Weinland

Heimatgefühle im Guggenbus

Ein altes Saurer-Postauto dient der Guggenmusik Spectaculus Flaachtal als rollendes Transportmittel. Mit viel Aufwand und Liebe unterhalten sie den Plauschbus – und fühlen sich darin wie zu Hause.

von Bettina Schmid
26. Juli 2019

250 PS, 39 Sitzplätze plus ein Chauffeur, mehrere Tische mit Getränkehaltern, ein Bartisch und eine voll funktionsfähige Musikanlage: Der Plauschbus der «Spekis», wie sich die Mitglieder der Gugge Spectaculus Flaachtal selbst nennen, hat einiges zu bieten. Seit 1998, als eine Untergruppe der Spekis den ehemaligen Linienbus der Postautobetriebe aus Gelterkinden kaufte und umbaute, fahren sie den Saurer RH 580-25 mit Baujahr 1983. Seither haben sie viel mit ihm erlebt.

So zum Beispiel, als sie wieder einmal unterwegs waren und an einer Bushaltestelle eine alte Frau meinte, es sei der normale Linienbus – an das erschrockene Gesicht, als sie ausschliesslich bemalte Gesichter und verkleidete Gestalten im Bus erblickte, erinnert sich der Kassier und Busverantwortliche Roger Walder heute noch lachend. Oder der Vorfall, als sie an einem Maskenball in Domat/Ems auftraten, die ansässige Gugge anschliessend zu ihnen in den Plauschbus kam und bis zum frühen Morgen weiterfeierte, anstatt die Halle aufzuräumen, wie es eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre.

Viel Freude und viel Arbeit
Der Bus sei allgemein bei fremden Guggen, welche in der Regel kein eigenes Gefährt besitzen und deshalb einen Car mieten, sehr beliebt, erzählt Roger Walder. «Wir haben nach unseren Auftritten immer wieder Besuch und lassen die Nacht in unserem Bus bei Musik, Trank und guten Gesprächen ausklingen.» Auch für die Spekis selber hat das 36-jährige Gefährt eine spezielle Bedeutung: Das Wetter am Umzug könne noch so schlecht sein, die Stimmung innerhalb der Gruppe noch so angespannt – kaum seien sie in ihrem Bus, sei alles wieder in Ordnung. «Für den Zusammenhalt ist er Gold wert, hier fühlen wir uns daheim.» Zudem können sie darin auch einfach mal sein, ohne auf jedes Konfetti achten zu müssen, das auf den Boden falle. Dank zwei voneinander unabhängigen Batterien ist es möglich, auch im stehenden Bus die Beleuchtung eingeschaltet zu lassen und Musik zu hören. Ist die eine Batterie leer, schaltet man einfach den zweiten Batteriestrang für den Start des Motors hinzu.

Neben Spass und Freude bedeutet ein eigener Oldtimer-Bus aber vor allem auch eines: viel Arbeit und Aufwand. Immer wieder fällt etwas aus und muss repariert werden. Die kleineren Sachen kann Roger Walder, der zusammen mit zwei anderen Mitgliedern der guggeninternen Busgruppe für das ehemalige Postauto verantwortlich ist, inzwischen selber beheben. So nehmen sie auf den Fahrten immer eine kleine Mechanikerausrüstung mit, denn schon mehrmals sei währenddessen etwas kaputt gegangen oder Warnsignale hätten aufgeleuchtet. Eine Auto­mechaniker-Ausbildung habe er nicht, sagt der gelernte Informatiker. In den letzten Jahren habe er sich aber ein relativ breites Wissen aneignen können, da er bei den grösseren Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Garage immer dabei gewesen sei und mitgeholfen habe. Mehrere Tage pro Jahr wendet der 37-Jährige dafür auf.

Aufwendige Ersatzteilsuche
Nun, im Juli, ist es wieder so weit, und die nächsten grösseren Reparaturen stehen an. «Dieses Mal wechseln wir unter anderem den Wärmetauscher, die Ölleitungen und die Kofferraumdämpfer, zudem möchten wir endlich glänzende Felgen haben.» In den letzten Jahren wurde unter anderem das Chassis repariert, ein neuer Kühler und eine neue Luftpumpe eingebaut und die Bremsanlage erneuert.

Der Unterhalt des älteren Saurers sei nicht immer einfach und häufig mit Kosten verbunden, so Roger Walder. Viele Ersatzteile sind heutzutage nicht mehr erhältlich und müssen von Fachleuten nachgebaut werden. Zum Glück gibt es eine weltweite Saurer-Community im Internet, welche sich bei technischen Problemstellungen gegenseitig unterstützt und mit Rat und Tat zur Seite steht. «Pech ist, wenn man der erste ist, der das jeweilige technische Problem hat», so Roger Walder. Dann müsse in mühsamer Recherchearbeit zuerst jemand gesucht werden, der das fehlende Ersatzteil nachkonstruieren und anfertigen kann, teilweise von Hand.

Plauschbus zum Mieten
Auch wenn ein altes Fahrzeug wie der Saurer RH 580-25 aus dem Jahr 1983 einiges an Aufwand mit sich bringt, so bietet er doch auch Vorteile. So wie im Winter 2005, als die Spekis in Bozen am Euro-Carneval waren und elf Cars in einer Reihe vor der Halle standen. In alle wurde eingebrochen, ausser in den Plauschbus Flaachtal. Er sei den Einbrechern wohl einfach zu alt gewesen, schmunzelt Roger Walder.

Wie werden die doch immer wiederkehrenden Ausgaben für den Unterhalt finanziert? Roger Walder: «Einerseits durch Spenden, andererseits durch Werbeflächen auf dem Bus oder durch Mieteinnahmen.» Denn ausserhalb der Fasnachtssaison kann der Plauschbus gegen eine Aufwandsentschädigung gemietet werden – inklusive der gesamten Ausrüstung, aber exklusive des Chauffeurs, den müssen die Mietenden selber mitbringen.

Weitere Informationen:
www.spectaculus.ch/vermietung

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Über die Sommerzeit stellt die «Andelfinger Zeitung» aus­sergewöhnliche Gefährte und die Geschichten dahinter vor. «Heimatgefühle im Guggenbus» ist der vierte Beitrag der Serie.

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