Weinland

Ein Blindenhund aus Uhwiesen

Der schneeweisse Labrador Cody ist kein gewöhnliches Haustier. Bei Gemeindepräsident Serge Rohrbach und seiner Familie verbrachte er den ersten Teil seiner Ausbildung zum Blindenhund.

von Jasmine Beetschen
13. Oktober 2023

Während rund eineinhalb Jahren verwandelte sich das Zuhause von Familie Rohrbach in eine Ausbildungszone. Der schneeweisse Labrador Cody zog bei ihr ein, gerade einmal zehn Wochen alt. «Das war eine Herausforderung. Ein Welpe ist wie ein Kleinkind, man braucht viel Zeit und Geduld», erklärt Serge Rohrbach, Gemeindepräsident von Uhwiesen. Die Wohnung musste hundegerecht gemacht werden. Alles, was herumlag, musste auf eine bestimmte Höhe gelegt werden – «wie bei einem Kind, das lernt zu krabbeln.»

Der Familienzuwachs war jedoch nur für eine bestimmte Dauer – ein  Hund auf Zeit, sozusagen. Das war für Serge Rohrbach zuerst ein etwas fremdes Konzept. Doch seine Tochter Katharina überzeugte ihn schnell, als sie ihm erklärte, was es damit auf sich hat. «Unsere Kinder wollten schon immer einen Hund. Doch das hätte viel Arbeit bedeutet, was unsere reisefreudige Familie enorm eingeschränkt hätte», erinnert er sich. Damit sei das Thema vorerst gegessen gewesen.

Bis im Sommer 2021: Katharina Rohrbach kam mit der Idee, sich als Junghunde-Trainer-Familie zu bewerben. Dabei wird ein Hund von Privatpersonen aufgezogen, bevor er in die weitere Ausbildung zum Blindenhund einsteigt. Cody war also kein gewöhnliches Haustier. Schon früh lernte er verschiedene Hörzeichen und wurde von Serge und Katharina Rohrbach in unterschiedlichen Situationen getestet. «Es war spannend, ihn in unseren Alltag zu integrieren und mit ihm Aufgaben zu meistern. So waren wir beispielsweise am Lindlifest, er besuchte mit Katharina Vorlesungen an der Uni oder kam mit mir zu Kundenbesprechungen.»

Dass ein zukünftiger Blindenhund von klein auf mit solchen Situationen konfrontiert werde, sei das Ziel dieser Art der Ausbildung, erklärt Leonie Liechti. Sie arbeitet an der Blindenhundeschule Liestal, welche Cody nach Uhwiesen vermittelt hatte. «Die Tiere sollen den normalen Alltag kennenlernen. Später werden sie sich in eben so einem bewegen – nur zusätzlich als Unterstützung einer sehbehinderten oder blinden Person.»

Mit Leckerlis zum Erfolg
Die Hunde kommen im Alter von zehn bis zwölf Wochen zu ihrer Familie. Dort bleiben sie für rund eineinhalb Jahre und lernen das Hunde-Einmaleins. «Das Ziel: ein gut sozialisierter Hund, der die Basics gut beherrscht und weiss, wann er sich zu benehmen hat», so Leonie Liechti. Trainiert werde stets mit positiver Belohnung. «Und viel Geduld», sagt der Gemeindepräsident.

Das Lob mit Futter habe bei ihnen gut funktioniert, was bei einem Labrador aber auch nicht schwer gewesen sei. So hätten sie viele Erfolgsmomente erleben dürfen wie zum Beispiel, als Cody auf das Hörzeichen «Lampada» hin den gelben Knopf bei einer Rotlichtanlage betätigte und die Ampel in diesem Moment auf Grün schaltete. «Eine neben mir stehende Person war so beeindruckt, dass sie wie angewurzelt stehen blieb und dann fast bei Rot über die Strasse gegangen wäre», erinnert sich Serge Rohrbach.

Die Ausbildung habe aber auch viele Herausforderungen bereitgehalten und vor allem viel Zeit in Anspruch genommen. Die ausgewählten Hunde seien solche, die eigenständig denken würden, weiss Leonie Liechti. «Und das sind meist nicht die einfachsten.» Doch genau diese eignen sich am besten als Blindenhunde: Sie sind neugierig und mutig, aber doch bedacht genug, dass sie nicht kopflos vorpreschen.

Während ihrer gemeinsamen Zeit besuchen die Junghundetrainer mit ihren Schützlingen alle 14 Tage ein Spezialtraining, abwechselnd in Zürich oder in Liestal. Geübt wird das Verhalten im Strassenverkehr, der Wechsel in den «Arbeitsmodus» mittels Anziehen des Geschirrs oder die Gelassenheit in stressigen Situationen. «Die Kurse waren immer eine grossartige Herausforderung. Ich habe auch viel für mich selbst mitnehmen können», so Serge Rohrbach.

Stolz tröstet über Abschied hinweg
Am 6. März war es dann so weit: Cody hatte sich so gut entwickelt, dass er als geeignet eingestuft wurde und in die Fachausbildung durfte. Ab diesem Zeitpunkt wird ein Blindenhund von einem Instruktor betreut und während der nächsten rund acht Monate ausgebildet. «Dort lernt er, nach der Basis­ausbildung, die zusätzlichen blindenhundespezifischen Fähigkeiten.»

Nach einigen gesundheitlichen Checks und verschiedenen Prüfungen ist der Hund dann bereit, seinen zukünftigen Partner zu treffen. Auch Cody ist mittlerweile auf gutem Weg. Letzte Woche bestand er die Abschluss­prüfung. «Es ist eines der schönsten Gefühle überhaupt, zu sehen, wie ‹dein› Hund heranwächst und schon bald wertvolle Unterstützungsarbeit leisten wird», findet Leonie Liechti, die vor einiger Zeit ebenfalls als Junghundetrainerin die Hündin Aura begleitete.

Die Trennung nach der Junghundeausbildung sei dabei immer ein emotionales Erlebnis. Das spürte auch Serge Rohrbach. «Es war natürlich nicht leicht, doch während der Ausbildung hatten wir auch viel Kontakt mit Blinden. So wussten wir genau, wofür wir das Ganze taten, und der Stolz überwog schlussendlich.» Würde Katharina Rohrbach mittlerweile nicht im Tessin studieren, hätte die Familie bereits einen neuen Welpen aufgenommen. Als Junghundetrainer tätig zu sein, sei eine anspruchsvolle, aber vor allem eine sehr erfüllende Aufgabe. Er hoffe, dass noch mehr Leute sich für die Aufnahme eines Junghundes in Ausbildung entscheiden und damit nicht nur die Blindenhundeschule Liestal, sondern vor allem auch Menschen mit Sehbehinderung unterstützen würden.

Als Erinnerung an Cody bleibt der Stolz, dass dieser nun einer blinden oder sehbehinderten Person helfen und ein Teil von dessen Leben wird. «Und eine angeknabberte Fernbedienung, die zu Hause in Ehren gehalten wird», meint Serge Rohrbach lachend.

Mehr Achtsamkeit im Alltag

Am Sonntag, 15. Oktober, ist der internationale Tag des Weissen Stocks. An diesem wird zu mehr Achtsamkeit im öffentlichen Raum aufgerufen. Immer wieder erschwerten Hindernisse das selbständige Vorwärtskommen, schreibt  der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband. Menschen, die aufs Handy schauten, Gegenstände wie liegen gelassene E-Trottis oder nicht markierte Baustellen könnten für Sehbehinderte zur Gefahr werden. Daher gelte es, mehr acht zu geben, vor allem auch im Stras­senverkehr. Der Verband weist unter anderem auf das Vortrittsrecht hin: Wenn eine blinde oder sehbehinderte Person am Strassenrand ihren Stock hochhält, bedeutet das für die anderen Verkehrsteilnehmer, anzuhalten und ihr Vortritt zu gewähren. «Nicht winken, nicht hupen und nicht den Motor abstellen» gelte dabei als Merksatz, so die Mitteilung. Nur so könne eine sichere Umgebung für alle geschaffen werden. (jbe)

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