Weinland

«Harmlose Schadenfreude» kommt an

Yves Keller ist Radiomoderator und Comedian. Und gehört bei den diesjährigen Swiss Comedy Awards in der Sparte Online zu den Finalistinnen und Finalisten. Die Nominierung ist für ihn eine absolute Überraschung.

von Jasmine Beetschen
09. September 2022

Scherzanrufe sind wohl fast so alt wie es Telefone überhaupt schon gibt. Und doch haben sie bis heute ihren Reiz nicht verloren. Verstehen tut das Yves Keller aus Uhwiesen nicht wirklich. Der Radiomoderator und Comedian dachte immer, solche Streiche seien mittlerweile ausgelutscht. Seine Hörerinnen und Hörer belehrten ihn aber eines Besseren, als er aus aktuellem Anlass einen solchen Anruf tätigte, «einen notabene saumässig plumpen sogar», erinnert er sich. Aber dieser sei extrem gut angekommen, er sei von positiven Rückmeldungen überschwemmt worden. «Anscheinend doch noch nicht vorbei, solche Streiche», merkt er lachend an.

Dass sich daraus aber das Format «Chällerfon» entwickeln würde, das nun bereits seit rund zehn Jahren erfolgreich auf verschiedenen Radiosendern läuft und mit dem er nun bei den Swiss Comedy Awards fürs Finale nominiert wurde, damit hätte er trotzdem nicht gerechnet. Beim «Chällerfon» ruft er zufällig oder auf Auftrag hin bei Personen an und verwickelt sie in teils absurd witzige Geschichten, wobei er sie gekonnt hinters Licht führt.

So behauptete er schon, er stecke bereits über eine Stunde im Solarium fest, er habe sich mit Holzleimwachs die Augenbrauen gewachst und klebe am WC-Rand fest, oder er habe zum Stricken Wolle von seinem Schaf abzuschneiden versucht. Immer versehen mit passenden Special Effects wie einem mähenden Schaf im Hintergrund. Zum Ende hin löst Yves Keller jeweils die Situation auf. «Mein Ziel ist immer auch, dass die andere Person am Telefon am Ende selber lachen kann», sagt er.

Gute Telefonpartner sind Gold wert
Aber was ist das Erfolgsrezept hinter diesen Anrufen? «Es ist, glaube ich, wirklich die Schadenfreude, die bei den Leuten zieht», so der 37-Jährige. «Aber eine harmlose: Wenn es am anderen Ende des Telefons nur noch kichert, dann hast du einfach gewonnen – beim Angerufenen wie auch bei den Zuhörerinnen und Zuhörern.»

Das Ganze stehe und falle sowieso immer mit der Person am anderen Ende der Leitung. Wenn diese zu lachen begännen, dann laufe es einfach. Solche «Opfer» seien Gold wert. Es gebe natürlich auch immer wieder Situationen, in denen er den Leuten auf den Schlips trete. Da löse er die Situation dann aber rechtzeitig auf.

«Einfach nur andere Leute hässig machen, ist nicht mein Ziel. Da muss man auch ein bisschen ein Gespür dafür entwickeln, was die andere Person aushalten mag und wann der Zeitpunkt kommt, das Ganze zu beenden», erklärt Yves Keller.

Bei solchen Scherzanrufen sei zudem die Vorbereitung etwas vom Wichtigsten. «Du musst einen Plan haben, mögliche Antworten sowie Erwiderungen darauf bereits im Voraus überlegen», sagt der Comedian. Und immer noch eine Schippe drauflegen können. «Nur so kann die Geschichte zum absoluten Lacher werden und allen mindestens zwei freudige Minüteli bereiten.»

«Comedy ist vor allem beobachten»
Seine Ideen für die Sketche nehme er vor allem aus dem Alltag. «Wenn ich im Jumbo durch die Regale laufe oder eine Tafel auf dem Feld eines Selbstpflückhofs sehe, kommt mir schnell der Gedanke: ‹Lässt sich daraus nicht etwas Lustiges machen?›», erzählt er. Anregungen erhalte er ausserdem von Leuten, die ihn mit einem Anruf sozusagen beauftragen. «Da kann ich dann auch etwas blöder tun, da ich von den Freunden das Okay bekomme», sagt er augenzwinkernd.

Mittlerweile ist Yves Keller weniger am Radiopult, sondern vielmehr mit seinem Comedyprogramm auf Bühnen unterwegs. Aber wie kommt man dazu, Comedian zu werden? «Ich sage oft, mangels Alternativen», erklärt er mit einem Lachen. «Nein, das hat sich eigentlich einfach so ergeben.»

Er sei schon immer extrovertiert und kreativ gewesen, das liege in der Familie. «Mein Grossvater schrieb früher Lustspiele, machte Dorftheater, wenn man so will. Vielleicht habe ich da etwas mitgenommen», meint Yves Keller, der in Schaffhausen aufgewachsen ist. «Aber ob ich schon immer ein besonders witziger Mensch gewesen bin, weiss ich nicht. Ich würde sagen, wenn du Comedians privat triffst, sind die selten lustig», ergänzt er schmunzelnd. «Aber ich denke, Comedian sein bedeutet vor allem viel beobachten, aufschreiben und daran arbeiten.»

Eine Weile lang habe er dann beides gemacht, abends Auftritte bis in die Nacht hinein und am Morgen dann die Morgenshow beim FM1. «Da war ich auch noch etwas jünger», sagt er mit einem Lachen. «Das wurde mir dann aber zu viel.» Deshalb mache er nun mehrheitlich Comedy. «Andersrum hätte ich mich den Rest meines Lebens gefragt: ‹was wäre gewesen, wenn …?›»

Das Format «Chällerfon» beim Radio habe er aber trotzdem nicht aufgegeben. Mit diesem ist er nun in der Sparte Online bei den Swiss Comedy Awards nominiert. Das Finale kann morgen live auf SRF1 mitverfolgt werden, das Online-Voting lief bis Mittwoch. «Warum ich da nominiert wurde, kann ich mir nicht wirklich erklären», meint Yves Keller und zuckt mit den Schultern. Diese Ratlosigkeit zeigt er auch in seinem Nominationsvideo, in welchem er seine Teilnahme auf die Schippe nimmt. «Aber du machst doch nur irgendwelche Scherzanrufe? Und das reicht?», wird er im Video gefragt. «Joooo», meint er daraufhin nur mit einem ansteckenden Grinsen. «Keine Ahnung, was da falsch gelaufen ist, aber ich freue mich auf jeden Fall sehr darüber.»

Überwältigende Feedbacks
Das Schönste seien vor allem die vielen persönlichen Nachrichten auf die Nomination hin gewesen. «Ich bin nicht der, der gerne um Stimmen ‹bettelt›. Ich bin der, der anderen etwas zum Lachen gibt und nicht von ihnen etwas verlangt», erklärt Yves Keller. «Sonst hast du einfach Likes oder Markierungen. Die sind auch schön, aber so persönliche Nachrichten sind doch etwas ganz anderes. Das berührt.»

Allzu hohe Gewinnchancen rechnet er sich aber nicht aus. «Die meisten der anderen im Finale haben zehnmal mehr Followers in den sozialen Medien als ich. Aber wer weiss, wenn alle, die das Chällerfon mögen, dafür abgestimmt und noch den Turnverein und das Grosi motiviert haben, mitzumachen, kann vieles passieren.» Es werde auf jeden Fall ein glattes Fest, ob mit oder ohne Sieg.

An der Show selbst wird er aber trotz Nominierung nicht teilnehmen können. «Statt in Züri-City stehe ich am Samstag in Schaan (FL) auf der Bühne. Aber für die Aftershowparty bin ich dann sicher wieder zurück und werde dann einfach diese noch geniessen und mit den anderen feiern», so Yves Keller. Das sei auf alle Fälle auch schon ein Erlebnis, das bestimmt in Erinnerung bleiben werde.

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