Weinland

Keine einsamen Herzen am Jahrmarkt

Der Club der einsamen Herzen öffnet seine legendäre Kellerbar am Jahrmarkt nach 31 Jahren zum letzten Mal.

von Tizian Schöni
08. November 2022

Wenn der Jahrmarkt in Andelfingen um sieben endet, ist manch ein Besucher noch lange nicht in Aufbruchlaune. Lieber möchte er das Magenbrot noch mit einem Bierchen hinunterspülen. Die erste Adresse dafür ist heuer noch zum letzten Mal der «Clubkeller» der einsamen Herzen. «Wenn du abends am Jahrmarkt unterwegs warst, fandest du zu fünft nirgends mehr Platz», fasst Dany Hermann die Situation in den Neunzigerjahren zusammen. Die Beizen waren einfach zu gut besucht, aus­serdem habe es keine richtige Bar gegeben, erinnert sich der Präsident des Clubs. Kurzerhand entschied man sich, selbst eine auf die Beine zu stellen.

Erfolgsrezept Bar
«Der Keller ist immer gut gelaufen, wir hatten regelmässig DJs und einmal sogar Live-Musik», sagt Dany Hermann. Die Umsätze seien in den letzten zehn Jahren dennoch etwas zurückgegangen. Das könne am zunehmend wärmeren Novemberwetter, aber auch an der 2005 eingeführten Promillegrenze liegen. Der Grund, weshalb der Verein die Bar künftig nicht mehr betreibt, ist dennoch ein anderer. Die «einsamen Herzen» sind längst nicht mehr einsam und nicht mehr die Jüngsten. Zudem sei der Barbetrieb mit nur elf Mitgliedern im Club sehr anstrengend. «Wir dachten schon vor drei Jahren ans Aufhören. Aber dann kam Corona, der Jahrmarkt wurde zweimal abgesagt. Und ein letztes Mal wollten wir die Bar unbedingt noch führen», sagt Dany Hermann.

Seit über 30 Jahren am Jahrmarkt
1991 richteten die Clubmitglieder zum ersten Mal eine Bar ein. Diese war ursprünglich im «Volg-Keller» unter dem alten Gaststall des «Löwen» (Obermühlenstrasse 12) untergebracht. Rund zehn Jahre bewirteten die «einsamen Herzen» dort ihre Gäste, dann war ein Umzug fällig. Denn der alte Keller war sicherheitstechnisch nicht mehr tragbar. «Der einzige Zugang erfolgte über eine lotterige Holztreppe», erinnert sich Dany Hermann. Ausserdem sei das Kellergewölbe langsam marode geworden.

Umbauten für den neuen Standort
So kam 2003 der Wechsel an die Thurtalstrasse (AZ vom 7.11. 2003). Was die Sicherheit anbelangte, waren die Feiernden nun in allen Belangen bestens aufgehoben: Die neuen Räumlichkeiten liegen bis heute genau unter dem Polizeiposten. Der neue Keller war jedoch neueren Baujahres, weshalb das charakteristische Gewölbe fehlte.

Kurzerhand bauten die einsamen Herzen eine Rundung in die Decke ein, um den Charme der alten Lokalität beibehalten zu können. «Der Auf- und Abbau war für uns schon immer ein Highlight», sagt Dany Hermann. Dort habe man Zeit miteinander verbracht. Während des Barbetriebs selbst sei man dauernd am «seckle». «Es bleibt wenig Zeit für ein Bier unter Freunden.»

Wie weiter mit dem Clubkeller?
«Wir haben aktiv nach einer Nachfolgeorganisation gesucht», berichtet Dany Hermann. Verschiedene Vereine und Gruppierungen seien angefragt worden, und einige hätten durchaus ihr Interesse kundgetan. Allerdings sei unklar, wie es auf Seiten der Gemeinde mit der Liegenschaft weitergehe.

Das Erfolgskonzept Clubkeller steht und fällt mit dem Standort, ist Dany Hermann überzeugt. Ausserhalb der Marktgassen bleibe das Publikum aus. Und ein weiterer infrage kommen­der Standort käme ihm nicht in den Sinn.

Eines ist klar: Mit der Kellerbar geht eine Institution des Jahrmarkts verloren. Das bekräftigen jüngere und ältere Stimmen aus der Region. Der Freundeskreis vom «Club der einsamen Herzen» bleibt trotzdem zusammen: Das Vereinsleben umfasst durchaus mehr als das für die Öffentlichkeit gut sichtbare Engagement am Andelfinger Jahrmarkt (siehe Kasten).

Hinweise zu einer Nachfolgelösung für die Kellerbar werden von der AZ entgegen genommen: redaktion@andelfinger.ch.

Die Geschichte des Vereins

Der «Club der einsamen Herzen» wurde 1984 von Dany Hermann, Andy Waespi, Noldi Sigg, Jürg Schmidli, Andi Uhr und Christian Bucher gegründet, «um sich nach der Sekundarschule nicht aus den Augen zu verlieren», berichtet Dany Hermann. Seinen Namen hat der Verein erhalten, weil damals nur einer der Jungen bereits eine Freundin hatte. Die anderen fühlten sich als «einsame Herzen». Dazugekommen sind im Laufe der Jahre noch weitere Freunde der Mitglieder, die jeweils einstimmig in den Verein gewählt werden mussten. Pro Jahr finden eine ordentliche GV und drei weitere Versammlungen statt, jeweils organisiert von einem Mitglied. Die Freunde gehen zusammen Skifahren oder auf Reisen ins In- und Ausland. Heute zählt der Club elf aktive Mitglieder. (tz)

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