Weinland

Eine Ära geht zu Ende

Nach über 40 Jahren an der Primarschule Dachsen wird Käthi Furrer heute Freitag pensioniert. Die Noch-Schulleiterin über Reformfreude, Teamarbeit und weshalb der Ruhestand in ihrem Fall nicht nur heisst, sich zur Ruhe zu setzen.

von Bettina Schmid
16. Juli 2021

Käthi Furrer, Sie empfangen mich hier in ihrem ehemaligen Wohnzimmer. Wie kam es dazu?
Käthi Furrer: Ja, das stimmt. 14 Jahre lang, von 1984 bis 1998, lebte ich mit meinem Partner in einer schönen Vierzimmerwohnung hier im Schulhaus. Das gefiel mir sehr gut, und ich genoss den Luxus, zum Arbeiten nur einen Stock tiefer gehen zu müssen. Dann erlebte Dachsen einen regelrechten Boom. Es wurde viel gebaut, und die Schülerzahlen stiegen rasant an, weshalb die Räumlichkeiten fortan für den Unterricht gebraucht wurden – wir zogen ins damals neue Hindergartenquartier. Als dann die geleitete Schule kam, entstanden in der ehemaligen Lehrerwohnung Büros, und ich durfte als Schulleiterin wieder in mein altes Wohnzimmer zurückkehren.

Nun verlassen Sie die Schule nach 42 Jahren. Wie fühlen Sie sich?
Ich hatte fast ein Jahr Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass mein Berufsleben zu Ende geht. Ich bin einerseits etwas wehmütig und weiss, dass ich vieles vermissen werde, vor allem das Team, die Schulpflege und natürlich auch die Kinder. Andererseits freue ich mich auch auf die vermehrte Freizeit und darauf, mehr Kapazitäten für meine Hobbys wie das Fotografieren und für meine anderen Engagements zu haben. Mein Alltag an der Schule war meistens sehr durchgetaktet. Nun kommt eine Zeit, in der ich alles etwas freier und selbstbestimmter einteilen kann.

Sie sprechen Ihre Engagements an. Sie sind seit Längerem politisch tätig als Co-Präsidentin der SP Weinland und bei Klar Schweiz. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich werde weiterhin politisch aktiv bleiben und meine Vereinsämter vorläufig beibehalten. Aus dem schulischen Leben trete ich aber komplett zurück, gerade habe ich auch meine Zusammenarbeit mit der pädagogischen Hochschule Schaffhausen abgegeben, auch wenn mir das sehr gefallen hat. Meiner Nachfolgerin stehe ich natürlich gerne noch zur Verfügung, wenn sie Fragen hat. Aber sie wird es auch ohne mich bestens schaffen.

Sie haben 1979 Ihre erste Stelle an der Primarschule Dachsen angetreten, als Primarlehrerin. Später, im Jahr 2003, sind Sie Schulleiterin geworden. Was hat sich in dieser Zeit an der Schule verändert?
Sie kamen vorhin an den Klassenräumen vorbei in mein Büro. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass die Türen alle offen standen. Das ist heute üblich, früher war das anders. Die offenen Türen widerspiegeln eine der Veränderungen, die sich an den Schulen vollzogen hat: Sie haben sich geöffnet. Nach innen, aber auch nach aussen. Die Eltern werden heute aktiv miteinbezogen, können mitwirken und sind nicht nur am Ende eines Schuljahres – wie früher beim Examen – in der Schule. Als ich direkt nach der Ausbildung meine erste Stelle hier in Dachsen antrat, wurden gerade erst die Elternabende eingeführt. Seither hat sich so vieles getan. So zum Beispiel die Möglichkeit für Lehrpersonen, im Tandem, also Teilzeit, zu arbeiten. Oder dass sich das Verständnis durchgesetzt hat, möglichst alle Kinder in die Klassen zu integrieren.

Sie erlebten in Ihrer Zeit als Schulleiterin mehrere Reformen. Sie sagen, die Schule habe sich geöffnet, auch der Lehrplan ist neu, und anstelle von Lernzielen sind Kompetenzen getreten. Der Lehrerberuf ist, so sagen viele, herausfordernder geworden. War es früher besser?
Es stimmt, die Volksschule war und ist sehr reformfreudig, es hat sich vieles grundlegend verändert, und die Anforderungen an die Lehrpersonen sind massiv gestiegen. Ich habe die meisten Reformen – so etwa den Schub in den Nullerjahren mit dem völlig erneuerten Volksschulgesetz – aber aus Überzeugung unterstützt, auch später die Einführung des Lehrplans 21. Die Gesellschaft verändert sich, und die Schule ist ihr Spiegelbild. Stehenbleiben ist deshalb keine Option, die Schule muss sich weiterentwickeln.

Was bedeutete die Umsetzung der Reformen für die Schule selber?
Sie bedeuteten einen riesigen Mehraufwand, welcher nebst der normalen Arbeit bewältigt werden musste. Da waren Leitbilder und Schulprogramme, die es zu schreiben galt, Weiterbildungen, welche jede Lehrperson besuchen musste, und so weiter.
Die Reformen im Volksschulgesetz zum Beispiel waren in einer Anzahl Ordner der Bildungsdirektion dokumentiert. Diese hatten eine Gesamtlänge von über einem Meter, alles wollte beackert sein. Wir machten viele Überstunden, hatten aber auch viel Freude.
Als wir die Reformen abgeschlossen hatten, bekamen wir ein goldfarbenes «Zertifikat», ein Gratulationsschreiben vom Volksschulamt, wir hatten es geschafft! Das erfüllte uns mit Zufriedenheit und auch ein bisschen Stolz. Ich habe besondere Aufgaben an der Schule geliebt.

Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin Kathrin Weingartner mit auf den Weg?
Ihr konkrete Ratschläge zu geben, steht mir nicht zu. Sie wird ihre eigene Art haben, die Schule zu leiten, so wie es sein muss. Was ich versucht habe, in den Übergabegesprächen zu vermitteln, war: Schau gut auf das Team. Seine Mitglieder sind die wichtigste Ressource der Schule, und wenn sie sich wohlfühlen und die Rahmenbedingungen stimmen, geht es auch den Schülerinnen und Schülern gut. Kathrin wusste das sicher schon vorher. Trotzdem darf man auch wieder einmal aussprechen, was einem wichtig ist. Jedenfalls habe ich viel Zeit für «meine» Teammitglieder aufgewendet. Ich habe Gespräche geführt, bei Problemen Lösungen gesucht und eine offene Kommunikation gepflegt. Und ich glaube, das hat sich bewährt. Wir haben an der Primarschule Dachsen viele langjährige Mitarbeitende, einige sind wie ich seit Jahrzehnten dabei. Und diese Kontinuität sowie die gute Durchmischung in Bezug auf Alter und Geschlecht sind Gold wert. Auch die Zusammenarbeit mit der Schulpflege war einfach toll, sie hat mich immer unterstützt, wir zogen am gleichen Strang. Wir alle hatten und haben das gleiche Ziel: Wir wollen, dass dieses Schulhaus ein Ort ist, an dem die Kinder gut lernen und aufwachsen können. Bei einem grossen Teil meiner Arbeit stand das Wohl der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund. Und das wird auch bei Kathrin Weingartner so sein.

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