Weinland

Mit 83 zum Jungunternehmer

Er war Reiseleiter, Primarlehrer, Hängemattenimporteur – und ist neu Besitzer eines Startups. Aus der Not heraus erfand Fernand W. Rohner mit 83 Jahren eine Manschette, die bei Hallux hilft.

von Bettina Schmid
18. November 2022

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an – zumindest, wenn man einem Lied von Udo Jürgens Glauben schenkt. Fernand W. Rohner ist 17 Jahre älter, was ihn aber nicht davon abhielt, kürzlich ein neues Leben als Jungunternehmer zu starten. Während andere mit 83 Jahren ihren wohlverdienten Ruhestand geniessen, tüftelte er monatelang an einer Lösung, erstellte Prototypen, liess diese patentieren, suchte nach Investoren und Zulieferern, kümmerte sich gemeinsam mit einer Agentur um das Marketing und gründete eine GmbH.

«In den letzten Monaten war es schon viel Arbeit», sagt er, und lacht. Doch das sei okay, es habe ihm Spass gemacht. Umtriebig war der 83-jährige Henggarter schon immer. Nichtstun ist nichts für ihn. So erstaunt es auch nicht, dass der frühere Primarlehrer bis weit nach seiner Pensionierung immer wieder unterrichtet hat, unter anderem in Ossingen, Flaach und Marthalen («Ich wurde regelmässig als Pensionierter angefragt, ob ich Stellvertretungen übernehmen könnte, und habe diese gerne gemacht»). Als er 70 wurde, habe die Erziehungsdirektion dann jedoch gesagt, dass sie ihn nun altershalber nicht mehr anstellen könnte.

Berggänger mit Schmerzen
Dies bedeutete das vorläufige Ende seiner bereits langen beruflichen Karriere. Der in Henggart wohnhafte gebürtige Appenzeller hatte nebst seinem Lehrerberuf, davon mehrere Jahre in Mexiko, unter anderem bereits eine Crêperie und ein Restaurant betrieben, Hängematten aus Mexiko in die Schweiz importiert und Sackmesser sowie Uhren nach Mexiko exportiert. Auch als Reiseleiter war er tätig gewesen.

Nach seinem definitiven Rückzug als Lehrer widmete er sich vermehrt seinen geliebten Wanderungen. «Ich kaufte im Frühjahr 2021 neue Wanderschuhe, die zu meinen altersgeplagten Füssen passten», erzählt der begeisterte Berggänger, der auch im Alter von 83 Jahren noch regelmässig Touren unternimmt und schon mehrmals die Alpen zu Fuss überquert hat. Er hat an einem Fuss Hallux valgus (Fehlstellung der Grosszehe) und am anderen Hallux rigidus (Arthrose). Nach einer mehrstündigen Wanderung und einem steilen Abstieg passierte es dann: Der Knöchel und der Hallux valgus entzündeten sich, er litt unter unerträglichen Schmerzen und musste barfuss weitergehen.

Simpel und effektiv
Um wieder beschwerdefrei marschieren zu können, hat er anschliessend Apotheken und Schuhgeschäfte nach Hilfsmitteln abgesucht – und nichts gefunden. «Die Pflaster, Salben und Verbände, die ich auf den sensiblen Stellen platzieren sollte, brachten kaum etwas.» So hat er kurzerhand selbst angefangen zu tüfteln. Dabei hat er sich an die Rekrutenschule erinnert. Blasen hätten sie dort immer erfolgreich mit Leukoplast behandelt, die sie rund um die schmerzende Stelle als Druckentlastung geklebt hätten. Druck weg, Schmerz weg – «dies hat wunderbar funktioniert». Und so wurde die Idee von «Halluxus» geboren: einer Manschette in zwei verschiedenen Ausführungen und drei Grössen, die über den Fuss oder das Schienbein gezogen werden kann und mittels eingenähten Schaumstoffstücken Druck, Schmerz sowie Reibung an den sensiblen Stellen verhindert.

Fernand W. Rohner ist stolz auf sein Produkt, das er selbst auf über 70 Bergtouren erfolgreich getestet hat. «Es ist simpel, funktioniert, wird in der Schweiz in einer Näherei im Appenzell hergestellt und kann gewaschen und somit immer wieder verwendet werden.» Vor einer Woche ging seine Website online und startete der Verkauf.

In den nächsten Wochen stellt er sein Produkt nun Apotheken, Drogerien und Sportgeschäften vor. «Sie haben grosses Interesse gezeigt, und einige haben es bereits in ihre Produktepalette aufgenommen.» Nach den arbeitsreichen letzten Monaten wird es also auch in den nächsten Wochen noch nicht viel ruhiger werden beim aktiven Mann im Ruhestand, der vorerst als CEO von Halluxus tätig bleiben wird und den Verkauf selbst übernimmt. «Die Bestellungen bearbeitet mein Sohn.» Die Freizeit, die ihm bleibt, nutzt er weiterhin für Wanderungen – die er nun wieder schmerzfrei geniessen kann.

www.halluxus.ch

 

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