Weinland

Gruselgeschichte mit wahrem Hintergrund

Die Sekschüler der Klasse 2 A/B haben mit der Autorin Johanna Lier ein Buch geschrieben. Als Inspiration diente ihnen eine wahre, schaurige Geschichte, die sich vor fast 200 Jahren in Wildensbuch abspielte.

von Cindy Ziegler
22. März 2019

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten, heisst es in einem Sprichwort. Für ihr Buch, das die Schülerinnen und Schüler der Klasse 2 A/B der Sek Mar­thalen mit Autorin Johanna Lier geschrieben haben, orientieren sie sich denn auch an einer wahren Begebenheit – derjenigen der Margaretha Peter aus Wildensbuch (siehe Kasten). Aber: Sowohl die Geschichte von Margaretha als auch diejenige, von der die «Liebesfalle» handelt, sind weniger schön, dafür umso gruseliger.

Geschrieben haben die Sekschüler das Buch im Jungen Literaturlabor Zürich (JULL) im Rahmen des Projektes Reformationsnovellen. Dieses stehe im Kontext zu 500 Jahren Zürcher Reformation, so Schriftsteller und Journalist Richard Reich, der das Labor mit Gerda Wurzenberger leitet. «Das JULL hat fünf besondere Persönlichkeiten aus der Reformationsgeschichte ausgewählt – darunter die berühmt-berüchtigte Sektenführerin Margaretha Peter aus Wildensbuch.» Ihre Geschichte habe der Klasse als Inspiration für ihren eigenen Roman gedient. Die «Heilige» aus dem Weinland sei ein Beispiel dafür, dass die Zürcher Reformation nicht nur eine einzige gros­se Bewegung war. «Neben den Reformatoren Zwingli und Bullinger gab es viele andere Persönlichkeiten, die ihre eigenen Reformpläne verfolgten», so Richard Reich.

Mit Unterstützung der Schreibtrainerin Johanna Lier entwickelten die Jugendlichen eine eigene Novelle. Die Aufgabe der Schriftstellerin war es, die Textteile der Jugendlichen zu einer stimmigen Geschichte zu verweben. «Bei der Entstehung gab es Meinungsunterschiede und Abstimmungen, weil die Schüler natürlich mitreden wollten», so Richard Reich. Dieser Kampf um die richtige Story sei aber genau der Sinn des Projektes. Nachdem fertig geschrieben war, gab es zwei Auftrittstrainings und die grosse Schlusslesung in Kappel am Albis mit den anderen vier Klassen aus dem Kanton, die ebenfalls eine Reformationsgeschichte geschrieben haben.

Jeder Schüler ist erkennbar
Klassenlehrer Roman Bernath ist stolz auf das Resultat – eine gemeinsame Geschichte. Den Weg dahin hat er hautnah miterlebt. Es sei faszinierend, dass aus 16 verschiedenen Meinungen ein Buch geworden ist. «Ich erkenne jeden meiner Schüler wieder», sagt er.

Worum es im Roman der Jugendlichen genau geht, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: Sie spielt in der nahen Zukunft und nicht in der Vergangenheit. Und doch gibt es Parallelen zur Geschichte von Margaretha Peter. Sie spielt ebenfalls in Wildensbuch, es fliesst Blut und sie lässt einen mit Gefühlen wie Angst, Abscheu und auch ein wenig Wahnsinn zurück.

Das Buch «Die Liebesfalle» kann beim JULL (office@jull.ch) oder in jeder Buchhandlung bestellt werden. 116 Seiten, 15 Franken. ISBN 978-3-905976-73-1

«Greuelscenen» von Wildensbuch
Im Jahr 1823 erlangte Wildensbuch tragische Berühmtheit, als ein sektiererischer Zirkel in einem Blutbad gipfelte. Hauptperson dieser wahren Geschichte ist Margaretha Peter. Ende 1817, mit 23 Jahren, galt die Bauerntochter bereits als Heilige. Sie unternahm Reisen und traf sich mit religiös «Erleuchteten» und «Erweckten», heisst es in dem im Dezember 1823 gedruckten Büchlein zu den «Greuelscenen». Im Januar desselben Jahres gebar Margaretha Peter eine Tochter, die sie mit dem verheirateten Jakob Morf zeugte. Nach der Niederkunft kehrte sie nach Wildensbuch zurück.

Sie verhielt sich unauffällig bis am 12. März. Die Nachbarn des Hauses Peter vernahmen an diesem Tag ein von «Beilen, Äxten und Hämmern herumrührendes Gepolter» sowie laute Aufforderungen zum Gebet, Schimpfworte und Wehklagen. Zwei Tage später versammelte Margaretha Peter erneut die Personen und erklärte, dass der Tag gekommen sei, dass zur Rettung vieler Seelen Blut fliessen müsse. Sie befahl den Anwesenden, sich mit den Fäusten auf die Brust zu schlagen. Mit der Hilfe der anderen schlug Margaretha Peter ihre Schwester Elisabeth zu Tode. Sie selber blutete ebenfalls schon stark. Auf ihr Geheiss verpasste ihr ihre Anhängerin Ursula Kündig mit einem Rasiermesser einen Kreuzschnitt über die Stirn und einen Kreisschnitt um den Hals. Danach liess sie sich kreuzigen.

Als die Auferstehung der beiden Toten ausblieb, hatte der Spuk ein Ende. Die beteiligten Personen wurden mit 6 Monaten bis 16 Jahren Zuchthaus bestraft. (az)

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