Weinland

Die Sache mit den Hexen

Sie waren wieder los – die Narren. Und mit ihnen auch die Hexen. Und alle hatten augenscheinlich nur ein Ziel: mir ihre 500 Kilogramm Konfetti in den Nacken zu streuen. Ein Fazit mit Augen­zwinkern.

von Bettina Schmid
07. März 2023

Lindberghexen, Hölloch-Hexen, Funke Häxe – das sind drei von über 15, die ich am grossen Umzug Ende Februar in Winterthur gezählt habe. Auch am Sonntag in Andelfingen waren einige dabei. Und was machen diese Hexengruppen? Sie sprinten mit gemeinem Lachen zu einem hin oder schleichen sich leise von hinten an, reissen die Kapuze herunter und zack – schon ist der Überfall vorbei. Und das ahnungslose Opfer über und über voll mit kratzigem Konfetti. Auf mich scheinen sie es dieses Jahr ganz besonders abgesehen zu haben.

Schon wenige Minuten nach dem Start hatte ich kein Haargummi mehr – gestohlen von einer Hexe. Genüsslich leerte sie anschliessend Konfetti über mir aus und rieb sie in meine nun offenen Haare. Haben Sie schon mal probiert, die farbigen Papierschnitzel von Hand aus verstrubbelten Haaren zu klauben? Schwierig! Dennoch lachte ich – noch. Auch beim Angriff der nächsten Gruppe machte ich ein fröhliches Gesicht. Dieses Mal landete eine Handvoll der papierenen Munition in meinem Nacken und rieselte den Rücken hinab bis in die Unterwäsche. Schön. Nicht. «Haha, nun kommt sie schon wieder dran», hörte ich kurz dar­auf einen Mann hinter mir zu seinem Kollegen sagen. Und zack – Sie ahnen es, der nächste Angriff.

«Hüt chunsch drah»
Der Mann konnte danach noch vier weitere Male (!) lachen – ich nicht mehr. Seien wir mal ehrlich: Was bei den ersten beiden Malen vielleicht noch lustig war, verliert mit jeder Wiederholung an Reiz. Nicht nur, weils überall am Körper juckt. «Was mache ich bloss falsch?», fragte ich mich. Falscher Standort? Stört sie meine fehlende Verkleidung? Oder habe ich einfach Pech?

Und welche Motivation steckt eigentlich dahinter, bei einer solchen Hexengruppe mitzumachen? An Nachwuchs scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. So viele wie dieses Jahr sind mir noch nie an einem Umzug begegnet. Und auch Kinder laufen bei ihnen mit. Sind dies alles Sadisten? Auf der Website der Fasnachts-Gesellschaft Winterthur ist das Motto der Lindberghexen jedenfalls treffend angegeben mit «Hüt chunsch drah.» Oder möchten sie einfach, dass die Strasse wieder mal gründlich gereinigt wird? Allein die Lindberghexen werben auf ihrer Website damit, jede Fasnacht mit 500 Kilogramm Konfetti zu bereichern.

Wer zuletzt lacht …
«Eigentlich braucht es die Hexen gar nicht», überlegte ich leicht frustriert, als zur Abwechslung gerade mal eine Männergruppe mit ihrem fantasievollen und selbst gebauten Raumschiff an uns vorbeizog. Zumindest nicht in dieser Anzahl. Drei, vier Gruppen? Gerne. Sie gehören ja schon zur Fasnacht dazu, Kindheitserinnerungen und so. Aber alle anderen? Nein danke! Sollen sie mit ihren ewig-gleichen Kostümen doch an der Walpurgisnacht ums Feuer tanzen!

«Du warst sicher zum letzten Mal an einer Fasnacht», meinte der Mann hinter mir beim achten Angriff schadenfroh. Doch dieses Mal hatte er wohl zu laut gelacht – die Hexe, die mit hämischem Grinsen und einem vollen Konfettisack nur wenige Zentimeter vor mir stand (der Versuch, mich hinter meinen zugegeben noch kleinen Kindern zu verstecken, hatte offensichtlich nichts gebracht) und bereits zum Angriff ansetzte, hielt inne, streckte den Arm aus und leerte den Sack kurzerhand über ihm anstatt über mir aus. Nun konnte ich doch wieder lachen – trotz (oder müsste ich zugeben: dank?) der vielen Hexen. Und meine Kinder freuten sich über Zältli, die ihnen hingestreckt wurden.

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