Weinland

Schokolade für mehr Biodiversität

Mayra Núñez und Felix Bauer kreieren in ihrem Atelier handgemachte, nachhaltige Kakaospezialitäten. Dabei verfolgen sie das grosse Ziel, die biologische Vielfalt zu fördern – hier und am anderen Ende der Welt.

von Bettina Schmid
26. Oktober 2021

Mayra Núñez steht in ihrem Atelier mitten im Dorfkern von Mar­tha­len und lässt kon­zen­triert die erwärmte Schokolade auf die kühle Granitplatte flies­sen. 32 Grad sollte die feine braune Masse schlussendlich haben, «so wird die Schokolade schön glänzend und läuft nicht weiss an.» Temperieren heisst dies in der Fachsprache. Ein Vorgang, der viel Erfahrung benötigt, denn nur 0,5 Grad mehr oder weniger machen einen grossen Unterschied. Anfangs habe sie stundenlang probiert und immer wieder von Neuem anfangen müssen, so Mayra Núñez. «Ich musste eine Beziehung zur Schokolade aufbauen und ein Gefühl für sie entwickeln.» Perfekt sei die Temperatur dann, wenn das «Probiererli» auf der Kellenspitze innerhalb von 30 Sekunden fest und glänzend werde.

Seit Mai dieses Jahres stellen die gebürtige Ecuadorianerin und ihr Partner, Felix Bauer, mit ihrem neu gegründeten Unternehmen Allpa Kula (Sprache der Ureinwohner von Ecuador, übersetzt auf Deutsch: Land, auf dem Kakao wächst) nachhaltige, fair produzierte und handgemachte Schokolade her. Die verwendeten Bohnen stammen von Kleinbauern aus Ecuador, Madagaskar und von den Philippinen. Es ist ein grosser Traum, den sie sich erfüllen konnten und der vor zwei Jahren bei einer Reise durchs Mayras Heimat entstanden ist.

«Ecuador ist ein Land mit einer atemberaubenden Vielfalt an Tieren und Pflanzen», so Felix Bauer. Sie hätten jedoch auch gesehen, wie grosse Flächen Regenwald niedergebrannt wurden, um dar­auf in Monokulturen Bananen, Ölpalmen und eben Kakao anzubauen.

Urwald statt Monokulturen
Gleichzeitig seien ihnen kleinbäuerliche Betriebe aufgefallen, auf deren Plantagen man die Kakaobäume fast suchen musste, da es dort wie im Urwald aussah. Kakaobäume standen inmitten von anderen Pflanzen- und Baum­arten, welche sich gegenseitig ergänzten. So spendeten Obstbäume etwa Schatten für den Kakao, die Bodenqualität verbesserte sich, und die biologische Vielfalt bot Lebensraum für verschiedene Tiere. Affen, Vögel und sogar Faultiere hätten sie begleitet. Sie seien so begeistert davon gewesen, dass sie diese Bauern und die daraus entstehende Biodiversität unbedingt unterstützen wollten – und Allpa Kula gründeten.

Im letzten Jahr hat das Paar viel Zeit und Arbeit in die Umsetzung seiner Idee investiert. So sind sie etwa von Zürich nach Mar­tha­len umgezogen, da sie hier eine geeignete Immobilie gefunden haben. «Als wir den Riegelbau im Zen­trum von Mar­tha­len mit dem an die Wohnung angrenzenden Gewerberaum entdeckt hatten, war klar: Das ist es», sagt Felix Bauer. Eigenhändig hätten sie die Räumlichkeiten so umgebaut, dass sie von der Lebensmittelbehörde eine Bewilligung erhielten. Danach galt es, das Handwerk der Kakaoverarbeitung von der Pike auf zu lernen, hatten doch weder der studierte Physiker noch die studierte Betriebswirtschafterin und gelernte Kleinkindererzieherin Mayra praktische Erfahrungen. «Doch was wir haben, ist Leidenschaft.» Das Produzieren hätten sie dann durch Lesen, den Austausch mit anderen kleinen Schokoladeherstellern sowie ganz viel Ausprobieren erlernt.

Vegan und für Allergiker geeignet
Das Konzept, nach dem die beiden arbeiten, nennt sich «Bean to bar», das heisst, dass von der Bohne bis zum Endprodukt alles am selben Ort gefertigt wird. «Wir wissen, von welchen Bauern unsere Bohnen stammen und wie die Anbaumethode ist», so Mayra Núñez. Sie würden die Bohnen in ihrem Atelier eigenhändig rösten, schälen, mahlen, schmelzen, mit Zucker mischen, temperieren und schlussendlich zum Verkauf abpacken.

Alles in Handarbeit und mit möglichst einfachen Geräten. So werden die Schalen der Kakaobohnen etwa mittels eines umgebauten Staubsaugers vom Kern getrennt, und als Röstgerät dient eine Heissluft-Fritteuse. «Dabei können wir die Röststufe individuell einstellen», erklärt Mayra. Jeder Kakao habe ein spezielles Röstprofil, welches das Aroma optimal zur Geltung bringe. Ausser Zucker würden sie der Kakaomasse nichts zufügen, weshalb ihre Produkte auf natürliche Art und Weise vegan und für Allergiker geeignet seien.

Neuer Pop-Up-Store
Bei der Herstellung würden sie stark auf Nachhaltigkeit achten, um ihr Ziel, der Umwelt etwas zurückzugeben, erreichen zu können. «Unsere Verpackungen sind etwa aus Graspapier, das ohne Bleichmittel und mit weniger Ener­gie­ hergestellt wird. Und der Rübenzucker stammt aus nachhaltigem, regionalem Anbau», sagt Felix Bauer. Zurzeit würden sie daran arbeiten, die Biodiversität nicht nur am anderen Ende der Welt, sondern auch in der Schweiz zu fördern. Deshalb stünden sie in Kontakt mit Umweltorganisationen, welche etwa Strukturen für Vögel aufbauten, und die sie gerne unterstützten.

Ihre Arbeit solle Sinn machen und einen «Impact» hinterlassen. «Wenn wir zusätzlich noch andere Firmen inspirieren können, gewisse Nachhaltigkeitsideen zu übernehmen, sind wir glücklich.» Deshalb sei auch die Aufklärungsarbeit ein wichtiger Teil ihrer Tätigkeit. In den Monaten November und Dezember betreiben sie nebst ihrem Onlineshop, dem Verkauf in Hofläden sowie direkt bei ihnen zu Hause erstmals auch einen Pop-Up-Store an der Europaallee in Zürich und führen dabei auch Veranstaltungen durch, an denen Interessierte erfahren können, wie Schokolade entsteht und wo der Kakao angebaut wird.

www.allpakula.ch

War dieser Artikel lesenswert?

Zur Startseite