Weinland

Ein Wasserrad im Paradies

Ein Wasserrad ist an sich nichts Spezielles. Das von Paul Mattmüller jedoch schon. Der 87-Jährige realisierte es ganz alleine und innerhalb von nur zwei Jahren. Am Mittwoch wurde es endlich an seinem Bestimmungsort eingesetzt.

von Jasmine Beetschen
28. August 2020

Ein starker Wind blies am Mittwochmorgen durch das Klostergut Paradies in Schlatt. Eine bunt gemischte Truppe von etwa 20 Personen stand im Hof des Klosters zusammen und schaute etwas besorgt, vor allem aber gespannt gen Himmel. Sie alle warteten auf das Eintreffen von Pilot Max Hagenbucher der CHS Central Helicopter Services AG. Denn er sollte das Lebenswerk des 87-jährigen Paul Mattmüller von Mar­tha­len nach Schlatt bringen: Ein aus Metall gefertigtes, glänzendes Wasserrad mit einem Durchmesser von rund vier Metern, das der Rentner selbst konstruiert hatte.

Bereits im Jahr 2018 plante Paul Mattmüller ein Rad für das Jubiläum der GF-Stiftung, die sich im Klostergut befindet. Es war jedoch zu klein. Nach einem weiteren Rad realisierte er dann das jetzi­ge – innerhalb von nur zwei Jahren. «Vor einigen Monaten meldete sich Paul Mattmüller bei mir. Ich dachte, er möchte mir die Pläne vorstellen, doch er präsentierte mir bereits das fertige Wasserrad», staunte Klostergutsleiterin Dorothea Walder. Es ist eine beeindruckende Leistung, die Paul Mattmüller, vor allem im Alter von 87 Jahren, vollbrachte. «Heute kommen solche Sachen aus dem 3D-Drucker, früher aus den Köpfen der Menschen», so Dorothea Walder.

Einen grossen Wunsch erfüllt
Schnell war der Stiftungsrat von dem Projekt überzeugt, und es konnte losgehen. «Innert kürzester Zeit fanden sich diverse Helfer und Helfershelfer», wie Paul Mattmüller gerührt erzählte. Robert Wanner unterstützte ihn bei der Konstruktion, half mit, die Verträge mit der GF-Stiftung aufzusetzen und den Rahmen der Möglichkeiten abzustecken.

Bei der Installation kamen weitere helfende Hände dazu: Da war Kundenmaurer Roland Schmid aus Mar­tha­len, der die Organisation des Projekts übernahm. «Paul Mattmüller kam auf mich zu und meinte, dass ich doch auch an einem Bach wohne und seine Faszination für Wasserräder deshalb bestimmt teilen würde», erzählte Roland Schmid. So war die Idee geboren, Paul Mattmüllers Wasserrad gemeinsam ins Paradies in Schlatt zu bringen.

Doch es musste schnell gehen, denn Paul Mattmüllers Gesundheitszustand nahm in den letzten Monaten unerwartet ab. «Wir wollten daher das Projekt so schnell wie möglich realisieren, damit er voll und ganz daran teilhaben konnte», erklärte Roland Schmid. Sogleich schaltete sich Ralph Hug, Leiter des Zen­trums für Pflege und Betreuung Weinland (ZPBW) in Mar­tha­len, ein. Er machte es sich zur Aufgabe, Paul Mattmüller vom Altersheim Maiengarten in Gündlikon, wo er zurzeit lebt, nach Schlatt zu bringen.

Nachdem das geklärt war, mobilisierte Roland Schmid rasch befreundete Handwerker wie Daniel Hinnen, ebenfalls aus Mar­tha­len, der die Schweisserarbeiten übernahm, und Zimmermann Thomas Frei aus Oerlingen. Dieser stellte den firmeneigenen Teleskopstapler und führte das Wasserrad in die Halterungen. «Wir kennen uns alle, und mit einer guten Vorbereitung konnten wir das Projekt schnell auf die Beine stellen», so Thomas Frei. Das habe viel Freude gemacht, vor allem mit dem Gedanken, Paul Mattmüller so einen grossen Wunsch erfüllen zu können. Zudem brachte es Abwechslung, denn alltäglich sei eine solche Arbeit definitiv nicht. Auch Chef­pilot Max Hagenbucher zeigte sich beeindruckt: «In meiner 8000 Flugstunden zählenden Karriere habe ich so etwas noch nie gemacht, das ist schon etwas Besonderes.»

Die Arbeiten stets im Blick
Nach der Landung mit dem Wasserrad ging es ruckzuck, jeder wusste, wo anpacken, befestigen, ausrichten. Flink und motiviert fixierten die Arbeiter das imposante Wasserrad in der Halterung, rundherum war es still, gebannt wurde jeder einzelne Arbeitsschritt verfolgt. Vor allem Paul Mattmüller liess die Arbeiten nicht aus den Augen, es war für ihn sichtlich eine Achterbahn der Gefühle. Endlich kam das Okay, und mithilfe einiger Wasserkübel kam das Wasserrad in Schwung. Erleichtertes Aufatmen und Beifall der Anwesenden. Paul Mattmüller nutzte die Gelegenheit sogleich, seinen Helfern mit einigen Tränchen in den Augen zu danken.

Auf die abschliessende Frage, wie es sich anfühle, das eigene Lebenswerk endlich in Aktion zu sehen, antwortete er: «Es sind viele Emotionen, vor allem aber Freude und Erleichterung.» Auch seine Frau Brigitte Mattmüller war gerührt: «Es ist unglaublich, wie viel Unterstützung er erhalten hat.» Mit einem gelösten Lachen fügte Paul Mattmüller hinzu: «Es wurde aber auch Zeit, ich habe schliesslich lange genug auf diesen Moment gewartet und freue mich jetzt, dass alles so gut geklappt hat.» Da war er nicht alleine, wie die zufrieden strahlenden Gesichter aller Anwesenden zeigten.

Video: Jasmine Beetschen

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