Scheunenteil eingebaute Betondecke liess kein Wasser durch, die Arztpraxis dar­un­ter wurde trotzdem beschädigt und ist nun vorübergehend im Gemeindehaus Humlikon untergebracht.

Im Jahr 2050 zu bauen wie anno 1980 wäre Unsinn.

Schnell war für Röthlisbergers klar, dass sie ihr Zuhause inklusive Praxis wieder aufbauen wollen, und so wandten sie sich an Martin Schaub von der nahen Robert Schaub AG.

Für den Schaden durch das Feuer kommt die Gebäudeversicherung (GVZ) auf. Mit einem Aber. «Sie bezahlt die Wiederherstellung», sagt Martin Schaub. Also den Bauzustand, wie er 1980 errichtet worden war. Akribisch hielten Experten fest, was vom alten Gehölz und Gemäuer gerettet wurde und noch brauchbar ist, was ergänzt werden kann und was ersetzt werden muss. Das Haus steht zudem unter kommunalem Schutz. Das führt dazu, dass die angekohlte Balkenlage über dem Obergeschoss eine Verstärkung von jungem Holz erhalten hat, montiert noch unter dem Notdach und mit einem Seilzug heraufgezogen. Die Verbindung liegt nun verborgen zwischen Boden und Decke.

Für Martin Schaub ein Zielkonflikt, der zum Teil unter den involvierten Akteuren wie Bauherrschaft, Denkmalpflege und Versicherung auftreten könne und gelöst werden müsse. Auf Kosten der GVZ sanieren gehe zu Recht nicht, sagt er. «Aber im Jahr 2025 zu bauen wie anno 1980 wäre Unsinn.» Ebenfalls unklug wäre es, nicht gleich alle Fenster am Gebäude zu ersetzen und für Einheitlichkeit zu sorgen, auch wenn nur ein Teil durch den Brand beschädigt wurde und somit versichert ist.

Den Schaden hatte die GVZ in ihrem Jahresbericht 2024 auf einen mittleren sechsstelligen Betrag geschätzt – «viel zu tief», sind sich Martin Schaub und Silvia Röthlisberger einig – und auf Anfrage nun auf siebenstellig korrigiert. Trotzdem würden sie auf rund 15 Prozent der Kosten sitzen bleiben, sagt Silvia Röthlisberger. Und dies nicht nur, weil sie zusätzliche Fenster selber bezahlen und den Wandaufbau nach neuen Erkenntnissen erstellen lassen. Sondern auch, weil effektive Wiederaufbaukosten und versicherter Wert des Wäschehauses nicht übereinstimmen.

Es braucht viel, um einen Haushalt zu ersetzen.

Der Vorfall, tragisch für die Familie und eine Herausforderung für den Holzbauer, sei auch Augenöffner und mahne, bei der GVZ-Prämie nicht zu sparen, sagt Martin Schaub. Seine Lehre: Im Schadenfall kann die Summe nicht hoch genug sein. Er kennt jedoch die Überlegungen dahinter, die wohl die meisten Eigentümerinnen und Eigentümer anstellen: Der Schätzwert der GVZ bestimmt einerseits die zu bezahlende Prämie und beeinflusst andererseits den Eigenmietwert. Erstere fällt nicht sehr ins Gewicht, Letzterer schon.

1305 9 Röthlisberger2 Spa9
Die Balkenlage über dem zweiten Obergeschoss des Wohnteils ist zum Teil angekohlt und wurde nun mit neuem Gebälk verstärkt. Über der Praxis ist noch das Notpultdach zu sehen. | Roland Spalinger

Alles im Lot

Mittlerweile ist das Dach weitgehend neu eingedeckt, zehn Monate nach dem Ereignis. Der gewünschte Einzugstermin Ende Jahr ist somit möglich. Zum gleichen Zeitpunkt wird voraussichtlich auch die Praxis, die zusätzlich versichert ist, von Humlikon zurück an die Schlossgasse ziehen. Dass alles so früh möglich ist, liegt daran, dass die Firma Schaub vor Weihnachten und Schadenabschätzung in Vorleistung ging und das nötige Holz einschnitt und trocknen liess.

«Zimmermannskunst», schwärmt Silvia Röthlisberger über den neuen Dachstuhl und wie schnell dieser aufgerichtet war. Er wurde gebaut wie der alte, aber im Lot und fast ohne Schrauben, dafür mit 100 Eichendübeln (Zahlen siehe Box). Und der Raum bleibt leer oder ein Abstellplatz, ebenfalls wie vorher, jedoch mit Unterdach.

Bald nach dem Einzug werden sich dort Kartonkisten stapeln. «Es braucht viel, um einen Haushalt zu ersetzen», sagt Silvia Röthlisberger. Fotoalben, Lehrbücher und viele Erinnerungsstücke sind jedoch für immer weg.

Optimum statt Minimum

Silvia Röthlisberger schwärmt von der Zimmermannskunst. Martin Schaub spricht von schöner Zimmermannsarbeit. Während in heutiger Zeit oft das Minimum gefragt sei, sei es beim Wiederaufbau der Liegenschaft Röthlisberger ums Optimum und die Wiederherstellung des Bestandes gegangen. Für den Dachstuhl wurden 48 Kubikmeter Bauholz verwendet. Der mächtigste Bundbalken aus einem einzigen Stamm ist 48 Zentimeter hoch, 24 Zentimeter breit und 12,5 Meter lang. Dachstuhl und Unterdach waren in zweieinhalb Wochen montiert. Total wurden 71 Kubikmeter Bauholz verbaut sowie 800 Quadratmeter Nut- und Kammschalung und 100 Eichendübel mit 20 Millimetern Durchmesser.