Weinland

Milchkanne und Feriengefühle

Zwei Wochen lang musste in der Gemeinde das Wasser abgekocht werden, weil es mit Fäkalbakterien verunreinigt war. Mühsam, aber eine Frage der Einstellung, heisst es vonseiten der Bewohner und des Gewerbes.

von Manuel Sackmann
13. November 2020

Alles begann Ende Oktober. Die Gemeinde stellte fest, dass das Trinkwasser mit E.-Coli-Bakterien verschmutzt war, und sofort begann sie mit der intensiven Suche nach der Schwachstelle im Leitungsnetz. Gleichzeitig wurde die Bevölkerung per Merkblatt und Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr dazu aufgefordert, nur noch abgekochtes Leitungswasser zu verwenden. Schon damals hiess es auf der Website, dass die Lösung des Problems einige Tage in Anspruch nehmen könne («AZ» vom 30.10.2020 und vom 6.11.2020).

Aus einigen Tagen wurden zwei Wochen. Für die Bevölkerung eine lange, mühsame Zeit. Beim Durchlesen des Merkblatts sei sie gerade dabei gewesen, einen Kaffee zu trinken, sagt eine Truttikerin, die lieber anonym bleiben möchte. «Da habe ich den Kaffee gleich weggeleert und die Maschine gereingt.»

Fortan musste das Wasser für alles abgekocht werden: zum Zähneputzen, zum Reinigen von Früchten und Gemüse, zum Abwaschen von Schneidebrettchen oder Raffeln, die nicht in den Geschirrspüler gehen. «Jeden Morgen stellte ich gleich drei Pfannen auf den Herd», sagt sie. Pro Tag habe sie so etwa zehn Liter abgekocht und zum Teil in Glasflaschen abgefüllt.

Zurück in Quillabamba
Eine solche Situation gehe an die Substanz, sei aber eine Frage der Anpassung. Man beginne Dämonen zu sehen, sagt die Hausfrau lachend. «Waschlappen und Geschirrtücher kamen jeweils umgehend in die Wäsche, ich hatte das Gefühl, überall wuchert es.» Irgendwann habe sie sich aber gesagt: «Du tust so blöd, und das bisschen Bauchweh hast du auch nur, weil du gerade vom verschmutzten Wasser gelesen hast!»

Abhilfe verschaffte der Mittsechzigerin der Gedanke an eine schon viele Jahre zurückliegende Südamerika-Reise. «Ich habe mir Ferienstimmung eingeredet», sagt sie. «Ich stellte mir vor, ich sei in Quillabamba (Peru). Dort mussten wir das Wasser auch für alles abkochen.» Und da die Gemeinde auf der Website täglich über die aktuelle Lage informiert habe, sei es erträglich gewesen.

Allerdings musste die Truttikerin die Entkalkungsanlage ihres Hauses aufgrund der Verschmutzung abhängen, was sich beim Abkochen bemerkbar machte. «Meine Pfannen sind vom vielen Kalk schneeweiss.»

Bäcker bedient sich im Unterdorf
Im privaten Rahmen hält sich der Bedarf an abgekochtem Wasser noch in Grenzen, zumal es beim maschinellen Waschen oder zum Duschen laut Gemeinde im Normalfall nicht nötig sei. Doch wie sieht es beim Gewerbe aus? Einer, der viel Wasser braucht, ist der örtliche Wyland-Beck. Roman Schär, mit seiner Frau Anita Inhaber des Geschäfts, meint: «Das Backen würde wahrscheinlich problemlos ausreichen, um die Bakterien abzutöten.» Bei der Kundschaft eines Lebensmittelbetriebs käme es aber wohl nicht gut an, wenn verschmutztes Wasser zum Einsatz käme.

Doch auch er fand eine Lösung. «Aufgrund von Bauarbeiten beziehen Teile des Unterdorfs das Wasser derzeit ohnehin von Ossingen.» Das machte sich der Brotproduzent zunutze und holte Wasser von einem im Unterdorf wohnenden Freund. Rund 200 Liter beförderte er jeweils in Milchkannen in die Bäckerei.

«Wir benutzen sowieso gekühltes Wasser», sagt er. Das lagere auch sonst in diese Behälter abgefüllt im Kühler. Jetzt hole er es halt einfach von etwas weiter her. Truttiker Leitungswasser hat er vorübergehend nur zu Reinigungszwecken eingesetzt – natürlich abgekocht. «Es ist alles eine Einstellungssache», so der Bäcker. Und die ganze Misere habe auch ihre positiven Seiten. «Wenn man das Wasser zuerst abkochen muss und es nicht einfach heiss aus dem Hahn genommen werden kann, geht man wesentlich weniger verschwenderisch damit um.»

Leitungen wieder freigegeben
Die mühselige Zeit ist nun vorüber. Auf ihrer Website hielt die Gemeinde die Bevölkerung während der letzten zwei Wochen auf dem Laufenden. Schon am 4. November war da Positives zu lesen: «Wir hoffen, den Übeltäter gefunden zu haben.» Es handle sich um einen undichten Wasserschieber oberhalb des Dorfes. Aber bald folgte die Ernüchterung. Obwohl der defekte Schieber ersetzt wurde, waren die Messwerte noch immer zu hoch. Zu allem Übel kamen am vergangenen Wochenende noch zwei Rohrleitungsbrüche hinzu.

Am Dienstag dann aber die erfreuliche Nachricht: «Licht am Ende des Tunnels!», schreibt die Gemeinde. Die neusten Messungen sähen gut aus, nur bei zwei Leitungen zu Höfen ausserhalb des Dorfes habe man noch eine leichte Verschmutzung festgestellt. Eine Freigabe des Trinkwassers durch das kantonale Labor sei daher absehbar. Dazu müssten die Messungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen unter dem Grenzwert liegen. Seit gestern Donnerstag ist das Trinkwasser – zumindest im Ortskern – wieder bedenkenlos konsumierbar.

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