Weinland

«Nur noch diese eine Runde!»

Stundenlang auf TikTok, Alkoholkonsum, Gamen bis zum Gehtnichtmehr: Eine Veranstaltung des Zentrums Breitenstein zeigte Eltern mit Teenagern auf: Mit diesen Herausforderungen sind sie nicht alleine.

von Tizian Schöni
21. März 2023

Eigentlich fand der Anlass bereits im Februar statt – doch das Zen­trum Breitenstein erhielt so viele Anmeldungen, dass es einen zweiten Termin brauchte. Gut 30 Eltern waren vergangenen Mittwoch in die Beratungsstelle gekommen, um mehr über die Lebensphase Pubertät zu erfahren.

Dass das Thema bewegt, wurde klar, als die beiden Referentinnen Sabrina Hedinger (siehe zweites Bild oben), Erziehungsberaterin Zentrum Breitenstein, und Livia Staub (drittes Bild), Leiterin Beratung und Prävention, fragten, welche Situationen zu Hause unter den Nägeln brennen würden. Viel Bekanntes wurde genannt: die fehlende Kommunikation der Jugendlichen mit den Eltern, Probleme bei den Hausaufgaben und im Ausgang. Ein Thema dominierte und erntete zustimmendes Murmeln, als es in den Raum gestellt wurde: die Zeit am Bildschirm und der Umgang mit digitalen Medien.

Bevor es zum weiteren Austausch untereinander ging, informierte Sabrina Hedinger über die Phase Pubertät und was diese für Jugendliche und Eltern bedeutet. Sie nannte das berühmte Zitat von Sokrates (399 vor Christus): «Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widerspricht ihren Eltern, legt die Beine übereinander und tyrannisiert ihre Lehrer» und relativierte damit schon die meisten Vorurteile über die «heutige» Jugend.

«Die Pubertät ist für Erwachsene manchmal wie eine Insel», sagte die Erziehungsberaterin. Es gebe dort eine eigene Sprache, andere Kleidung. Als Erwachsener wisse man oft nicht so recht, was dort laufe. Die Teenager hingegen erkundeten diese Insel mit gros­ser Neugier, denn vieles verändere sich in dieser Zeit auch für die Jugendlichen selbst. Man entdecke das eigene Geschlecht, den Körper und sei hormonellen Veränderungen ausgesetzt. Unter Umständen verändere sich dadurch auch der Schlafrhythmus. Zudem wachse man stark, der Körper verändere sich.

Das «Entdeckergen» der Teenager sei in den oben genannten Fällen eigentlich eine nützliche Eigenschaft, mache andererseits aber eben nicht Halt vor «Substanzen» und dem Bildschirm, ergänzte Livia Staub. Bei Ersterem gehe es häufig ums Probieren und das Austesten eigener Grenzen.

Chancen und Risiken im Teenie-Alter
In digitalen Medien hingegen suche man den Dopaminkick – also die kleinen positiven Schübe, die wir erhalten, wenn uns zum Beispiel der Schwarm eine Nachricht schreibt oder wir bei einem Spiel ge­winnen. Viele Verhaltensmuster von Teenagern seien für Erwachsene sehr ungewöhnlich, letztendlich aber normal. Mit dieser Botschaft entlies­sen die beiden Referentinnen die Eltern in kleinere Gruppen, in denen ein individueller Austausch stattfand. Die zentrale Frage dabei: Mit welchen Strategien bewältigen die Erziehungsberechtigten schwierige Si­tua­tio­nen mit ihren Kindern? Intensiv wurde dabei über die Zeit am Smartphone, an der Konsole oder am PC gesprochen. «Bei mir gibt es eine Stunde am Compi», sagte ein Vater. «Da läuft einfach die Zeit runter und dann ist fertig.» Andere haben Regeln abgemacht, zum Beispiel, dass das Smartphone nicht mit ins Schlafzimmer kommt oder nur zu bestimmten Zeiten benützt wird.

Livia Staub findet beide Strategien sinnvoll: «Es kann durchaus sein, dass ein Kind klare Strukturen braucht.» Auch einmal alle Regeln über Bord zu werfen und zu beobachten, wie sich das Kind verhalte, wenn es theoretisch so viel Zeit am Bildschirm verbringen könne, wie es möchte, könne helfen. «Man muss ausprobieren, was funktioniert», sagte die Leiterin Beratung und Prävention.

Geschützter Raum für Austausch
Aller Anfang ist schwer: In den Gruppen hielten sich die Eltern anfänglich zurück, bis jemand die Initiative ergriff und erzählte. Nachdem das Eis gebrochen war, plauderten Mütter und Väter schon nach Minuten offen über die Herausforderungen mit ihren Kindern. Gegen das wiederholte Zuschlagen einer Türe fand ein Vater die kreative Lösung, die Zimmertüre gleich ganz zu entfernen. Dieser ungezwungene Austausch sei eigentlich das Ziel des Anlasses, sagte Livia Staub. Die Eltern sollten merken, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine seien.

Weil es in der zweistündigen Veranstaltung mitunter schwierig sei, auf individuelle Herausforderungen der Familien einzugehen, wiesen die Referentinnen während des Anlasses auch auf die weiteren Beratungsangebote des Zen­trums Breitenstein hin. Der erste Kontakt baue die Hemmschwellen ab, sich zu melden. «Wir schätzen, dass ein bis zwei Personen, die die Veranstaltung besuchen, in eine Beratung kommen», sagte Livia Staub.

Für heiteres Lachen ganz am Ende der Veranstaltung sorgte die Anekdote einer Mutter über die Erfahrungen ihres Teenagers mit Alkohol. Ausgerechnet über Social Media hatte sie mitge-kriegt, dass ihr Sohn sich unerlaubt wohl mehr als nur ein Bier genehmigt hatte. In regem Austausch und wohl auch erleichtert darüber, dass andere mit denselben Problemen kämpfen, standen die Eltern noch fast eine halbe Stunde zusammen.

Die Erziehungsberatung des Zen­trums Breitenstein ist für Eltern aus dem Bezirk kostenlos: www.zh.ch/zentrum-breitenstein

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