Weinland

Gentleman und böser Bube

Cyrill Landolt hat ein Faible für spezielle Gefährte – ob mit Motor oder ohne. Eines seiner liebsten Stücke ist ein massgefertigtes Hochrad.

von Cindy Ziegler
19. Juli 2019

Ein ungewöhnlicher Anblick ist es, wenn Cyrill Landolt auf seinem Hochrad durchs Weinland tourt. Einen aus­sergewöhnlichen Ausblick hat auch der Fahrer, wenn er hoch zu Sattel unterwegs ist. «Ich sehe über so manchen Gartenzaun, der eigentlich als Sichtschutz dient», sagt der Oerlinger mit einem Augenzwinkern. Ganz so ernst nimmt er auch sich selber nicht. Oft, wenn er Fahrten mit dem Hochrad unternimmt, zieht er sich entsprechend an – inklusive Zylinder, Leinenhemd und Weste.

Er habe sich schon lange für ein solches Rad interessiert, sagt Cyrill Landolt. Daraufhin habe er im Internet nach einem Hochrad gesucht, wurde aber nicht fündig. «Die meisten alten Räder waren viel zu teuer oder ziemlich kaputt.» Beim Style Ride in Zürich, einer Lustfahrt für Velos und Menschen, hatte er einen Fahrer mit Hochrad entdeckt. Dieser erzählte ihm von einer Firma in Tschechien, die diese Drahtesel auf Mass fertigt. Cyrill Landolt bestellte eines und wartete 1,5 Jahre auf das Einzelstück.

Lieber rund als eckig
Ihm gefällt, dass das Rad, obwohl neu, authentisch aussieht. Und der geschwungene Rahmen. Diesen haben die Produzenten extra für ihn angepasst. «Ich mag runde Formen lieber als eckige», sagt Cyrill Landolt. Das sei nicht nur beim Hochrad so, sondern auch bei den anderen speziellen Gefährten, die er in seiner Garage stehen hat. Darunter alte Autos und Töffs  – vorzugsweise aus den 50er- und 60er-Jahren, als die eckigen Formen noch nicht modern waren.

An den Oldtimern mag Cyrill Landolt das Verruchte und das Image der bösen Buben, die solche Fahrzeuge fuhren. Den Fahrlehrer interessiert zudem das Mechanische, besonders bei den Autos. «Man muss beispielsweise noch richtig schalten, der Gang fällt nicht einfach rein.»

Ganz anders ist der Oldtimer-Liebhaber mit dem Hochrad unterwegs – Gentleman statt böser Bube. Gemein haben alle seiner Sammlerstücke, dass sie einen nicht nur von A nach B bringen. «Solche Fahrzeuge fährt man wegen dem Fahrgefühl», sagt Cyrill Landolt. Er geniesse auf dem Hochrad die Ruhe und die gemütliche Geschwindigkeit, mit der er dann unterwegs ist.

Nur ein Gang
Weniger gemütlich ist, dass das Hochrad nur einen Gang besitzt. Nach einer spontanen Velotour durchs Weinland habe sich schon oft Muskelkater bemerkbar gemacht. Bei seiner ersten Fahrt mit dem speziellen Gefährt vor etwa fünf Jahren am Style Ride durch die Stadt Zürich sei er ins Schwitzen gekommen: 16 Kilometer über Kopfsteinpflaster und Tramgleise und zwischen Touristengruppen hindurch. «Alle wollten ein Foto vom Rad machen.» Auch das Auf- und Absteigen musste Cyrill Landolt erst üben. Das sei das Schwerste am Hochradfahren (siehe Kasten).

Wieder in den Sattel schwingen wird sich Cyrill Landolt am nächsten Style Ride am 17. August in Zürich. Neben seinem Hochrad werden dort allerhand spezielle Velos zu sehen sein – alte, neue und Eigenkreationen. Der Oerlinger jedenfalls wird auf seinem neuen, alten Drahtesel unterwegs sein – ganz Gentleman wieder mit Zylinder und Weste.

Besser bei Unebenheiten – aber gefährlich


Hochräder waren im späten 19. Jahrhundert populär. Erfunden wurden sie ursprünglich, um durch die gros­sen Räder den Bodenunebenheiten der nicht geteerten Strassen zu trotzen. Mit der Erfindung der Lufträder endete die Ära der Hochräder jedoch abrupt. Ruhigere Fahrten waren so auch mit kleineren Rädern möglich.

Denn eigentlich hat das Hochrad viele Nachteile im Vergleich mit dem normalen Velo mit gleich grossen Rädern; Das Auf- und Absteigen muss gut geübt werden. Die Unfallgefahr ist grös­ser, und auch die Folgen eines Sturzes sind, wegen der grossen Fallhöhe, schwerwiegender. Trotzdem galt das Hochrad früher – besonders in Grossbritannien – als beliebtes Sportgerät und Statussymbol wohlhabender Männer. Heute sind Hochräder Liebhaberobjekte und haben nur noch in Sammlerkreisen Bedeutung. (ciz)

Weinland Mobil

Über die Sommerzeit stellt die «Andelfinger Zeitung» aussergewöhnliche Gefährte und die Geschichten dahinter vor. «Gentleman und böser Bube» ist der zweite Beitrag der Serie.

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite