Weinland

Ein junger Habichtskauz wird flügge – und zieht nach Wien

Der Nachwuchs des Habichtskauzpaars der Greif­vogelstation geht heute auf grosse Reise. Er wird im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts in Wien in die Wildnis entlassen.

von Jasmine Beetschen
07. Juli 2023

Klappernd schlug der junge Habichtskauz mit den Flügeln, gluckerte und liess seinen Feind nicht aus den Augen. Ein Feind, das war für ihn gestern vor allem Andi Lischke, Leiter der Greif­vogelstation Berg am Irchel. Dieser holte das Jungtier aus seinem gewohnten Gehege, in welchem der Vogel am 3. April dieses Jahres geschlüpft war und seither mit seinen Eltern haust.

«Morgen steht eine grosse Reise bevor, darauf müssen wir den Vogel vorbereiten», so Andi Lischke, «auch wenn es ihm gerade nur mäs­sig gefällt.» Wie jedes Jahr bringt die Greifvogelstation ihren Habichtskauznachwuchs nach Österreich, um ihn dort im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts auszuwildern (AZ vom 2.7.2021).

Vor dem Transport müsse das Tier erst von seinen Eltern getrennt werden. Dabei sei Vorsicht geboten. «Grundsätzlich können die Eltern angreifen, erlebt habe ich das aber zum Glück noch nie», so Andi Lischke. Schimpfen und wildes Geflatter gehörten aber dazu, weshalb er beim Gang ins Gehege von Teamkollege Michael, ausgerüstet mit einem Fangnetz, Rückendeckung erhielt.

Sobald das Jungtier ausser Sicht- und Hörweite sei, habe sich das Thema für die ausgewachsenen Vögel jedoch erledigt. «Dann ist die Brutzeit offiziell beendet, da wird dem Nachwuchs auch nicht nachgetrauert.»

Mit 100 Tagen bereit für die Wildnis
Zum Zeitpunkt des Umzugs können die Tiere bereits fliegen und Futter erkennen. Ihr Jagdinstinkt hat sich aber noch nicht eingestellt. Das Jagen müsse nicht erlernt werden, der Trieb komme mit einem gewissen Alter von alleine. Sobald die jungen Habichtskäuze 90 bis 100 Tage alt sind, sind sie bereit für ihre Reise. Es sei wichtig, sie in diesem Zeitraum wegzugeben, sagte Andi Lischke, während er den Jungvogel behutsam wog und kurz abcheckte. «In diesem Alter beginnen sie, sich ihre Umgebung einzuprägen. Deshalb sollten sie dann schon in ihrem neuen Zuhause sein, ansonsten wird die Eingewöhnung schwierig bis unmöglich.»

Um den Vogel auch später noch wieder­erkennen zu können, wird er vom Greifvogelteam beringt. Auf dem Chip befindet sich eine Identifikationsnummer. So könne später im österreichischen Wald eine ausreichende Beobachtung und Gendurchmischung stattfinden, indem man die einzelnen Tiere an unterschiedlichen Orten positioniere.

Dank eines Sponsors können die Tiere im Privatflugzeug nach Wien geflogen werden. «Dafür sind wir enorm dankbar. Eine Autofahrt dauert rund 12 Stunden, was für die Vögel viel Stress bedeuten kann», erklärte Andi Lischke. Nach der Ankunft werden die Habichtskäuze zuerst für rund vier Wochen in einer Voliere gehalten, danach werden sie freigelassen.

Erfolgreiches Projekt für die Vielfalt
Seit 2009 wildern die Österreichische Vogelwarte und Vetmeduni Wien im Osten Österreichs Habichtskäuze aus, die in Menschenobhut geschlüpft sind. Die Greifvogelstation ist bereits seit 2016 beim Projekt dabei, insgesamt 18 Küken konnten schon den Weg nach Wien antreten. Dazu kommen weitere Tiere von 49 Brutpaaren aus insgesamt 32 Zoos und Zuchtstationen in sieben europäischen Ländern.

«Dieses Jahr sind es total zehn Habichtskäuze; jeweils vier vom Zoo Zürich und aus Italien sowie je einer aus Goldau und eben Berg am Irchel», erklärte der Vogelexperte. Ein einzelnes Küken sei eher die Ausnahme, in den letzten Jahren konnte die Station jeweils bis zu vier Junge liefern. «Die Legezahl ist jedoch von Jahr zu Jahr unterschiedlich, da gibt es keinen Trend oder ähnliches.»

Ungeachtet der Anzahl sei es erfreulich, dass die Station doch jedes Jahr Tiere liefern und so einen wichtigen Beitrag leisten könne, um das langfristige Überleben der neu aufgebauten Population zu sichern. «Es ist immer wieder schön, unsere Jungtiere ziehen zu lassen und zu wissen, dass sie nun in der österreichischen Wildnis herumflattern und es sich gutgehen lassen.»

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