Weinland

Letzte Chance auf Museumsbesuch

Zum letzten Mal werden am Sonntag die grossen Tore der Zehntenscheune geöffnet. Wegen dem Ausbau der Gemeindeverwaltung muss das Museum darin weichen – und schon drei Tage später weggeräumt sein.

von Roland Spalinger
29. Juni 2018

Getreide und Reben waren die tragenden Pfeiler im einstigen Stammertal. Der Getreideanbau sicherte der Bevölkerung das Überleben, der Wein brachte Geld, machte den Ort «hablich», wie Daniel Reutimann sagt. Der Präsident ist seit 17 Jahren in der Museumskommission, die Neukonzipierung der permanenten Wein- und Ackerbau-Ausstellung in der Zehntenscheune 2003 hat er mitverantwortet. Damals seien rund die Hälfte aller Ausstellungsstücke ausgeräumt worden.

Nun steht ein wesentlich grösserer Umbruch an. Mit der Kon­zen­tra­tion der Verwaltung der neuen Gemeinde Stammheim wird der Gebäudekomplex, der auch die Bildersammlung Deringer enthält, für Büros gebraucht – ab dem 1. Januar 2019. Per Mail wurde Daniel Reutimann mitgeteilt, dass deshalb die Zehntenscheune am 4. Juli leer geräumt sein müsse – gleich nach der Finissage am Sonntag beginnt also das grosse Ausräumen.

Dreschflegel, die hölzerne Walze und anderes altes Ackergerät werden ins museumseigene Depot gezügelt. Grösste Herausforderungen sind die rund zwölf Tonnen schwere Baumtrotte, für die die Gemeinde kurzfristig eine Lagermöglichkeit gefunden hat, und der zeitliche Druck.

Zehntenscheune ist ein Neubau
1961 wurde das Museum gegründet, 1968 die Zehntenscheune fast komplett neu gebaut. Nur einzelne Teile der Mauer sind noch alt, der Rest des Gebäudekomplexes ist 20. Jahrhundert. In der Scheune wurden die für eine Trotte typischen dreieckigen Lüftungsöffnungen eingebaut, damit Gärgase entweichen können. Denn schliesslich wurde dort auch das in Rudolfingen für 2000 Franken erworbene Trottwerk platziert. 1982 kamen als Ausstellungsräume der Dachstock und der Zwischenboden dazu. Und auch wenn als Bestandteil der «Stör»-Sonderausstellung eine mobile Schnapsbrennerei hinzukam, präsentiert sich die Dauerausstellung im Zehntenhaus seit der letzten Umstellung 2003 nunmehr 15 Jahre im gleichen Stil.

Natürlich würden einige sagen, sie hätten das im Museum Gezeigte «langsam gesehen», sagt Daniel Reutimann. Und vielleicht sei es tatsächlich Zeit für eine Veränderung. Trotzdem bereitet ihm Mühe, mit welchem Druck die Steuerungsgruppe die einmalige Museumslandschaft auseinanderreisse – «ohne Konzept, wie es weitergeht». In Unterstammheim sind die drei Museen (Museum Stammertal mit dem Hauptmuseum und der Zehntenscheune, Sammlung Deringer und Fachwerk­erleben) im und ums Gemeindehaus konzentriert. Um diese Nähe würden sie weitherum beneidet, sagt er.

Glaube an vernünftige Lösung
Daniel Reutimann ist nach wie vor überzeugt von der Richtigkeit der Fusion. Das Tempo, das für das «Generationenprojekt Um- und Ausbau Verwaltungszentrum» angeschlagen werde, sei aber «ein unwürdiger Fehlstart», wiederholt er die bereits an Gemeindeversammlungen geäusserte Kritik. Und doch bleibt er optimistisch, dass, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, eine vernünftige Lösung gefunden und Stammheim ein Museumskonzept haben wird.

Vorerst gilt seine Aufmerksamkeit der Finissage, bei der Res Wirth als Mitglied der Museumskommission beim Apéro um 16 Uhr auf die lange, erfreuliche Zeit der Museumsscheune zurückblicken und einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft werfen wird. Nach der «Feuerwehrübung» Räumung mit Demontage und Dokumentierung des Trottwerks könne in Ruhe überlegt werden, welchen und wie viel Ausstellungsplatz Getreide und Reben in Zukunft erhalten sollen.

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