Weinland

Fasziniert von den «magischen» Glühwürmchen

Jedes Jahr kürt Pro Natura ein Tier des Jahres. 2019 ist es das Glühwürmchen. Der Leuchtkäfer, wie es korrekt heisst, hat es dem Zoologen Ingo Rieger angetan. Er engagiert sich in einem Verein, der sich ausschlies­s­lich diesen Tieren widmet.

von Cindy Ziegler
11. Januar 2019

Das Glühwürmchen wurde von Pro Natura zum Tier des Jahres 2019 gewählt (siehe Kasten). Das Insekt bietet ein magisches Naturschauspiel, wenn es im Sommer auf Partnersuche geht. Die Glühwürmchen-Weibchen leuchten grünlich, um die Männchen anzulocken. Nüchtern betrachtet verschwindet diese Magie jedoch schnell. Denn Glühwürmchen sind gar keine Würmchen, sondern Käfer, die tagsüber eher unscheinbar wirken.

Für den Dachsemer Zoologen Ingo Rieger (kleines Bild) sind die Insekten trotzdem faszinierend. Entdeckt hat er sie zufällig. In einer Sommernacht war er mit einem Fledermausdetektor unterwegs, um nach den fliegenden Säugetieren Ausschau zu halten. Plötzlich setzte sich ein Käfer auf das Gerät, das grünlich leuchtet. Für Ingo Rieger war sofort klar, dass es sich um ein Männchen des Grossen Leuchtkäfers handeln musste, der seinen Detektor fälschlicherweise für ein Weibchen seiner Art hielt. «Da hat es mich schon ein bisschen gekitzelt», sagt er. Denn über die Tiere war wenig bekannt, Forschungen darüber existierten kaum.

Noch lange nicht ausgeforscht
Manchmal, so Ingo Rieger, sei er ab sich selber baff, dass er sich überhaupt mit einem Insekt beschäftigt. Früher galt sein Interesse vorwiegend Säugetieren und Vögeln. Doch die Glühwürmchen haben es ihm angetan. Er ist im Vorstand des Vereins «Glühwürmchen Projekt». «Eine Fangruppe aus 20 bis 30 Freaks, die sich für Leuchtkäfer interessieren», beschreibt er es. Mit Kollegen organisiert er Tagungen und Ausstellungen zum Thema. Mit dem Ziel, dass die Glühwürmchen Freude machen und strahlende Augen hinterlassen. «Es gibt heute noch viele Phänomene bei den Leuchtkäfern, die mich grübeln lassen», sagt der Experte. Ausgeforscht seien die Tiere noch lange nicht.

Was man weiss, ist, dass das Leben der Insekten lange nicht so feenhaft ist, wie ihr Paarungsritual vermuten lässt. Zwei Jahre ihres kurzen Lebens verbringen die Käfer als Larven. Um sich zu ernähren, jagen sie Schnecken, die sie innerhalb eines Tages ganz auffressen.

Im dritten Jahr verpuppen sich die Insekten und schlüpfen als erwachsene Glühwürmchen. Sofort beginnen die Weibchen der Art Grosser Leuchtkäfer zu leuchten (bei den Kleinen Leuchtkäfern, die beispielsweise im Waldfriedhof Schaffhausen leben, leuchten auch die flugfähigen Männchen). Das Licht am Hinterteil der Käfer entsteht durch eine biochemische Reaktion. Die Männchen sind mit gros­sen Augen ausgerüstet und überfliegen das Terrain, um möglichst rasch ein paarungsfähiges, leuchtendes Weibchen zu finden.

Nur von Luft und Liebe
Denn die Zeit drängt: Die erwachsenen Tiere fressen nämlich nichts mehr. Sie leben sprichwörtlich von Luft und Liebe. Wer sich innerhalb von 10 (bis 20) Tagen nicht paaren kann, stirbt ohne Nachkommen. Das Weibchen legt noch die Eier ab, bevor es sich ebenfalls verabschiedet.

Das Leben der Glühwürmchen ist nicht ganz so magisch wie ihr Paarungsritual. Das ist jedoch sehenswert. Dafür ist jedoch noch etwas Geduld gefragt. Die Leuchtkäfer-Weibchen leuchten zwischen Mai und September (einige bis Oktober). Sie verstecken sich gerne an dunklen Stellen, an Wald- und Wegrändern, an Böschungen, in der Nähe von Riedwiesen und anderen Feuchtgebieten oder in alten Park- und Gartenanlagen.

Mehr Bilder sowie Info­material sind unter www.gluehwuermchen.ch zu finden.

Tier des Jahres

Seit 1998 kürt Pro Natura das «Tier des Jahres». Damit will die Naturschutzorganisation laut Website die Liebe zur Natur fördern und das Verständnis für den Naturschutz stärken. Das «Tier des Jahres» stehe im Rampenlicht und soll die Situation der jeweiligen Art, aber auch aktuelle Naturschutzprobleme und -erfolge der breiten Öffentlichkeit aufzeigen, heisst es weiter.

So auch das Glühwürmchen. Mit der Wahl zum «Tier des Jahres» will Pro Natura das Licht auf den «Zerfall der Wunderwelt der Insekten» werfen. Laut der Organisation seien die Leuchtkäfer in der Schweiz zwar noch weit verbreitet, der schrumpfende Lebensraum und die steigende Lichtverschmutzung würden jedoch auch ihnen zusetzen. Zoologe Ingo Rieger sagt, es gehe dem Glühwürmchen noch gut – im Gegensatz zu anderen Insekten, die vom Aussterben bedroht sind. (ciz)

(Video: Radim Schreiber/Firefly Experience)

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