Weinland

Ein Weg für die Zukunft

Völlig unscheinbar liegt im Garten von Jessica Müller eine Neuheit in der Schweiz: ein Solarweg. Sie erklärt, wie dieser funktioniert und was die Vorteile ge­gen­über einer gewöhnlichen Photovoltaikanlage sind.

von Jasmine Beetschen
17. Februar 2023

«Unsere Erde gibt es nur einmal. Da lohnt es sich, sich für sie einzusetzen und Wege zu finden, sie instand zu halten», sagt Jessica Müller. Sie hat einen solchen Weg gefunden – buchstäblich. Denn in ihrem Garten in Buch am Irchel ist der erste Solarweg der Schweiz verlegt. Dieser besteht aus einzelnen Solarbodenplatten, «Platio» genannt, die zusammengefügt wie eine klassische PV-Anlage funktionieren und den Haushalt mit Strom versorgen. Pro Quadratmeter, der aus acht Platten besteht, können je nach Glasart maximal 168 bis 173 Wattpeak Strom generiert werden. «Im Sommer wurde unser Haushalt zu 60 bis 70 Prozent nur über unseren Solarweg versorgt – das ist beeindruckend», findet Jessica Müller.

Als Generalimporteurin ist die 33-Jährige mit dem Produkt, welches ihr Vater als einer der Ersten in Ungarn und Deutschland vertreibt, eine Vorreiterin. «Bisher ist der Solarweg noch völlig unbekannt bei uns hier», erklärt sie. Das sei schade. «Es gibt so viele Alternativen zu den üblichen PV-Anlagen. Auch solche, die für Mietwohnungen infrage kommen oder sich für Gemeinden eignen.» Letztere hätten mit ihren Dorfplätzen, Gehwegen und Begegnungsorten zahlreiche freie Flächen, die so noch mehr genutzt werden könnten.

Vom Flieger in die Solarbranche
Um die Technologie auch auf dem Schweizer Markt zu verbreiten und möglichst viele Leute zu erreichen, hat sie im Januar 2022 eine eigene Firma gegründet. «Nach der Geburt des zweiten Kindes suchte ich eine neue Herausforderung, der ich als frischgebackene Mutter nachgehen kann», so Jessica Müller. Zuvor war sie bei der Swiss als Maître de Cabine angestellt. «Der Flieger war meine Bühne.»

Ausbilden lassen hatte sie sich nämlich ursprünglich zur Musicaldarstellerin, Sängerin und Schauspielerin. Dank ihrer Matura mit BWL-Schwerpunkt sowie diversen Weiterbildungen fühlt sie sich aber mittlerweile in der Welt der Photovoltaik zu Hause und hat sich als Geschäftsführerin vollständig auf Solarlösungen spezialisiert. «Es ist wichtiger denn je, sich mit umweltschonenden Alternativen auseinanderzusetzen und etwas zu bewegen. Vor allem die jüngeren Generationen sind hier gefragt», ist sie überzeugt.

Ihr Solarweg, den sie und ihr Mann im letzten Mai im eigenen Garten verlegt haben, versorgt nicht nur ihren Vier-Personen-Haushalt zusätzlich mit Strom, sondern dient zudem als Referenzfläche. Im Dorf ist er bereits bekannt. «Während des Siedlungsfests kamen schon einige vorbei und warfen einen Blick darauf», erzählt Jessica Müller. Viele seien überrascht gewesen, wie unscheinbar die Platten sich in die Umgebung einfügten.

Nachhaltigkeit als Hauptziel
Das sei ein grosser Vorteil der «Platio», denn durch ihre Unauffälligkeit würden sie von Vermietern oder der Denkmalpflege eher akzeptiert als Dachanlagen. Ein Solarweg sei zwar im Einkaufspreis fast dreimal so teuer wie eine gewöhnliche PV-Dachanlage, dafür habe man zwei Produkte in einem, die Anlage und einen Bodenbelag.

Zudem sei die Installation relativ simpel und im Vergleich günstiger. «Man kann sie einfach montieren und wieder demontieren, sie zusammensetzen, wie man möchte – fast wie bei Ikea», sagt sie lachend. Die Elemente seien zudem zu fast 95 Prozent recycelbar, würden grösstenteils in Ungarn produziert, und ihre Lebensdauer liege bei weit über 50 Jahren. «Das macht das Ganze noch grüner und nachhaltiger», findet Jessica Müller.

Die Platten sind begeh- und befahrbar, halten bis zu zwei Tonnen Radlast aus. Ausserdem können sie individuell platziert werden, ob als Weg, Umrandung eines Sitzplatzes oder bei Verbindungsstrecken zwischen Parzellen.

Das Ganze wird über eine App gesteuert, in der man jederzeit sehen kann, wie viel Strom produziert und verbraucht wird, wann die Peakzeiten sind und vieles mehr. Durch diese App habe sich auch ihr Konsumverhalten verändert, erzählt sie. «Es ist spannend, wie schnell man sich daran orientiert und gewisse Gewohnheiten anpasst.» Mittlerweile achte sie bei der Planung vom Waschen auf Stromreserven oder habe auch schon mal die Kochzeit entsprechend etwas angepasst, damit die Familie möglichst autark vom eigenen Strom profitieren könne.

Um einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt in einem neueren Haus zu versorgen, brauche es etwa 15 bis 20 Quadratmeter Solarweg, damit sich das Ganze rentiere. «Aber auch schon ein paar wenige Platten sind ein Gewinn für die Umwelt», sagt Jessica Müller.

Schlussendlich sei es nicht unbedingt relevant, auf welche Art und Weise man etwas tue, sondern nur, dass man etwas mache. «Ich glaube, es ist wichtig, zu erkennen, dass auch das scheinbar Unscheinbare viel bewirken und nicht nur das Sichtbare einen Unterschied machen kann», erklärt sie. Sei es ein kleiner Solarweg oder jeder Mensch auf dieser Erde.

Mehr Infos

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite