Weinland

Liegen gelassener Abfall mit fatalen Folgen

Seit Jahren muss Landwirt Andreas Furrer immer wieder leere Glasflaschen auf einer seiner Wiesen einsammeln. Was vermutlich achtlos aus dem Auto geworfen wurde, kann für Tiere schlimm enden.

von Bettina Schmid
29. Oktober 2019

76 Jägermeister, 16 Jahrgangssektflaschen, 12 Weinflaschen derselben Marke und weiterer Abfall wie Bierdosen, Zigarettenpackungen oder Plastiksäcke: Dies ist die Bilanz nach 16 Monaten Müllsammeln auf einem Wiesenabschnitt von nur wenigen Hundert Metern. Die Grünfläche gehört Familie Furrer von der Pferdepension Wydenbuck in Henggart und liegt entlang einer Nebenstrasse, die nach Humlikon führt. «Da ich auf einem einzigen, kurzen Abschnitt über Jahre hinweg immer wieder genau die gleiche Art von Flaschen auffand, wurde ich stutzig», so Andreas Furrer. Deshalb habe er angefangen, die ärgerlichen Funde nicht mehr zu entsorgen, sondern zu sammeln.

Der Landwirt hat bis jetzt nicht herausgefunden, wer die Flaschen regelmässig in einer seiner Wiesen entsorgt. Er vermutet aber, dass es sich immer um die gleiche Person handelt. Um eine, die sich jeweils auf dem Weg zur Arbeit mehrere Schlückchen des Jägermeisters, des Jahrgangssekts oder des südafrikanischen Weins genehmigt, das Glas aus dem Fenster des fahrenden Autos wirft und am Abend auf dem Nachhauseweg dasselbe Spiel nochmals spielt, denn: Die Flaschen liegen sowohl rechts als auch links von der Strasse.

Tödliche Verletzungen
Littering ist ein Problem, mit dem Bauernfamilien schon lange zu kämpfen haben. Besonders entlang von Strassen liegen in den Weiden Aludosen, Drahtstücke, Nägel, PET-Flaschen, Essensverpackungen und vieles mehr. Müll, der die Tiere krank macht. Insbesondere Kühe sind betroffen, da sie beim Fressen nicht wie etwa Ziegen oder Pferde selektieren, sondern alles hinunterschlingen.

Reto Schnider, Tierarzt in der Tierarztpraxis Wyland in Kleinandelfingen, hat regelmässig Fälle zu behandeln, die auf das Fressen von Abfällen zurückzuführen sind. Besonders gefährlich für das Vieh seien spitze Gegenstände wie beispielsweise Nägel, sagt er. Diese können in der Haube (dem Vormagen der Kühe) stecken bleiben und sich durch die Haubenwand bohren. Entzündungen mit Abszessbildung sind die Folge, in schlimmen Fällen sticht der Gegenstand auch noch durch das Zwerchfell bis hin zum Herzbeutel. «Diese Tiere können nicht mehr gerettet werden.» Auch Aludosen seien sehr gefährlich, da sie durch ihre scharfen Kanten Maul- und Speiseröhrenverletzungen herbeiführen können und  Schädigungen im Darm zur Folge haben. Glasflaschen als Ganzes bergen dagegen noch kein gros­ses Risiko, da sie von den Kühen selten verschluckt werden. Allerdings zerbrechen sie beim Mähen. «Die Glassplitter im Heu und in der Silage führen dann wiederum zu diversen Verletzungen», so Reto Schnider.

Abfall zu Hause entsorgen
Der Wiesenabschnitt, in dem die Glasabfälle liegen, wird von Andreas Furrer bis zu viermal pro Jahr gemäht und ebenfalls für Viehfutter verwendet. Der Henggarter geht deshalb in unregelmässigen Abständen die Abfälle einsammeln, sagt aber, dass es im hohen Gras unmöglich sei, alle Flaschen und Dosen zu finden. «Sie kommen unter das Mähwerk, zersplittern und gelangen anschliessend ins Futter – es ist einfach mühsam.» Als mögliche Lösung des Problems sähe er die Einführung von Pfändern auf allen Glas- und PET-Flaschen sowie Aludosen. Dies würde das achtlose Wegwerfen dieser Gegenstände eindämmen, meint er. Bis es in Zukunft vielleicht so sein wird, bleibt ihm nur zu hoffen, dass die Menschen sich des Problems bewusster werden – und ihren Abfall zu Hause entsorgen. Wenn dieser Aufruf auch «seinen» Glasflaschen-Wegwerfer erreicht, ist Andreas Furrer umso dankbarer.

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