Weinland

Ein «Denkzettel» mit Folgen

Weil sie die Vögel in seinem Garten gejagt habe, sperrte der Beschuldigte eine Katze in einer Falle ein und schoss auf sie. Der Richter sprach ihn der mehrfachen Tierquälerei und Sachbeschädigung schuldig.

von Manuel Sackmann
18. Dezember 2020

Die Tat habe sich fast so zugetragen, wie in der Anklage geschildert, räumte der in Tschechien geborene, 75-jährige Beschuldigte am Mittwoch vor dem Bezirksgericht Andelfingen ein. Er habe die Katze aber nur erschrecken und sie keineswegs verletzen oder gar töten wollen. Von einem «Blödsinn», den er gemacht habe, sprach er. Dazu müsse er nun stehen.

Was war geschehen? Im Januar 2019 fasste der im Weinland lebende Rentner den Entschluss, etwas gegen eine rothaarige Katze zu unternehmen, die in seinem Garten Jagd auf die von ihm gefütterten Vögel gemacht habe. «Ich wollte ihr einen Denkzettel verpassen», so der Mann. Dazu stellte er eine Kastenfalle auf, versah sie mit Wurstware als Köder und platzierte sie im Garten. Am nächsten Morgen befand sich darin tatsächlich eine Katze, nicht aber die rothaarige, sondern eine dunkel getigerte. Trotzdem griff der Beschuldigte  zum Luftgewehr und schoss zweimal auf das wehrlose Tier – zunächst mit einer stumpfen Bleikugel, danach mit einem spitzen Federbolzen. Schliesslich öffnete er die Falle und überliess das schwer verletzte Tier seinem Schicksal.

Fast Parkinson
Ein geplantes Vorgehen bestritt der Beschuldigte indes. «Ich wollte die Katze mit dem Gartenschlauch abspritzen», sagte er. Als er aber gemerkt habe, dass der Wasserhahn im Winter abgestellt war, nahm er stattdessen das Luftgewehr. Es sei eine Kurzschlusshandlung gewesen. Ausserdem habe die Katze nach beiden Schüssen nicht reagiert, weshalb er davon ausgegangen sei, dass er nicht getroffen habe. Er habe ja auch «fast Parkinson» – zwar ohne Diagnose, aber dafür mit zahlreichen Medikamenten. Verletzungen habe er beim Öffnen der Falle keine gesehen. Und überhaupt habe er keine Erfahrung mit Luftgewehren und nicht gedacht, dass diese eine Katze schwer verletzen könnten.

«Das war aber eine lange Kurzschlusshandlung», entgegnete Gerichtspräsident Thomas Keller. Immerhin habe er schon am Vorabend extra eine Falle aufgestellt, um die Katze zu fangen. Irgendeine wohlgemerkt. Er habe keinerlei Vorkehrungen getroffen, um wirklich die rote Katze zu erwischen.

15 Schusswaffen zu Hause
Auch die Staatsanwaltschaft liess dem Be­schuldigten seine Behauptungen nicht durchgehen. Um eine Katze zu er­schrecken, gebe es zahlreiche andere, schonende Optionen wie Klatschen oder Rufen. Man hätte auch einen Eimer mit Wasser füllen können. Die Wirkung eines Luftgewehrs habe er sehr wohl gekannt. Wie sich zeigte, war der Beschuldigte lange Mitglied in einem Schützenverein. Bei der Hausdurchsuchung wurden zudem 15 Schusswaffen, Munition, Dolche und sogar ein Schalldämpfer gefunden. Auch das Luftgewehr befand sich schon seit 15 Jahren in seinem Besitz. Die Staatsanwaltschaft verlangte eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten.

Die Verteidigung erachtete die geforderte Strafe hingegen als «drakonisch». Angemessen sei eher eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Franken. Sie verwies dabei auf diverse ähnliche Gerichtsentscheide aus der Westschweiz, bei denen es ebenfalls um verletzte oder getötete Katzen ging. Vieles sei zudem nicht bewiesen. So sei nicht klar, wie lange die Katze wirklich gefangen gewesen sei, und ob alle Verletzungen wirklich von den Schüssen stammten. Denn das Tier sei nach der Freilassung noch gut eine Stunde unterwegs gewesen, bevor es gefunden worden sei. Die Strafe sei demzufolge zu reduzieren.

Gericht nimmt Tierschutz ernst
Der Richter war anderer Meinung. Er sei sich bewusst, dass das Tierschutzgesetz oft nicht ganz ernst genommen werde, erklärte Thomas Keller. «Das Bezirksgericht Andelfingen ist aber nicht bereit, bei dieser Verharmlosung mitzumachen.» Zwar habe der Beschuldigte die Tat grösstenteils gestanden, von ehrlicher Reue könne aber keine Rede sein. Stattdessen habe er nur unglaubwürdige Schutzbehauptungen geäussert.

Als schlimmsten Tatbestand erachtete das Gericht das Freilassen der Katze. «Sie hätten auch ein drittes Mal auf sie schiessen und sie von ihren Qualen erlösen können», so der Richter zum Beschuldigten. Stattdessen habe er sie ihrem fast sicheren Tod überlassen. Dass das Tier überlebt habe, sei Glück gewesen und nur der Tatsache zu verdanken, dass die Besitzerin es noch rechtzeitig gefunden und tierärztlich versorgen lassen habe. «Sie haben dazu nichts beigetragen!» Das Vorgehen mit der Falle nannte er «heimtückisch».

Der Beschuldigte wurde wegen mehrfacher Tierquälerei und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Zu zahlen hat der Rentner eine Busse von 3000 Franken. Hinzu kommen Gerichtsgebühren von über 16'000 Franken. Bereits geleistet hat der Mann eine zusätzliche Schadenersatzzahlung von etwa 11'000 Franken an die Klägerin. Der Vorfall sei nie eine Bagatelle gewesen, so der Richter. «Ich hoffe, dass Sie den Richterspruch ernst nehmen und nicht einfach ad acta legen.»

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