Weinland

Die hilfreichste App: Unser Gehirn

Jugendliche sind oft und immer früher online. Stefan Wägeli von der Kantonspolizei Zürich und Sabrina Hansen vom Zen­trum Breitenstein erklären, wann die Nutzung problematisch wird und wo die Grenzen sind.

von Jasmine Beetschen
13. Februar 2024

Tiktok, Instagram, Youtube, Snapchat: Früher waren Snake, Walkman oder Kassettenrekorder beliebt, heute stehen Social-Media-Plattformen bei Jugendlichen hoch im Kurs. Soziale Netzwerke zählen zu den wichtigsten medialen Elementen ihres Alltags, wie eine kürzlich erschienene Studie der ZHAW bestätigt (siehe Kasten). Die Zeit verfliegt nur so, wenn man sich auf diesen Apps herumtreibt, und oft scheint alles rundherum in Vergessenheit zu geraten. Video um Video scrollt man durch die Flut an Filmchen, schickt sie im Gruppenchat umher oder zeigt sie den Freunden in der Schule.

Dabei lässt sich auf den gängigen Plattformen so gut wie alles finden, von süssen Katzenvideos über spannende Lifehacks bis hin zu leckeren Rezepten. «Pro Minute werden weltweit 70 Millionen Nachrichten hin und her geschickt. Darunter finden sich aber leider auch viele problematische Inhalte wie illegale Aufnahmen von Gewalt oder Pornografie», weiss Stefan Wägeli, Kantonspolizist und bei der Jugendintervention des Kantons Zürich tätig. Diese zu besitzen oder weiterzuleiten ist strafbar, was vor allem jungen Menschen selten bewusst ist. «Doch das Gesetz gilt auch im Internet, strafmündig ist man bereits ab zehn Jahren.»

Gemeinsam mit Sabrina Hansen, Mitarbeiterin des Zentrums Breitenstein gab Stefan Wägeli am Donnerstagabend im Rahmen eines Elternabends der Sekundarschule Andelfingen einen Einblick in die Welt der sozialen Medien, in deren Nutzung – und ins Strafgesetzbuch.

Balance macht den Unterschied
Als Erstes widmete sich die Gruppe den Fragen, wie Sucht überhaupt entsteht, und ab wann das Umfeld eingreifen sollte. Diese Frage stellen sich viele Eltern. «Solange eine gesunde Balance zwischen der Nutzung sozialer Medien, gamen und anderen, analogen Freizeit­aktivitäten besteht, gibt es keinen Grund zur Sorge», sagte Sabrina Hansen. Sobald aber Handyzeit, Youtube oder gamen beginnen, andere Aktivitäten aus dem Alltag zu verdrängen oder zu ersetzen, müsse man hinschauen.

Im Prinzip gehe es darum, die Risiko- und Schutzfaktoren auszubalancieren. Letztere seien beispielsweise eine realistische Selbstwahrnehmung, Stress- und Emotionsregulation, Problemlösefähigkeiten oder soziale Kompetenzen. «Wenn diese gestärkt werden, kann dies helfen, einer Sucht vorzubeugen. Bleiben Sie dafür mit Ihrem Kind in Kontakt.»

Medien hätten nicht nur negative Seiten, betonte die Sozialarbeiterin. Sie gäben einen privaten Raum, in dem sich Jugendliche finden und Rollen ausprobieren könnten, was in diesem Alter besonders wichtig sei. Weitere positive Aspekte seien der Austausch mit anderen, die Zugehörigkeit sowie der Zugang zu Musik, Informationen und Ähnlichem. «Das alles stärkt die Identitätsfindung und Eigenständigkeit, was ebenfalls wichtige Schutzfaktoren sind.»

Ein gesunder und legaler Umgang
Die Nutzung von sozialen Medien, Games, aber auch die Beschaffung von Informationen oder der Austausch unter Klassenkameraden geschehe oft zeitgleich übers Smartphone. «Da ist es schwierig, eine Grenze zu ziehen», so Sabrina Hansen. Sie empfehle, die Bildschirmzeiten gemeinsam mit dem Kind festzulegen. «Schliesslich muss die Balance stimmen. Als Orientierungsrahmen geben wir pro Woche etwa das Alter in Stunden, frühestens ab dem dritten Lebensjahr.» Es gehe darum, die analoge Welt mindestens genauso spannend zu gestalten wie die digitale, damit der Ausgleich bestehen bleibe. Offene Gespräche helfen, Grenzen gemeinsam zu setzen und im gesunden Bereich zu bleiben – auch online. Das sei ebenfalls das Ziel der Polizei, setzte Stefan Wägeli ein. «Jugendliche sollen wissen, wie sie sich gesund und vor allem legal im Internet bewegen können.» Denn sie sind online immer früher aktiv – und geraten dabei auch früher mit dem Gesetz in Konflikt: So sind insbesondere Teenager, die wegen Pornografie verzeigt werden, auffällig jung, wie ein Bericht der Zürcher Oberjugendanwaltschaft zeigt. Im Jahr 2022 zählte sie 245 Jugendliche, die wegen Pornografie verzeigt wurden. Durchschnittlich waren sie 13,5 Jahre alt.

In zwei von drei Fällen leiteten die Jugendlichen pornografisches Material wie Fotos, Videos oder Stickers weiter, etwa über die sozialen Medien oder in Klassenchats. Meist handelte es sich dabei gemäss Mitteilung um auch für Erwachsene verbotene Pornografie. «Alles, was mit Gewalt, Minderjährigen und Tieren zu tun hat, ist für alle illegal. Sei es der Besitz, das Verbreiten oder der Konsum davon», erklärt Stefan Wägeli.

Eigene Nacktbilder sind illegal
In jedem sechsten Fall hatten die Jugendlichen das Material selbst hergestellt. «Wenn du unter 18 bist, dann schicke keine Nacktbilder herum. Sie zeigen pornografische Inhalte mit Minderjährigen – auch wenn es du selbst bist.» Während es früher primär Mädchen waren, die sich auf Nachfrage selbst fotografiert oder gefilmt hatten, sind es mittlerweile in fünf von acht Fällen Jungs. Solche privaten Inhalte seien allgemein problematisch, denn das Internet vergesse nie. Nur zu oft gäben diese auch den Nährboden für Cyber-Mobbing. Dies geschehe vor allem über Social-Media-Plattformen. «Mobbing zu betreiben, ist keine Bagatelle und ebenfalls strafbar – Worte können verletzen, ob gesagt oder geschrieben», erklärte Stefan Wägeli den Anwesenden.

Zum Schluss verwies er auf eine besonders hilfreiche App, deren Nutzung er empfehle und die für alle zugänglich sei. «Unser Gehirn: Jeder von uns hat eines, und dessen Benutzung kann uns vor vielem beschützen», so der Polizist.

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Wie Jugendliche Medien konsumieren

Das Handy, das Internet, soziale Netzwerke und Musik sind die wichtigsten Komponenten des Medienalltags von Schweizer Jugendlichen. An einem durchschnittlichen Wochentag verbringen Jugendliche in ihrer Freizeit gemäss eigener Einschätzung rund 3 Stunden und 14 Minuten im Internet. Das ist über eine Stunde mehr als vor zwei Jahren. Am Wochenende ist die durchschnittliche Nutzungszeit auf fast 5 Stunden angestiegen. Dies zeigt die aktuelle James-Studie 2022 der ZHAW. Ein gros­ser Unterschied besteht in der Nutzung von Medien zwischen Mädchen und Jungen: Während lediglich jedes fünfte Mädchen regelmässig zockt, sind es bei den Jungen zwei von dreien. Ebenfalls verbringen Jungen häufiger Zeit mit dem Schauen von Videos im Internet. Gerade umgekehrt verhält es sich beim Erstellen digitaler Foto- und Videoaufnahmen. Bei den Mädchen ist dieser Anteil deutlich grösser als bei den Jungen. Auch lesen mehr Mädchen regelmäs­sig Bücher und E-Books, Jungen dafür öfter eine Gratiszeitung. (jbe)

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