Weinland

Letztes Reitsportgeschäft der Region schliesst nach 50 Jahren

Seit 1972 betreibt Renate Weiss ihren Pferdesportladen in Nohl. Auf Ende Jahr verabschiedet sich die Inhaberin nun in den wohlverdienten Ruhestand.

von Tizian Schöni
25. November 2022

Dass Renate Weiss gut mit Tieren kann, wird schon beim Betreten des Ladens klar. Ein Labrador mit feuchten Augen trottet zur Begüssung um die Theke, liebevoll tätschelt die Geschäftsführerin ihren Ladenhund «Pepper». Dass sie zum Pferdesport kam, war allerdings einer anderen Fügung geschuldet.

Eigentlich fand ihr Vater das Reiten zu gefährlich. Doch die Schwester von Renate Weiss «stürmte» so lange, bis sie bei Richard Brütsch in Schlatt erste Stunden nehmen durfte. Kurz darauf konnte der Vater auch Renate Weiss den Wunsch nicht mehr versagen. Eine Passion, die mehr als fünfzig Jahre andauern sollte, fand ihren Anfang. «Nach den ersten Ausritten hatte auch mein Vater Freude», sagt Renate Weiss. Später habe er sogar kleine Tagesausflüge mit den Pferden spendiert.

Pferdesport wird zum Beruf
«Ich wollte eigentlich nie einen Laden», sagt Renate Weiss. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie 1972 die Idee, einen Versandhandel für Pferdesportartikel aufzuziehen. «Damals gab es kein vergleichbares Einzelhandelsgeschäft», berichtet Renate Weiss. Das nächste Fachgeschäft für Pferdesport war «Kovi Reitsport» des Rennpferdebesitzers Armin Kovalski in Zürich. Die Waren dort waren aus eigener Produktion und sündhaft teuer, denn: Das Reiten als Freizeitbeschäftigung war früher ein Privileg der Oberschicht. Ansonsten gab es zu dieser Zeit einzig Sattler oder Schneider, bei denen man Produkte habe beziehen können, berichtet Renate Weiss.

Der Weg zum Ladengeschäft
Zum richtigen Kontakt kam ihr damaliger Mann. Dieser kannte einen erfolgreichen Geschäftsmann aus Deutschland, Richard Krämer. Der Handelsreisende – eigentlich schon im Ruhestand – hatte kurz zuvor einen sehr erfolgreichen Sattelhandel aufgezogen. Das Geheimnis: günstige Waren in angemessener Qualität, meist aus Indien. So fuhr in Nohl eines Tages ein Rolls-Royce mit Chauffeur vor, ihm entstieg Richard Krämer. Ein erster Zulieferer war gefunden, und so richteten Renate Weiss und ihr Mann im Estrich ihres Wohnhauses ein Lager ein.

Was ursprünglich ein reiner Versandhandel hätte sein sollen, wurde bald zum provisorischen Ladengeschäft. Die Kundinnen und Kunden hätten die Sättel, Halfter und Reitkleider damals einfach begutachten wollen, meint Renate Weiss. Ein Versandhandel, gerade für Bekleidung, war zu damaligen Zeiten zu ungewöhnlich. Immer mehr Interessenten kamen vorbei. «Irgendwann haben Kunden um sechs Uhr morgens geklingelt, weil ihnen noch Mähnengümmeli fehlten», sagt Renate Weiss.

Die Betreiber mussten Öffnungszeiten einführen. Das Geschäft zog an, langsam wurde es eng im Wohnhaus. «Die Leute warteten samstags auf der Treppe, weil es oben im Estrich so voll war», sagt Renate Weiss. Schliesslich folgte 1991 der Umzug zwei Häuser weiter in das Ladengeschäft. Das Sortiment wurde ständig erweitert und auch angepasst: Im Laufe der Jahre habe sich der Pferdesport von einer Männer- zur Frauendomäne gewandelt. Bei der Geschäftsaufnahme waren fast ausschliesslich Herrenkleider zu bekommen, heute sehe sie kaum mehr Buben im Geschäft, berichtet Renate Weiss.

Kinder, Pferde und Firma
1974 wurde Renate Weiss ein erstes Mal Mutter, ein zweiter Sohn folgte drei Jahre später. Zudem hielt die passionierte Reiterin nebst dem Ladenbetrieb immer eigene Pferde. Zuerst in einer benachbarten Reitstallung, danach im eigenen Stall. «Ich stand jeden Morgen um fünf bei den Pferden, danach weckte ich die Kinder, dann ging es wieder in den Stall, und dann musste der Laden geöffnet werden», sagt Renate Weiss. Zu streng sei es ihr trotzdem nie geworden. «Meine Schwiegermutter hat mich grossartig unterstützt.» Und mit den Pferden habe sie immer gerne gearbeitet. «Im Stall herrschte immer eine angenehme Ruhe, es tat mir gut, bei den Tieren zu sein.»

Ende Jahr ist nun Schluss mit dem Reitsportgeschäft. «Ich habe lange darüber nachgedacht», sagt Renate Weiss. Dann habe sie ihre Söhne angerufen, beide fanden den Entscheid richtig. Die 77-Jährige ist noch bis März mit der Auflösung des Ladens beschäftigt, danach ist wieder Zeit für ausgedehnte Spaziergänge mit den Pferden und mit Pepper.

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