Weinland

Kantine statt Kabine

Die «Kreuzstrasse» ist jetzt auch eine Betriebskantine. LKW-Fahrer, die auf dem Parkplatz übernachten, können etwas Warmes essen. Dieser Lösung ging ein «langer Kampf» voraus, wie es beim Chauffeurenverband heisst.

von Evelyne Haymoz
09. Februar 2021

Schinken, Käse und Brot führe er immer mit, sagt Chauffeur Bruno Haldimann. Während des Lockdowns fülle er seinen Kühlschrank im Lastwagen aber noch etwas mehr. Denn am frühen Montagmorgen verlässt er sein Zuhause im Bernbiet und kehrt erst am Freitagabend dahin zurück. Dazwischen beliefert er Kunden und fährt Kilometer um Kilometer – vorbei an geschlossenen Raststätten und Restaurants. Die Problematik für die LKW-Fahrer lässt sich wie folgt zusam­men­fassen: Kein warmes Essen unterwegs, weder Klo noch Dusche.

Doch seit etwas mehr als zwei Wochen gibt es dafür eine Lösung namens «Betriebskantine». Chauffeure, die unterwegs übernachten, können sich in ausgewählten Restaurants verpflegen lassen. Nach «langem Kampf» sei es «Les Routiers Suisses» gelungen, mit dem Bundesamt für Gesundheit ein Kantinenkonzept für Chauffeure zu erarbeiten, heisst es auf der Website des Verbands. «Es braucht einen Ort, wo sie sich hinsetzen, etwas Warmes essen und zur Ruhe kommen können», sagt David Piras, Geschäftsführer des Verbands.

Schweizweit machen 56 Gastrobetriebe an der Aktion mit, im Kanton Zürich sind es fünf. Darunter auch die Humliker «Kreuzstrasse» neben der A4 und der Hauptstrasse H15. Sie bietet an zwei Abenden pro Woche eine warme Mahlzeit und die Dusche an.

Aus Tradition
«Wir sind ein Lastwagenrestaurant mit Tradition», sagt Wirtin Ursula Huber-Frei. Sie hoffe, bald wieder einen Znüni-, Mittag- und Abendservice anbieten zu dürfen. Die Betriebskantine trage sie aus Solidarität mit, es sei ihr Beitrag, «um gemeinsam durch die Krise zu kommen». Einige nutzen das Take-away-Angebot und essen in der Führerkabine, andere setzen sich ins Lokal. Pro Abend werde die Kantine von bis zu einem halben Dutzend Gästen genutzt, sagt sie.

David Piras nennt einen weiteren aktuellen Brennpunkt: das Fehlen sanitärer Einrichtungen. «Jemand, der unterwegs ist, muss halt auch unterwegs», sagt er.

Die Kabine eines LKWs dient zwar gleichzeitig als Arbeitsplatz und Schlafnische, eine Dusche oder ein WC finden sich darin aber nicht. Die Wege, die zur Erleichterung führen, reichen denn auch von ordentlich bis zu unkonventionell und vom geheizten WC-Container mit Wasseranschluss bis zum Säckli oder einem Abstecher in den Wald. Betriebskantinen sind auch in dieser Hinsicht hilfreich.

Kalter Kaffee
Für die beiden Gäste in der «Kreuzstras­se» drängt sich diese Frage nicht auf. Sie erzählen davon, von wo sie am Morgen losgefahren seien (beide aus Deutschland), wohin sie am nächsten Tag fahren werden (Luzern und Frauenfeld) und was sie mitführen (Blumenerde und Schweinefleisch).

Trotz Plexiglasscheibe auf dem Tisch kommt ein Gespräch zustande, auch die Serviceangestellte beteiligt sich daran. Die Betriebskantine vermittelt neben einer warmen Mahlzeit ebenso  Gastfreundschaft in der kontaktarmen Zeit. Denn bei niedrigen Temperaturen bevorzugen es viele Chauffeure, den Abend im geheizten Fahrerhaus zu verbringen, anstatt auf dem Parkplatz vor dem Camion zu stehen.

«Trotz der Einschränkungen, die Corona mit sich bringt, kann ich noch immer das tun, was ich am liebsten mache: fahren», sagt der Berner. Nach der Nacht in der Kabine wird er um 5 Uhr aufstehen. «Frühstück brauche ich nicht. Mit einem Kafi am Morgen läuft mein Motor», sagt er. Selbst wenn es das Getränk noch weitere Wochen oft nur in gekühlter Form geben wird.

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