Weinland

Endlich Erstklässlerin

Gestern Montag startete im Kanton Zürich die Schule wieder. Mit dabei: meine Tochter, die als «Neu-Erstklässlerin» feierlich in den Kreis der Schülerschaft aufgenommen wurde. Ein Einblick in diesen für Familien wichtigen Tag.

von Bettina Schmid
23. August 2022

Ich gehe im Kopf Punkt für Punkt meiner imaginären To-do-Liste durch. Kinder: haben sich dem Wetter entsprechend angezogen. Morgenessen: steht auf dem Tisch. Znüni: gemacht und eingepackt (ein gesunder, wohlgemerkt). Theks: stehen bereit. Inhalt: Turnsack mit Sportkleidern, Hallenschuhe, Arbeitsheft, Etui … Doch Moment: Wo steckt bloss die Elternpost-Mappe? Diese hat meine Tochter vor den Ferien bei ihrem kurzen Besuch in ihrem künftigen Klassenzimmer von ihrer Lehrerin erhalten – und muss sie am ersten Schultag, also heute, wieder mitbringen.

Hektisch suche ich um 7 Uhr morgens das Büchergestell in unserem Arbeitszimmer ab. Und ärgere mich über mich selbst. Weshalb ist mir dies nicht zuvor schon aufgefallen? Schliesslich haben wir bereits in der letzten Ferienwoche die Theks gepackt, damit dann ja auch alles stressfrei abläuft am ersten Schultag. Ein guter Vorsatz, der in der Realität aber häufig nicht ganz klappt, sind an diesem Tag doch meistens alle nervös und aufgeregt.

Vorfreude auf alles
Wobei, wenn ich mir dies recht überlege, bin es vor allem ich. Meine Tochter scheint ziemlich entspannt zu sein, in freudiger Erwartung, was der Tag heute wohl bringen wird.

Tatsächlich fiebert sie dem Schulstart bereits seit Wochen entgegen und hat in den letzten fünf Ferienwochen jeden Sonntag ein Sugus aus dem Säckchen gegessen, das ihre Kindergärtnerinnen ihr zum Abschied geschenkt haben. Wenn sie das letzte nimmt, dann startet die Schule. Endlich ist sie keine Kindergärtlerin mehr, sondern eine Erstklässlerin. «Auf was freust du dich am meisten?», frage ich sie. «Weiss nicht», so die Antwort. «Auf Rechnen, Schreiben, Lesen, Hausaufgaben, deine Klassenkameradinnen?», versuche ich ihr zu helfen. «Auf alles.»

Aha. Ich freue mich für sie und frage mich insgeheim, wie lange diese Begeisterung für «alles» anhalten wird. Wobei, an die Unterstufe habe ich selbst fast ausschliesslich positive Erinnerungen. Ich bin gerne hingegangen. Wird dies bei ihr auch so sein? Ich hoffe es, und die Vorzeichen stehen schon mal gut. Auch wenn sie für mich gefühlt erst gerade noch ein Kleinkind war: Sie ist bereit. Interessiert sich für Buchstaben, Bücher, Zahlen und fragt mir zu allerlei Themen Löcher in den Bauch. Ihre Lehrerinnen seien wunderbar, wird mir zudem von verschiedenen Seiten berichtet. Auch einige Freundinnen hat sie bereits in der Klasse, der Schulweg bleibt derselbe wie im Kindergarten. Also alles paletti, weshalb nervös sein?

Die Sache mit der Sentimentalität
Es ist wohl vor allem eine emotionale Geschichte: Beide meiner Sprösslinge sind nun Schulkinder, der Sohn in der dritten, die Tochter in der ersten Klasse. Mir wird klar, wie schnell die Zeit vergeht. Immer wieder heisst es beim Leben mit Kindern, von etwas Abschied zu nehmen, loszulassen und im Idealfall voller Vertrauen in etwas Neues zu starten: das letzte Mal stillen, das letzte Mal in den Schlaf tragen, das letzte Mal beim Einschlafen begleiten, das erste Mal bei den Grosseltern übernachten, das erste Mal Kita oder Spielgruppe, das erste Mal Kindergarten, der erste Schultag … kein Wunder, wird man da sentimental.

Und so stehe ich nun um exakt 8.15 Uhr im Eingangsbereich des Primarschulhauses Henggart, verdrücke gerührt ein paar Tränchen, beobachte meine Tochter, wie sie stolz mit ihrem Thek (und nun doch etwas nervös) inmitten 30 anderer Erstklässlerinnen und Erstklässler mit einer Sonnenblume in der Hand vor den rund 200 Zweit- bis Sechstklässlern steht und von ihnen feierlich mit Liedern in den Kreis der Schülerschaft aufgenommen wird.

Ach ja, auch die Elternpost-Mappe ist übrigens noch rechtzeitig zum Vorschein gekommen … Sie hatte sich in der Hektik des Morgens und eigentlich gut sichtbar in einem Nebenfach des Theks versteckt.

Stoppen für Schulkinder

Für eine Rekordzahl von über 157'500 Kindern und Jugendlichen begann gestern Montag das neue Schuljahr an der öffentlichen Volksschule des Kantons Zürich. 15'300 starten mit dem Eintritt in den Kindergarten ihre Schullaufbahn. Schon bald werden sie den Schulweg alleine zurücklegen. Dieser ist ein wichtiger Erlebnis-, Lern- und Sozialisationsort. Er macht Kinder selbständiger, fördert die Bewegung und leistet einen Beitrag zur allgemeinen Entwicklung. Gleichzeitig sind Kinder Lernende im Verkehr. Und beim Lernen geschehen Fehler. Um Kinderunfälle auf dem Schulweg zu vermeiden, macht der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) auf folgende Regeln für Autofahrer aufmerksam:

- Verlangsamen Sie nicht nur, sondern stoppen Sie Ihr Fahrzeug immer ganz, wenn ein Kind die Strasse überqueren möchte. Denn sie lernen von der Polizei, erst hinüberzugehen, wenn die Räder stillstehen.

- Fahren Sie vorausschauend und langsam, wenn mit Kindern im Stras­senraum gerechnet werden muss.

- Verzichten Sie auf Handzeichen, damit sich das Kind auf den übrigen Verkehr konzentrieren kann.

- Geben Sie dem Kind die nötige Zeit und bleiben Sie so lange stehen, bis es die Strasse überquert hat. (bsc)

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