Cheftaucher Simon Ott (links) und sein Kollege beobachten während der Patrouille aufmerksam das Treiben auf dem Rhein.
Es ist noch ruhig auf dem Rhein, als Simon Ott, Cheftaucher der Schaffhauser Polizei, und sein heutiger Patrouillen-Kollege L. R., der anonym bleiben möchte, an diesem Samstagmittag im Juli die Taue des Polizeischiffs lösen und den Liegeplatz beim Salzstadel in Schaffhausen verlassen. Nur wenige Boote sind bereits unterwegs, ab und zu auch ein Stand-up-Paddler oder ein Schwimmer.
Dies werde sich noch ändern, wie Simon Ott aus Erfahrung weiss. Die meisten Gummibootkapitäne würden erst am früheren Nachmittag hier sein. Sich von Stein am Rhein nach Schaffhausen treiben lassen, wie dies viele machen, dauert ungefähr vier bis fünf Stunden (Informationen zur Strecke siehe Kasten). Auch die heutige Patrouille fährt diesen Abschnitt hin und zurück, ein rund achtstündiger Einsatz.
Bereits nach kurzer Zeit lässt die schwimmende Polizei-Dienstzentrale die Stadt Schaffhausen auf der linken Flussseite hinter sich, es folgt Büsingen – der Rhein bildet zwischen Basel und dem Bodensee auf weiten Strecken die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland, so auch auf dem heutigen Patrouillenabschnitt.
Präventiv unterwegs
Die beiden Polizisten grüssen die Anwesenden freundlich, diese winken zurück – die Atmosphäre auf dem Fluss ist kollegial und lockerer als auf der Strasse. Auch das Polizeitenue hat sich angepasst und besteht aus kurzen Hosen und einem kurzärmligen Hemd – ein Segen an heissen Tagen. Ansonsten unterscheidet sich die Ausrüstung kaum von anderen Einsätzen, auch auf dem Fluss sind die Polizisten mit Pistolen und Funk ausgerüstet, das motorisierte Polizeiboot verfügt über Blaulicht und Sirene. «Für den Fall der Fälle. Benutzen müssen wir es hier zum Glück selten.»
Denn die Arbeit auf dem Wasser ist mehrheitlich präventiv. Das Ziel sei, Unfälle zu vermeiden. Und so weist Simon Ott schon nach wenigen Minuten eine Stand-up-Paddlerin darauf hin, dass sie doch auf dem Rhein die Fussbinde zu ihrem Brett lösen soll. Der Grund: Es gibt hier im Gegensatz zum See Schifffahrtszeichen für die Binnenschifffahrt, sogenannte Wiffen, an denen man hängen bleiben kann. Das Stand-up-Paddle zu verlieren, ist da das kleinere Übel.
Die gleiche Gefahr lauert auch für diejenigen, die ihre Schlauchboote aneinanderbinden. «Wir hatten schon Unfälle mit Schwerverletzten, da sich die verknoteten Boote an den Wiffen verfingen und so zum Kentern gebracht wurden.» Wenn man in eine solche Signalisation hineinfahre, gehe es sehr schnell, bis man unter Wasser gerate. Im schlimmsten Fall werde man vom eigenen Gefährt erschlagen. Abstand halten ist deshalb wichtig, dies gilt auch für das Kursschiff.
Denn auch mit ihm komme es immer wieder zu brenzligen Situationen. «Manchmal merken die Menschen nicht, dass sie sich genau im Fahrwasser befinden.» Eigentlich würden die Wiffen mit ihrem grün-weissen Signal anzeigen, auf welcher Seite die Böötler und auf welcher die Kursschiffe fahren sollen (grün für Kursschiff, weiss für alle übrigen). Doch vielen seien diese Zeichen unbekannt.
Zusätzliche Ausbildung
Mit ein Grund, weshalb die Schaffhauser Polizei kürzlich eine Präventionskampagne lanciert hat und auf einer Website über das sichere Bööteln auf dem Hochrhein aufklärt. Um darauf aufmerksam zu machen, verteilen Simon Ott und L. R. an diesem Tag leuchtend-orange Schwimmnudeln. Ein Geschenk, das gut ankommt. Insbesondere die Kinder sind vom kurzen Schwatz mit den uniformierten Polizisten auf dem schwimmenden Einsatzfahrzeug beeindruckt.
Wer bei der Sondergruppe Wasserpolizei mitmachen und alle zwei, drei Wochen zusätzlich zu seiner normalen Tätigkeit auf dem Rhein patroullieren möchte, muss sich für diese Aufgabe bewerben sowie eine separate Zusatzausbildung als Bootsführer und gegebenenfalls auch als Taucher durchlaufen. In Schaffhausen setzt sich die Wasserpolizei aus 26 Polizistinnen und Polizisten aus allen Abteilungen zusammen. «Ich freue mich immer auf die Einsätze auf dem Rhein», sagt Simon Ott, der ansonsten bei der Verkehrspolizei ist. Auch für den Kriminalpolizisten L. R. sind sie eine willkommene Abwechslung, es sei zweifellos ein schöner Ort zum Arbeiten.
Grenzübergreifende Kooperation
Eine durchaus nachvollziehbare Aussage, denn der Hochrhein verläuft hier entlang traumhafter, idyllischer Badestellen und kleiner Sandbuchten auf beiden Flussseiten. Dabei wechseln sich immer wieder die Kantone respektive ein Bundesland entlang des Flussufers ab: Schaffhausen, Thurgau, Zürich und Baden-Württemberg. «Wir übernehmen die Patrouille auf allen Bereichen, auch wenn sich teilweise der Kanton Schaffhausen weder auf der linken noch auf der rechten Flussseite befindet», so Simon Ott. Möglich ist dies aufgrund entsprechender Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter den verschiedenen Kantonen sowie Baden-Württemberg. Mit den Patrouillen wechseln sich die Polizeien dieser Regionen ab, auch bei Ernstfällen kommt die erfolgreiche Zusammenarbeit zum Tragen.
«Verunfallt eine Person im Wasser, beobachten dies normalerweise mehrere Personen von verschiedenen Standorten aus», so Simon Ott. Entsprechend würden anschliessend auch verschiedene Polizeistationen Meldungen erhalten. Das Herausforderndste sei dann jeweils, gemeinsam herauszufinden, ob es sich um ein und dasselbe Ereignis handle oder um mehrere, denn die gemeldeten Beobachtungen würden sich teilweise unterscheiden. In der Regel sei jene Polizei als erste vor Ort, die an diesem Tag zur Patrouille eingeteilt sei. Diese fahre dann sofort zur Unfallstelle und fordere bei Bedarf Unterstützung der anderen Korps an, zum Beispiel für Suchaktionen. «Man hilft sich gegenseitig.»
Mahnender Zeigefinger des Rheins
An diesem sonnigen Samstag kommt es glücklicherweise zu keinem Ernstfall, der Tag verläuft ruhig. Entsprechend gestaltet er sich zu einem Grossteil spontan. Die beiden Polizisten beobachten und agieren je nach Situation, ermahnen, weisen auf Gefahren hin oder machen Ausweiskontrollen.
Auch eine Geschwindigkeitskontrolle steht auf dem Programm. Dabei werden sie von Urs Hauschildt unterstützt, einem Verkehrspolizisten, der sich am Ufer mit einem Lasermessgerät positioniert hat. «Hier messen wir die Motorboote, alle übrigen erreichen die maximalen Geschwindigkeiten von 10 km/h auf der Bergfahrt und 20 km/h auf der Talfahrt sowieso nicht», so Urs Hauschildt.
Der erfahrene Verkehrspolizist ist selbst Teil der Wasserpolizei und bereits seit über 30 Jahren auf dem Fluss unterwegs. In einem Artikel sei er mal als «Der mahnende Zeigefinger des Rheins» betitelt worden, wie er schmunzelnd erzählt. Und diese Beschreibung passe eigentlich ziemlich gut auf die gesamte Wasserpolizei. Dabei handelt es sich jedoch offensichtlich um einen freundlichen mahnenden Finger, wie man dem Gesicht eines Mädchens ablesen kann, das gerade mit seiner Familie den Rhein hinuntertreibt und von den Polizisten glücklich strahlend eine Poolnudel entgegennimmt.
Von Stein am Rhein nach Schaffhausen
Eine schöne und bei Gummibootkapitäninnen und -kapitänen sehr beliebte Strecke ist diejenige von Stein am Rhein bis Schaffhausen. Hier treibt man gemütlich vorbei an Wäldern, Weinbergen und Schlösschen. Das mittelalterliche Stein am Rhein, Diessenhofen und schliesslich Schaffhausen liegen am Weg, ebenso diverse offizielle Badis und Badebuchten. Für Kinder besonders empfehlenswert ist etwa das Strandbad Büsingen mit Spielplatz und Kieselstrand.
Dauer: Die reine Paddelzeit für die 18 Kilometer beträgt etwa vier bis fünf Stunden. Hinzu kommen Pausen und Transport.
Sicherheit: Die Schaffhauser Polizei hat gemeinsam mit der Kantonspolizei Thurgau, der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein und der Polizei Baden-Württemberg eine Website eingerichtet, auf der sie die wichtigsten Verhaltensregeln und Tipps zum sicheren Bööteln auf dem Hochrhein zum Download bereitstellt. Dazu gehört auch eine umfassende Karte mit Ein- und Auswasserungsstellen, der geeigneten Fahrrinne und Informationen, auf was man während der Fahrt achten sollte.
www.ufmrhy.ch
Grenzgeschichten
Das Weinland liegt ganz am Rand des Kantons und nahe an Deutschland. Grenzen sind demzufolge allgegenwärtig. Und sie sind Thema unserer fünfteiligen Sommerserie. (az)
Mit dem schwimmenden Polizeifahrzeug der Grenze entlang